Anstalt für Sexualverbrecher ausdrücklich in neuem Standort erwünscht

Foto: www.vidnava.cz

Das nordmährische Vidnava / Weidenau kann auf eine Jahrhunderte alte Geschichte zurückblicken. Nichtsdestotrotz ist es eine gottvergessene Kleinstadt am Rande des Altvatergebirges unweit der polnischen Grenze. Vor kurzem hat sie aber Schlagzeilen gemacht, und zwar durch den Regierungsbeschluss, in Vidnava die erste Verwahrungsanstalt für Sexualstraftäter in Tschechien zu errichten. Wer erwartet hätte, dass die Entscheidung eine Protestwelle der Stadtbewohner auslösen würde, der hat sich getäuscht. In Vidnava wartet man schon darauf - etwa nach dem Motto: Je früher, desto besser.

Erwägungen, hierzulande eine Anstalt für die Sicherheitsverwahrung von Sexualverbrechern einzurichten, sind über 30 Jahre alt. Bis jetzt werden Sexualstraftäter, die als seelisch schwer gestört und daher auch als sehr gefährlich gelten, in separaten Abteilungen psychiatrischer Kliniken untergebracht. Diese sind aber nicht gut genug ausgestattet, um ihre Flucht verhindern und genügend Schutz für das medizinische Personal gewährleisten zu können. Das soll sich in absehbarer Zeit ändern.

Schon vor zwei Jahren hat das Justizministerium Vidnava in den Blick genommen und ist dabei auf keinen massiven Widerstand gestoßen. Warum, das weiss die sozialdemokratische Bürgermeisterin der Stadt, Eva Pavlicikova:

"Der Generaldirektor der Justizvollzugsverwaltung versicherte uns bei seinem Besuch hier, dass die Sicherheit unserer Stadtbewohner gewährleistet werden kann. Selbstverständlich fürchten sie um ihre Sicherheit, doch auf der anderen Seite sollen hier rund 250 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Da es bei uns eine 15-prozenige Arbeitslosigkeit gibt, steht die Hoffnung auf Arbeit noch über der Angst. Außerdem versprechen wir uns davon insgesamt einen positiven Effekt für die Wiederbelebung des Wirtschafslebens in der Stadt."

Man hofft auf die Entwicklung der Dienstleistungen:

Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
"Die Anstaltsinsassen werden Besuch bekommen, und das wird sich auf die Handelsentwicklung niederschlagen - Restaurants, Unterkunftseinrichtungen usw. Die Stadt kann auch Grundstücke zur Verfügung stellen und falls es möglich ist, sich an Bauarbeiten zu beteiligen, dann wollen wir es auch nutzen."

Fast alle, die in Vidnava zu Hause sind und einen Job haben, haben ihn außerhalb der Kleinstadt gefunden. Nach Informationen der Bürgermeisterin arbeiten viele Männer an Baustellen im mehrere hundert Kilometer entfernten Prag. Eva Pavlicikova ist sich dessen bewußt, dass man der künftigen Nachfrage nach Arbeitskräften in der Sicherheitsverwahrungsanstalt nicht in allen benötigten Berufen in vollem Umfang wird entsprechen können.

"Wenn aber auch nur die Hälfte der neuen Arbeitsplätze mit Bewohnern aus Vidnava und der Umgebung besetzt werden könnte, wäre es gut für uns",

sagt sie und nennt Berufe, für die ihre Stadt Personal bieten kann: Köchinnen, Putzfrauen, Gärtner, Installateure. Viele Familienväter müssten dann nicht mehr weit zur Arbeit fahren, sagt sie. Eine gewisse Zusage habe die Stadt bereits bekommen:

"Als vor zwei Jahren über das Projekt verhandelt wurde, haben wir auch vorläufig mit dem Justizministerium vereinbart, dass Einwohner aus Vidnava und Umgebung vorzugsweise eingestellt werden. Natürlich unter der Voraussetzung, dass sie die gefragte Qulifikation haben."

Etwa 90 Millionen Kronen, knapp 3,2 Millionen Euro, kommt die Errichtung der ersten Anstalt für die Sicherheitsverwahrung von Sexualverbrechern den tschechischen Staat zu stehen. Die Insassen werden etappenweise in den Gebäudekomplex einziehen, wie die Sprecherin des Justizministeriums Zuzana Kuncova bestätigt:

"In Vidnava sollen vorläufig 100 Plätze für die ersten Klienten der Anstalt errichtet werden. Im danach folgenden Jahr ist die Aufstockung auf 250 Plätze geplant. Sollte sich zeigen, dass der Bedarf aber die Kapazität des Hauses übersteigt, ist es möglich, die Anstalt für insgesamt 600 Insassen auszubauen. Wie groß der Bedarf sein wird, kann man im Voraus kaum einschätzen. Es hängt vor allen Dingen davon ab, wie die Gerichte über die Einweisung in die Sicherheitsverwahrungsanstalt entscheiden werden."

Zuzana Kuncova erwähnt dennoch einen Maßstab, an dem man sich orientiert habe:

"Wir sind von den Erfahrungen unserer Nachbarländer ausgegangen. In Bayern zum Beispiel reichen 250 Plätze aus. Bei uns könnte diese Zahl etwas höher werden, vor allem am Anfang, wenn sich unsere Gerichte an die neue Situation noch nicht angepasst haben."

Das Gebäude, in dem die für die Gesellschaft gefährlichen Personen hinter Schloß und Rigel gehalten werden sollen, kann auf eine interessante Geschichte zurückblicken. 1899 wurde es als Priesterseminar errichtet und als solches diente es auch bis 1940. In diesem Jahr wurde das Objekt von der deutschen Wehrmacht besetzt und in ein Gefangegenlager für Offiziere umgewandelt. Nach dem Krieg war es ein paar Jahre ein Getreidelager und danach wurde das Gebäude in den Besitz der tschecholowakischen Armee überführt.

1996 diente es noch als ein Kinderholungsheim, danach kurz als Flüchtlingslager für Kosovo-Albaner. Seit 1996 gehört der große Baukomplex wieder der katholischen Kirche, genauer gesagt der Diözese von Ostrava-Opava, die ihn die ganze Zeit erfolglos zu verkaufen versuchte, bis sich der Käufer fand: das Justizministerium.

Nicht alle in Vidnava sehen der neuen Einrichtung so optimistisch wie Eva Pavlicikova entgegen. Nach wie vor gebe es Zweifel, räumt sie ein. Die Bürgermeisterin kann sich aber trotzdem auf eine positive Einstellung ihrer Mitbürger stützen:

"Wir haben ein Gemeindereferendum ausgeschrieben, damit unsere Bürger

ihre Meinung sagen können. 75 Prozent von ihnen haben sich dafür ausgesprochen."

Von den 558 Abstimmenden waren es 414, dagegen waren 132 Bürger. In Vidnava leben 1450 Einwohner. In der neuen Anstalt werden aber auch Fachkräfte gebraucht. Ob man Psychologen und Psychiater und anderes Betreuungspersonal finden kann, die in dem gottvergessenen Städtchen leben wollen, weiß auch niemand: Die Bürgermeisterin sagt: An leer stehenden Häusern mangelt es in Vidnava nicht.