Zweite Runde der tschechischen Senatswahlen und ihre politische Folgen

Foto: ČTK

Tschechien hat ein aufregendes Wahlwochenende hinter sich. Die zweite Runde der Senatswahlen bestätigte den Trend von vor einer Woche: Die schon bisher im Senat stimmenstärksten Sozialdemokraten konnten ihre führende Position in der zweiten Kammer noch ausbauen und verfügen zusammen mit den Kommunisten und einem früheren sozialdemokratischen Senator über die Verfassungsmehrheit. Dagegen muss Premier Petr Nečas nicht zuletzt wegen der Niederlage seiner Partei um sein Amt bangen. Aber in der Politik heißt es ja bekanntlich: Nach der Wahl ist vor der Wahl. Daher steht bereits jetzt die Frage im Raum, welche Auswirkungen das Ergebnis der Senatswahlen auf die Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr haben werden?

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Die jüngsten Wahlen zum Senat und den Regionalvertretungen fielen deutlich aus: Sie brachten den linken Oppositionsparteien einen unerwartet hohen Sieg und den Regierungsparteien eine herbe Niederlage. Doch wie lassen sie sich am besten interpretieren? Bedeuten die Resultate tatsächlich, dass sich das politische Pendel in Tschechien nach links bewegt hat und in den kommenden Jahren die Sozialdemokraten und Kommunisten das Geschehen im Land bestimmen werden? Oder stand doch in erster Linie der Protest gegen die jetzige bürgerliche Regierung und ihre zahlreichen Sparprogramme dahinter?

In den nächsten Tagen und Wochen werden dazu wohl viele Analysen veröffentlicht. Einen ersten Versuch in dieser Hinsicht unternahm noch am Wahlabend der Leiter des Meinungsforschungsinstituts Factum Invenio, Jan Herzmann, für den öffentlich-rechtlichen Tschechischen Rundfunk:

Jan Herzmann
„Die Bewegung der Wählerschaft nach links ist ganz offenkundig. Am Besten sieht man das an den Ergebnissen der Kommunisten. Im Zuge des allgemeinen Erstaunens über ihr gutes Abschneiden ist ein wenig die Tatsache untergegangen, dass die kommunistischen Kandidaten in der Stichwahl der Senatswahlen in absoluten Zahlen wesentlich mehr Stimmen erhielten, als eine Woche zuvor in der ersten Runde. Geht man den Gründen nach, dann sehen wir, dass das schon sehr stark gegen die ungeliebte Regierung gerichtet war. Die Wähler haben die Gelegenheit beim Schopf gepackt und der Regierung einen Denkzettel verpasst.“

Zu den wichtigsten Ergebnissen dieser Wahlen zählt insbesondere die äußerst geringe Wahlbeteiligung in der zweiten Runde der Senatswahlen, als nicht einmal 19 Prozent der Wahlberechtigten von ihrem Stimmrecht Gebrauch machten. Laut Jan Herzmann ist das bei weitem nicht nur die Folge davon, dass die zweite tschechische Parlamentskammer in den Augen der Öffentlichkeit unbeliebt ist. Schon seit geraumer Zeit lässt sich nämlich bei den periodisch durchgeführten Umfragen unter den Wählern feststellen, so der Soziologe, dass ein großer Teil der Befragten immer größere Schwierigkeiten hat, sich für eine der Parteien zu entscheiden. Die Konsequenz daraus ist laut Herzmann, dass man dazu neigt, am ehesten das so genannte kleinste Übel zu wählen. Umso berauschender können dann die Erfolge von parteilosen Bewerbern ausfallen, wie sich nicht nur bei den Senatswahlen, sondern auch schon eine Woche zuvor bei den Wahlen zu den Regionalparlamenten gezeigt hat. Jan Herzmann:

Petr Šimůnek,  Vojtěch Filip und Jiří Dolejš  (Kommunistische Partei Böhmens und Mährens). Foto: ČTK
„Es fällt auf, dass überall dort, wo Listen von unabhängigen Kandidaten angetreten sind, diese meist ein gutes Ergebnis erzielt haben. Im Kreis Liberec hat eine solche Liste sogar die Wahlen gewonnen und die etablierten Parteien hinter sich gelassen. Ein ähnliches Signal ist auch der Erfolg von unabhängigen Bewerbern bei den Senatswahlen. Die Öffentlichkeit sucht nach Alternativen zu den etablierten Parteien. Teilweise findet sie diese bei den Kommunisten. Aber dort, wo es die Möglichkeit gibt, etwas zu unterstützen, was keinen parteipolitischen Stallgeruch hat, wird das auch genutzt.“

Die hohe Nachfrage von Seiten der Wähler nach ungebundenen Kandidaten könnte ungeahnte Folge für die gesamte politische Landschaft Tschechiens haben. Es kann nicht ganz ausgeschlossen werden, dass sich die etablierten Parteien einem Zerfallsprozess ausgesetzt sehen, der im Extremfall bis zu ihrer völligen Marginalisierung führen könnte. Davon am meisten betroffen wären vor allem jene Gruppierungen, die innerlich nicht stark genug oder von Konflikten und Spannungen belastet sind. Dies trifft in erster Linie auf die stärkste Regierungspartei, die Demokratische Bürgerpartei (ODS) von Premier Petr Nečas zu. Ihr schlechtes Abschneiden bei den Regional- und Senatswahlen könnte sogar zu einer Ablösung von Parteichef Nečas und somit indirekt auch zum Rücktritt der Regierung führen. Hören Sie dazu die Einschätzung des Publizisten Petr Holub vom tschechischen Nachrichtenserver Aktualne.cz:

„Eine massive Niederlage der größten Regierungspartei erleben wir praktisch alle vier Jahre. Diesmal ist es aber wesentlich dramatischer. Dem jetzigen ODS-Chef Nečas steht eine Gruppe von innerparteilichen Widersachern gegenüber, die ihre Vorbehalte gegen die Regierungspolitik und insbesondere die Anhebung der Mehrwertsteuer schon vor den Wahlen angekündigt hatten. Diese Gruppe kann sich also nun durch das schlechte Wahlergebnis bestätigt und auch in ihrem Streben bestärkt fühlen, Nečas von der Parteispitze abwählen zu lassen.“

Und das könnte bereits in gut zwei Wochen passieren, wenn nämlich die Demokratische Bürgerpartei turnusgemäß ihren Parteitag abhält. Diesmal soll auch der Parteivorstand samt Parteivorsitzenden neu gewählt werden. Das Bestreben einiger Delegierter, Nečas einen Denkzettel zu verpassen, könnte sich in einem schlechten Wahlergebnis für ihn äußern.

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Eine einzige Hoffnung besteht laut Petr Holub aber noch für den Regierungschef: Einige hochrangige Parteifreunde von Nečas werden sich in den kommenden Tagen wohl Gedanken darüber machen, was ein Sturz ihres Chefs, der wohl auch das Ende der Regierung bedeuten würde, für Folgen hätte.

„Diese Wahlen werden natürlich nicht dazu führen, dass sich die Lage innerhalb des Regierungsbündnisses wesentlich verbessert. Allerdings kann man nicht ausschließen, dass viele Politiker der Regierungsparteien vor Augen haben, dass bald Neuwahlen stattfinden könnten und sie ihre Mandate sowie die Posten in den Ministerien verlieren könnten.“

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Aber zurück zu den längerfristigen Folgen der Kreis- und Senatswahlen für die tschechische Innenpolitik: Hier muss erwähnt werden, dass in einigen Monaten bereits die nächsten Wahlen ins Haus stehen, nämlich die Präsidentschaftswahlen. Da es sich um die ersten direkten Wahlen des Staatsoberhaupts handelt und der Wahlmodus dem bei den Senatswahlen entspricht, dürfte es spannend werden, ob sich die Tendenz zur Abkehr von Parteikandidaten erneut bestätigt. Jan Herzmann vom Meinungsforschungsinstitut Factum Invenio geht davon aus, dass die Bewerber um das höchste Staatsamt nun ihre Strategien formulieren werden:

„Ich glaube, dass im Rahmen des Präsidentschaftswahlkampfs die Kandidaten stark auf die Ergebnisse der jüngsten Wahlen eingehen werden – es bleibt ihnen auch nichts anderes übrig. Sie müssen Fehler vermeiden, damit sie von den Wählern ganz einfach nicht in Stich gelassen werden und die Beteiligung höher liegt. Wichtig wird auch sein, die Wähler davon zu überzeugen, dass sie ganz bewusst für einen der Bewerber stimmen und nicht gegen ein Programm oder die Persönlichkeit eines konkreten Kandidaten.“