10 Jahre Lektorenprogramm der Robert Bosch Stiftung in Mittel- und Osteuropa

Reiseplan

Anlässlich des zehnjährigen Bestehens ihres Lektorenprogramms für Mittel- und Osteuropa schickte die Robert Bosch Stiftung in der vergangenen Woche einen Sonderzug fünf Tage lang auf Reisen durch Mittel- und Osteuropa. Silja Schultheis begleitete die ehemaligen Lektorinnen und Lektoren sowie die Organisatoren des Lektorenprogramms zu Beginn ihrer Reise auf der Strecke Dresden - Brünn.

Es war in mehrfacher Hinsicht ein Sonderzug, der am Mittwoch, dem 24.9., von Berlin aus gen Osten aufbrach: Einmalig war zunächst einmal die Besatzung: knapp 200 ehemalige Stipendiaten des Lektorenprogramms der Robert Bosch Stiftung, die in dieser Zusammensetzung noch nie aufeinander getroffen waren. Einmalig auch die Route - über Dresden, Brünn, Budapest, Poprad in der Hohen Tatra, Krakau, zurück nach Berlin - und in allen Städten erwartete die Reisenden ein buntes Programm aus Stadtbesichtigungen, Kulturveranstaltungen und auch Begegnungen mit Studenten und Politikern. Eine Russen-Disco in der Hohen Tatra gab es etwa und deutschsprachiges Studententheaters in Brünn, auf der Fahrt selber ein Mittel- und Osteuropa-Quiz, Sprachtests, Lesungen, Musik.

Bereits bei flüchtiger Betrachtung des Sonderzuges fällt auf, dass die Route lediglich einen Teilbereich, gewissermaßen die Keimzelle, der Region umschließt, in die die Robert Bosch Stiftung seit 1993 jährlich bis zu 100 deutsche Jungakademiker entsendet, die dann vor Ort an Hochschulen Deutsch bzw. ihr Fachgebiet unterrichten. Nicht in den Hauptmetropolen wie Prag und Warschau übrigens, sondern bewusst dezentralisiert. Im Zug sind die ehemaligen Lektoren in Abteilen untergebracht, die den Namen ihrer damaligen Zielorte tragen. Tatsächlich ist heute durch die Bosch-Stiftung quasi ganz MOE durch solche Lektorate abgedeckt - Ergebnis einer langjährigen Entwicklung. Markus Lux, Projektleiter des Programms bei der Robert Bosch Stiftung:

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"Die Stiftung fördert seit 29 Jahren Projekte mit Polen und in Polen. Das war der erste Bezugspunkt zu MOE gewesen - schon lange vor den Umbrüchen Ende der 80er Jahre. Das Programm wurde begonnen in den Staaten Mitteleuropas - kurz danach auch auf das Baltikum ausgeweitet. Später dann auf Weißrussland und die Ukraine. 1999 kam der Beschluss, nach Russland zu gehen, und im letzten Jahr auch nach Südosteuropa. So dass wir zwar nicht in allen sog. Osteuropäischen Ländern aktiv sind, aber in dem überwiegenden Teil."

Mehr als 460 Hochschulabsolventen waren seit Bestehen des Programms über ein Stipendium der Robert Bosch Stiftung an mittel- und osteuropäischen Hochschulen tätig - mit klaren Prioritäten bei der Angabe ihres Wunschlandes. Ulrike Daniel von der Universität Hohenheim, die das Programm in Kooperation mit der Bosch-Stiftung organisiert:

"Ja, es gibt natürlich Renner im Programm lacht. Im letzten Jahr war das Brünn in Tschechien, da haben sich unglaublich viele Bewerber für beworben. Von den Ländern her, würde ich sagen, Polen und Tschechien sind die Renner. Was natürlich auch daran liegt, dass das in Deutschland die Sprachen sind, die eher erworben sind. Ansonsten, Russland ist auch sehr gefragt, v.a. bei Bewerbern aus den neuen Bundesländern..."

Dass die Lektoren dann auch dauerhaft in Mittel- und Osteuropa bleiben, kommt zwar in Einzelfällen vor, ist hingegen nicht Ziel des Programms, erklärt Markus Lux:

"Ziel des Programms ist, dass sie als Botschafter in zwei Richtungen wirken. Einmal, dass sie in Botschafter Deutschlands sind - und das tun sie nolens volens, wenn sie in Mittel- und Osteuropa unterrichten. Und zum anderen erwerben sie Landeskenntnisse und bringen die dann nach Deutschland mit. Weil es ist genauso wichtig, ein Bild über die Länder MOE in Deutschland zu vermitteln, und deshalb sind wir sehr daran interessiert, wenn sie zurück nach Deutschland kommen und aktiv für 'ihr' Land, in dem sie Gast waren, Werbung machen."

Die Lektoren kommen vorwiegend aus den Sozial- und Geisteswissenschaften, eine wichtige Motivation für die Bewerbung um ein Stipendium ist häufig der Wunsch nach Auslandserfahrung - so auch bei Andreas Weibel, der die letzten zwei Jahre an der TU Liberec tätig war:

"Auch ich wollte in meiner Studienzeit noch mal ins Ausland gehen, und nicht - wie beim ersten Mal - nur mit einem Stipendium, um zu studieren, sondern auch eingebunden sein in einen Arbeitskontext und eine sinnvolle Tätigkeit haben. Und da mich Westeuropa für so etwas nie gereizt hätte und da ich das Lektorenprogramm seit ein paar Jahren über Freunde kannte, lag es für mich einfach nahe, mich da zu bewerben..."

Rückblicke aus der Lektorenzeit von zwei weiteren ehemaligen Tschechien- Lektoren: Thomas Kirschner, seit 2002 an der Uni Brno/ Brünn:

"Was mir in Tschechien aufgefallen ist und mich auch beeindruckt hat: dass es ein größeres Miteinander gibt, ein behutsameres Umgehen miteinander. Und es muss auch nicht alles immer einen großen Event-Charakter haben. Man trifft sich am Wochenende und singt am Lagerfeuer - Dinge, die es in Deutschland nicht gibt. Ich weiß nicht, ob man das nach Deutschland mitnehmen oder importieren kann - aber es hat mich sehr beeindruckt in Tschechien."

Annette Meister, 1994/95 Lektorin im mährischen Olomouc/ Olmütz:

Lektorenzug
"Das hat natürlich den Blick erweitert - und auch den Blick auf Europa. Diese ganze Europa-Diskussion verfolge ich jetzt ganz anders, weil ich eben hier war - ich war danach auch noch in Polen längere Zeit - und da bin ich total froh."

Als Plattform für den gegenseitigen Austausch haben ehemalige Bosch-Lektoren 1996 den Verein MitOst gegründet, darunter Markus Hipp:

"Am Anfang haben wir uns, 8-9 Leute, zusammengetan und diesen Verein gegründet, weil wir einfach etwas von der Erfahrung, die wir in den Jahren in Mittel- und Osteuropa gesammelt hatten, zurückgeben wollten."

Spätestens seit Gründung des stetig wachsenden Vereins hat das Lektorenprogramm quasi seinen eigenen Multiplikator, stellt Ulrike Daniel zufrieden fest:

"Was sich mittlerweile sehr deutlich auszahlt für uns, ist dass wir inzwischen 450 ehemalige Lektoren haben, die eifrig Werbung für das Programm machen und etwa 1/3 unserer Bewerber wird von ehemaligen Lektoren geworben oder auf das Programm hingewiesen"

Für die Zukunft plant die Robert Bosch Stiftung deutlich weniger Sprach- und dafür mehr Fachlektorate in den Zielländern, die weiterhin schwerpunktmäßig in der Region Mittel- und Osteuropa zu suchen sein werden - ungeachtet einer gegenläufigen Entwicklung an deutschen Hochschulen und in der Politik. Markus Lux:

"Es gab mit Sicherheit Anfang bis Mitte der 90er Jahre ein verstärktes Engagement, es gab da einen Raum zu entdecken, der lange Zeit verschlossen oder nur sehr problematisch zu kontaktieren war. Es ist meiner Meinung nach in den letzten Jahren ein Prozess eingetreten, der in zwei Richtungen geht: einmal eine Professionalisierung, die auf die Erfahrung der letzten Jahre zurückgeht. Gleichzeitig sehen wir aber auch an vielen Hochschulen, dass es einen sehr starken Rückgang gibt: es werden slawische Institute aufgelöst, es werden Fördermittel eingestellt. Es hängt natürlich, wie immer in der deutschen Hochschullandschaft, von politischen Interessen ab, und die gehen eben seit zwei Jahren deutlich mehr Richtung Asien, Islam und weg von Osteuropa."

Für die Robert Bosch Stiftung und das Osteuropazentrum der Uni Hohenheim jedoch bleibt das Lektorenprogramm für MOE aktuell, auch nach der EU-Erweiterung. Und das aus gutem Grund, findet Dr. Jochem Gieraths aus der Geschäftsführung des Osteuropa-Zentrums:

"Es ist ja nicht nur das Unterrichten, es ist auch die Projektarbeit mit den Studenten, auf ganz unterschiedlichen Ebenen - ob das jetzt der Theaterworkshop ist oder die gemeinsame Zeitung oder das Fußballspielen oder was auch immer. Dass da einfach in diesem großen Thema "Europa gemeinsam bauen" eine Generation miteinander arbeitet, lehrt, unterrichtet - das kann ich aus Hochschulperspektive sagen, das finden Sie so in Deutschland nicht, das ist einfach so."

http://www.boschlektoren.de

http://www.mitost.de/