Anti-Temelin-Volksbegehren
Verehrte Hörerinnen und Hörer, zu einer weiteren Folge unseres Medienspiegels begrüßt Sie recht herzlich Robert Schuster.
Der einheitliche Tenor der Kommentare in den tschechischen Zeitungen war, dass diese Initiative abzulehnen sei. Gleichzeitig warnten aber auch die Kommentatoren die tschechischen Politiker davor die österreichischen Sorgen auf die leichte Schulter zu nehmen oder sie einfach zu ignorieren.
In diesem Sinne äusserte sich etwa Martin Komárek in der auflagenstärksten tschechischen Tageszeitung, der Mladá fronta Dnes in seinem Leitartikel "Nach Österreich", aus dem wir Ihnen einige Passagen zitieren möchten:
"Uns gab es vor Österreich, uns wird es auch nach Österreich geben. Das sagten schon unsere Vorfahren im 19. Jahrhundert, in der Zeit der nationalen Wiedererweckung. Aber werden wir auch nach den unendlichen österreichischen Protesten gegen Temelín Mitglieder in der Europäischen Union werden? Wahrscheinlich schon, aber wir werden schon etwas dafür tun müssen. Die Österreicher, die nun das Volksbegehren gegen Temelín unterschreiben, sind keine kleinen Kinder, ebensowenig aber auch keine fanatisierte Masse."Im weiteren verweis Martin Komárek darauf, dass vor allem Österreichs Kanzler Schüssel durch das Begehren in Bedrängnis kommen könnte und zwar dann, wenn nämlich eine allzu grosse Zahl von Österreichern unterschreiben sollte. Deswegen gibt der Leitartikler der Mladá fronta Dnes der Prager Regierung folgenden Rat mit auf den Weg:
"Unsere Regierung muss den österreichischen Kanzler Schüssel hundertprozentig unterstützen. Sie muss sachlich sein, entgegenkommend wirken, vor allem aber zu erkennen geben, dass ihr die Ängste der künftigen österreichischen Mitbürger im Rahmen einer erweiterten EU nicht egal sind."
Aber nicht nur das erwähnte Volksbegehren alleine, sondern vor allem die gereizten Stellungnahmen von einigen tschechischen Spitzenpolitikern lieferten genügend Stoff für Glossen und Kommentare im heimischen Blätterwald. Vor allem die scharfen Attacken von Premierminister Milos Zeman, der den früheren Chef der österreichsichen Freiheitlichen Jörg Haider einen "Postfaschisten" nannte und somit fast eine neue diplomatische Eiszeit zwischen Wien und Prag ausgelöst hatte, war fast so etwas wie ein Steilpass für die Journalisten. So schrieb etwa Petr Fischer in der Tageszeitung Lidove noviny einen Kommentar unter dem Titel "Zemans Stimme für Haider":
"Premier Milos Zeman hat die geniale Fähigkeit, die unpassendsten Dinge zur unpassendsten Zeit zu tun. Seine Bemerkung über den Postfaschisten Haider und die FPÖ, von der sich die Österreicher befreien sollten, bestätigen dies auf Neue. Natürlich hat der Premier mit seinem Urteil genau den Kern der Sache getroffen. Aber man konnte vorausahnen, dass dies während der Petitionsaktion gegen Temelin Wasser auf die antitschechischen Mühlen bedeutet, die zwischen Wien und Salzburg klappern. Zeman hat sich für den Begriff des Postfaschisten die Gegenbezeichnung Postkommunist und einen ordentlichen diplomatischen Skandal verdient. Wenn er in ähnlichem Ton fort fährt, erhält er mit der Zeit vielleicht zusätzlich den Titel Werbetexter Jörg Haiders'. Zemans Worte sind nämlich genau das, was die FPÖ braucht: ordentlich die nationalen Leidenschaften wecken und dann die Wahlen gewinnen."
Die ungewollte Pro-Haider-Kampagne von Premier Zeman gebe laut Fischer zwar heute Anlass zum Schmunzeln, in einem Jahr aber könnte sie uns teuer zu stehen kommen: Ein tatsächliches Referendum gegen den EU-Beitritt Tschechiens wäre nicht gerade ein Spaß zum Totlachen, meint Petr Fischer in der Zeitung Lidove noviny.
In der linksorientierten Zeitung Pravo widmete sich vor allem Jan Kovaøík ausführlich der Berichterstattung über das FPÖ-Volksbegehren in Österreich. Wir fragten ihn deshalb, wie er unter dem Aspekt der jetzigen Auseinandersetzung zwischen Prag und Wien den Stand der Beziehungen sieht. Könnte es erneut zu so einer Zuspitzung kommen, wie es vor zwei Jahren der Fall war, als sich Prag den Sanktionen der EU 14 gegen die neugebildete Wiener Koalitionsregierung anschloss?
Trotz dieser relativ optimistischen Sicht der Dinge, sieht jedoch Kovarík auch gewisse Risiken, dass es zwischen Wien und Prag wieder zu ähnlichen Spannungen kommen könnte und zwar auch ohne den Dauerbrenner Temelín. Das liegt nämlich seiner Meinung nach an der Grundhaltung einiger österreichischer Politiker gegenüber den mittel- und osteuropäischen Nachbarländern, speziell gegenüber den Tschechen, wie er im folgenden erläutert:
Ein weiteres Thema, über das in den tschechischen Zeitungen ausführlich berichtet wurde, war die Entscheidung der deutschen Oppositionsparteien CDU/CSU den bayrischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber zum Herausforderer von Bundeskanzler Gerhard Schröder zu küren. Erstaunlicherweise wurde jedoch diese Angelegenheit in den Zeitungen fast gar nicht kommentiert. Warum eigentlich, fragten wir Jan Kovarík von der Tageszeitung Právo: