Abschied am Bahnhof: Gerettete jüdische Kinder wollen ihre Eltern ehren

Foto: ČTK

Sie werden als „Wintons Kinder“ bezeichnet: Knapp 700 jüdische Kinder waren unmittelbar vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs vom britischen Bankangestellten Nicolas Winton aus der damaligen Tschechoslowakei gerettet worden. Heute sind sie über 80 und wollen mit einem Denkmal ihre Eltern ehren.

Hugo Marom  (Foto: Šárka Ševčíková,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Hugo Maron lebt heute in Israel. Er war eines der 669 geretteten jüdischen Kinder, die 1939 in acht Zügen von Prag nach London gebracht wurden. An den Organisator der Rettungsaktion, Sir Nicolas Winton, erinnert seit 2009 ein Denkmal auf dem ersten Bahnsteig des Prager Hauptbahnhofs. Nun soll ein weiteres Denkmal im Bahnhofgebäude errichtet werden: für die Eltern der geretteten Kinder, die selbst den Holocaust zum Großteil nicht überlebt haben. Hugo Maron hat es angeregt: Er schätzt die Tat von Sir Nicolas Winton hoch. Die Eltern, die ihre Kinder in den Zug gesetzt und in die Welt weggeschickt hatten, hält er aber für die größten Helden:

Milena Grenfell-Baines  (Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag)
„In den Gaskammern wurden sie sich dessen klar, dass sie ihre Kinder gerettet haben.“

Milena Grenfell-Baines lebt in Großbritannien. Sie organisiert die Errichtung des Denkmals.

„Das Denkmal soll ein Zugtürfenster darstellen. Auf der einen Seite des Fensters werden sich Abdrücke von Kinderhänden befinden, auf der anderen Seite die Hände der Eltern. Wir nennen es ‚Abschiedsdenkmal‘, das ‚Valediction Memorial‘.“

Die Idee, mit dem Werk den Abschied zu symbolisieren, stammt von Zuzana Marešová:

„Die Hände wurden bereits abgegossen. Es sind die Hände einer Urenkelin eines sogenannten Wintons Kindes.“

Visualisierung des Denkmals  (Foto: ČTK)
Glaser aus Großbritannien und ein Team aus der Slowakei arbeiten am Denkmal. Insgesamt soll es rund 120.000 Euro kosten. Man will es durch eine öffentliche Spendensammlung finanzieren. Milena Grenfell-Baines:

„Das Geld wird kein Problem sein. Ich hoffe es zumindest. Das Denkmal war schon lange notwendig und hätte schon längst verwirklicht werden sollen. Über die Kinder wird geschrieben und Herr Winton hat Ansehen und Ruhm gefunden. Aber wir alle haben ein bisschen vergessen, was die Eltern durchgemacht haben.“

Foto: Ggia,  CC BY-SA 4.0
Die Zeitzeugen sind sich dessen einig, dass sie mit dem Ausdruck ihrer Dankbarkeit lange gewartet haben. Nun sei aber wohl der richtige Zeitpunkt. Hugo Marom:

„Die Situation wiederholt sich immer wieder. Schließlich sind es die Eltern, die am meisten leiden – wenn ihre Kinder sterben, wenn sie die Kinder irgendwohin ins Unbekannte schicken oder wenn sie diese in Boote von Libyen nach Italien mitnehmen müssen und dabei nicht wissen, ob sie das andere Ufer erreichen.“