Zwangsaussiedlung von Roma aus Vsetín: Oberster Gerichtshof erhöht Entschädigungssumme
Der Oberste Gerichtshof hat mit zwei Urteilen die Entschädigungen für Kinder aus zwei Roma-Familien angehoben, die im Jahr 2006 aus der mährischen Stadt Vsetín / Wsetin ausziehen mussten. Von der Zwangsaussiedlung betroffen waren damals über 100 Menschen.
Über das Gerichtsurteil berichtete am Montag die Presseagentur ČTK. Die betroffenen Personen sind mittlerweile erwachsen und erhalten nun einmalige Geldzahlungen in Höhe von 10.000 Kronen (410 Euro) bis 95.000 Kronen (3900 Euro).
Zur Zwangsräumung der von den Roma bewohnten Immobilie war es unter dem Bürgermeister Jiří Čunek (Christdemokraten) gekommen, der derzeit wieder an der Spitze der Stadt Vsetín steht. Das Wohnhaus war in einem schlechten Zustand und wurde anschließend abgerissen. Die rund 100 Bewohner wurden in Containerbehausungen in Vsetín oder in Wohnhäusern in teils mehreren Hundert Kilometern Entfernung untergebracht.
Die Roma sprachen damals von Deportierungen und kritisierten die Entscheidung. Das anschließende Gerichtsverfahren zog sich über viele Jahre hin. Zuletzt hatte das Obergericht in Olomouc / Olmütz 2021 entschieden, dass sich die Stadt Vsetín entschuldigen und Entschädigungen von insgesamt 302.000 Kronen (12.400 Euro) zahlen muss. Die einzelnen Betroffenen, die damals Kinder waren, sollten dabei in den meisten Fällen einige Tausend Kronen erhalten. Zwei Familien zogen daraufhin vor den Obersten Gerichtshof in Brno / Brünn, der ihnen nun Recht gab. So muss die Stadt Vsetín eine höhere Summe zahlen.
Das Gericht hob die Zahlung vor allem für eine Familie an, die in den Ort Vlčice / Wildschütz umsiedeln musste. Das dortige Haus war alt und feucht, es gab weder eine Dusche noch eine Klärgrube, zudem wurde das Gebäude nicht von der Müllabfuhr angefahren. Die elektrischen Anschlüsse waren veraltet, es gab nur in einem Raum einen Ofen. Die Familie war nicht im Stande, die Immobilie aus eigenen Kräften zu sanieren. Der Vater verließ daraufhin die Familie, die meisten der Kinder kamen in Kinderheime.
„Die Besonderheit der Situation der Kläger und die Schwere des Eingriffs in ihr Recht auf ein Familienleben besteht im Vergleich mit den anderen Fällen der Massenaussiedlung aus Vsetín vor allem darin, dass die Familie zerbrach, grundlegende familiäre Kontakte abrissen und die Kinder ihrer Kernfamilie entzogen wurden“, heißt es im Urteil des Gerichts. Sechs der Betroffenen sollen nun Geldzahlungen von jeweils 87.000 Kronen (3600 Euro) bis 95.000 Kronen (3900 Euro) erhalten.
Auch für die zweite Gruppe von Klägern wurde die Schadensgeldsätze erhöht. Die betroffene Familie musste in eine heruntergekommene Immobilie in Vidnava / Weidenau umziehen. Die erwachsenen Familienmitglieder waren zuvor gerichtlich dazu aufgefordert worden, ihre Wohnung zu räumen, da sie keine Miete bezahlten. Laut dem Obersten Gerichtshof könne man erwarten, dass eine Person in einer schwierigen sozialen Lage nach Lösungen suche – etwa in Form staatlicher Unterstützung oder bei Hilfsorganisationen. Dass dies nicht passiert sei, könne aber nicht denjenigen vorgeworfen werden, die damals minderjährig gewesen seien. Die entsprechenden Personen sollen dem Gericht zufolge deshalb zwischen 10.000 Kronen (410 Euro) und 40.000 Kronen (1600 Euro) erhalten. Der Schadensersatz wird dabei nach dem damaligen Alter gestaffelt ausgezahlt, da dem Obersten Gerichtshof zufolge Menschen im frühen Kindesalter weniger von einem Abreißen sozialer Kontakte betroffen sind als Heranwachsende. „Es ist deshalb angebracht, die Höhe der Entschädigung je nach Alter der Kläger zu staffeln, wobei die Älteren höhere Summen als die Jüngeren erhalten“, heißt es in dem Urteil.
Bürgermeister Jiří Čunek teilte am Montag mit, die Entscheidung des Gerichts respektieren zu wollen. Er schließe allerdings nicht aus, vor das Verfassungsgericht zu ziehen, sagte er weiter vor Journalisten.