Zweite Corona-Welle: Kommt der Lockdown in Tschechien?

Foto: ČTK / Jaroslav Ožana

Praktisch überall in Europa steigen derzeit die Corona-Zahlen. Doch fast nirgendwo ist es so schlimm wie in Tschechien. Laut der New York Times gab es hierzulande in der vergangenen Woche die zweithöchste Rate an Corona-Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner weltweit. Nur das kleine Andorra war noch stärker betroffen. Deswegen reden Regierungspolitiker hierzulande bereits von der Möglichkeit eines zweiten Lockdowns nach dem ersten im Frühjahr.

Miloš Zeman  (Foto: Archiv der Verwaltung der Prager Burg)

Am Freitag gab es einen neuen absoluten Negativrekord in Tschechien. Insgesamt 11.105 neue Corona-Fälle wurden gezählt – so viel wie noch nie an einem Tag zuvor. Angesichts der Entwicklung haben sich zahlreiche Politiker mit Aufrufen an die Menschen im Land gewandt. So auch Staatspräsident Miloš Zeman:

„Uns steht nur eine Waffe zur Verfügung, solange es keine Impfung gibt. Und dies ist ein kleines Stück Stoff, das wir uns vors Gesicht hängen.“

Mit diesen Worten rief der Präsident am Freitagabend alle zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes auf.

Bereits seit Montag vergangener Woche hat die Regierung einen teilweisen Lockdown verhängt. So müssen für vorerst drei Wochen alle Gastbetriebe geschlossen bleiben, und auch der Kultur- und Sportbetrieb ruht. Das Ziel ist, die Reproduktionszahl von 1,4 auf unter eins zu drücken. Die Zahl sagt, wie viele weitere Menschen ein Infizierter im Schnitt ansteckt. Premier Andrej Babiš (Partei Ano) lenkte am Sonntag in seiner regelmäßigen Ansprache über Facebook und Youtube das Augenmerk auf die Zahl der Kontakte. Sie lägen derzeit noch um ein Drittel bis zur Hälfte höher als beim Lockdown im März, so der Regierungschef.

Andrej Babiš  (Foto: Archiv von Andrej Babiš)

„Ich bitte alle, zu Hause bei der Familie zu bleiben. Und arbeiten Sie bitte auch von zu Hause, wenn dies möglich ist“, appellierte daher Babiš an die Menschen.

Weiter sagte der tschechische Premier, dass die jetzige Woche über die nächste Entwicklung entscheiden werde. Das heißt, ob wenigstens bis Weihnachten eine teilweise Normalität ins Land zurückkehren könne.

Innenminister Jan Hamáček wurde am Sonntag deutlicher. So erläuterte der Sozialdemokrat in einer Diskussionssendung des privaten TV-Senders Prima:

Jan Hamáček  (Foto: Archiv des Regierungsamtes der Tschechischen Republik)

„Sollte sich zeigen, dass unsere jetzige Taktik keinen Erfolg hat, dann gibt es kaum noch Alternativen für die Regierung. Eigentlich nur noch eine Form des Lockdowns. Die Lage ist schwierig. Vor jeglichen weiteren Entscheidungen sollte aber noch fünf oder sechs Tage abgewartet werden.“

Diese Aussage hat allerdings Industrie- und Handelsminister Karel Havlíček (parteilos) erzürnt. Er nannte eine andere Abmachung innerhalb des Regierungskabinetts:

„Wahrscheinlich wird sich jetzt erst einmal die Lage weiter verschlechtern. Damit haben wir aber gerechnet. Wir haben außerdem klar gesagt, dass wir die Entwicklung bis 2. November abwarten wollen und dann entweder die Maßnahmen verschärfen oder lockern.“

„Temporär geschlossen“  (Foto: ČTK / Ondřej Deml)

Im Übrigen hat Premier Babiš nach dem Lockdown im Frühjahr immer wieder behauptet, dass es so etwas nicht noch einmal hierzulande geben werde. Auf den politischen Kommentator des Tschechischen Rundfunks, Petr Hartman, macht die neue Diskussion über schärfere Maßnahmen einen chaotischen Eindruck.

„Die sich widersprechenden Aussagen bestätigen, dass die Regierung in der Corona-Krise weiter improvisiert. Dass sie keinen Plan hat für unterschiedliche Entwicklungen der Pandemie. Denn hätte sie diesen, würden sich die Regierungsvertreter im ähnlichen Geist äußern“, so Hartman am Montagmorgen.