Architektur der Deutschböhmen: Ausstellung im Museum in Ústí nad Labem
Gibt es Unterschiede zwischen den Bauten von tschechischen und deutschböhmischen Architekten? Die Antwort auf diese Frage will eine Ausstellung finden, die vor kurzem im Stadtmuseum im nordböhmischen Ústí nad Labem / Aussig eröffnet wurde. Sie präsentiert Architektur aus der Zeitepoche, in der die in Böhmen lebenden Tschechen und Deutsche nach ihrer gemeinsamen Identität zu suchen begannen. Die Schau trägt den Titel „Ein fremdes Haus? Architektur der Deutschböhmen 1848-1891“.
„Als wir die Ausstellung zusammenstellten, haben wir entdeckt, dass das Gebäude nach dem Entwurf des Wiener Architekten August Krumholz erbaut wurde. Damals war es jedoch ein Schulgebäude. Den herrlichen Saal ließen die Stadtherren als einen Raum einrichten, der für festliche Veranstaltungen genutzt werden sollte. Für uns war die Entdeckung sehr bedeutend. Die Ausstellung hat den Titel ,Ein fremdes Haus?‘ bekommen. Sie spricht das Thema an, ob die Architektur der Deutschböhmen etwas Fremdes war, oder aber ob sie aus den Traditionen des Landes hervorging. Außerdem wollen wir die Frage stellen, ob es dabei keine Rolle spielte, dass ein Gebäude von einem deutsch oder tschechisch sprechenden Architekten entworfen wurde. Wir konnten dabei mit Freude feststellen, dass unser Gebäude kein fremdes Haus ist, da wir den Namen des Architekten kennen.“
Ein Spion als Architekt des Museums
Es habe sich gezeigt, wie wichtig die Geschichte der Häuser und deren Schöpfer seien, sagte Martin Krsek. Bei der Suche nach mehr Informationen über den Architekten Krumholz habe er überraschende Tatsachen erfahren, sagt Krsek:„Wir wollten wissen, wo Krumholz studierte und was alles er gebaut hat. Nach all den Forschungen stellte sich heraus, dass der Architekt nur durch eine Spionageaffäre berühmt geworden ist. 1908 wurde Krumholz von der französischen Polizei verhaftet. Er soll versucht haben, die Entwürfe für ein französisches Luftschiff zu stehlen und zu verkaufen. Dieses Luftschiff war eine Neuheit, und hat das Interesse anderer Großmächte wecken können. Das Fazit: Unser Gebäude wurde von einem Spion entworfen.“
Aus dem Kaiserlichen Saal des Museums geht es in die Ausstellungssäle, wo die eigentliche Schau gezeigt wird. Inmitten des Raums steht eine Ritterstatue. Die Rolandstatue stammt vom Rathaus in Liberec / Reichenberg. Rundherum sind zahlreiche Zeichnungen, Entwürfe, Fotos und andere Dokumente. Věra Vostřelová ist Kunsthistorikerin, sie hat die Ausstellung zusammengestellt.
„Zwischen Tschechen und Deutschen bildete sich seit dem Zweiten Weltkrieg eine Kluft. Wir haben uns daran gewöhnt, alles, was deutsch war, für etwas Fremdes zu halten. Wir wollten damit nichts zu tun haben. Auch in der tschechisch geschriebenen Kunstgeschichte und unter den tschechischen Kunsthistorikern gab es keinerlei Interesse für die deutsche Kunst auf dem Gebiet Tschechiens. Die Namen von renommierten Professoren der Prager Akademie der Künste oder des Polytechnikums wie Bernhard Grueber oder Zdenko Schubert von Soldern findet man in Büchern, die sich mit der Kunstentwicklung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Böhmen befassen, praktisch gar nicht. Oder es gibt bei den Namen nur eine Bemerkung, aus der hervorgeht, dass es sich eigentlich um keine wirklichen Künstler handelte.“
Österreichische Architekten und das Nationaltheater
Aus dem Grund hat sich Věra Vostřelová auf die Architektur der Deutschböhmen konzentriert. Die Bauten, um die es in der Ausstellung geht, wurden in der Regel von Bewohnern der Städte bestellt, in der überwiegend deutschsprachige Bevölkerung lebte. In der Ausstellung gibt es Beispiele von Architektur aus den Grenzregionen sowie aus Prag.„Einige der Grenzregionen erlebten einen großen Aufschwung, es gab dort viele Bodenschätze. Das Kurwesen blühte dort auf. Den Charakter der Städte prägt die dortige Architektur bis heute. Man weiß bisher nur wenig über die Architekten, die einen deutschen Namen hatten. Das Ziel der Ausstellung ist es, die Öffentlichkeit mit den Architekten und deren Werken bekannt zu machen.“
Zu Beginn werden architektonische Entwürfe aus den 1850er- und 1860-er Jahren vorgestellt. Es ist notwendig, daran zu erinnern, dass beispielsweise Architekten Josef Zítek und Josef Schulz, nach deren Entwurf das Prager Nationaltheater erbaut wurde, im Alltag deutsch gesprochen haben. Auf Deutsch führten sie auch die Korrespondenz mit ihren Verwandten, sagt die Kunsthistorikerin.
„In der Ausstellung sind Entwürfe von den österreichischen Architekten aus dem Wettbewerb für den Bau des Nationaltheaters zu sehen. Die Entwürfe werden im Prager Nationalmuseum für Technik aufbewahrt. An der Ausschreibung nahmen 1854 sieben Architekten teil, ein einziger von ihnen war ein Prager und es war ein deutscher Architekt. Die tschechischen Entwürfe wiederum stammten von Wiener Tschechen.“Von der Hypothekenbank zum Hotel
Ein weiteres Exponat ist der Entwurf für den Bau der Hypotheken-Bank in Prag. Das Gebäude steht auf dem Platz Senovážné náměstí nahe dem Hauptbahnhof. Heute ist es ein Hotel. Die Geschichte des Baus ist beachtenswert.
Die Führung durch die Ausstellung werden wir in einer der nächsten Ausgaben von Reiseland Tschechien fortsetzen.
Die Schau ist im Stadtmuseum in Aussig bis 16. April zu sehen. Das Museum ist täglich außer dienstags von 9 bis 17 Uhr geöffnet.
„Seit 1862 war die Mehrheit im Prager Stadtrat mit Tschechen besetzt. Deutsche Architekten hatten darum Probleme, Aufträge zu bekommen und sich mit ihren Entwürfen durchzusetzen. Dieses Problem betraf auch das Projekt der Hypothekenbank, die der Architekt Achille Wolf entworfen hatte. Er gewann damals den Wettbewerb, sein Entwurf wurde vom Landtag gebilligt. Als er ihn aber dem Stadtrat vorlegte, erhielt er keine Baugenehmigung. Prag lehnte das Projekt mit dem Hinweis ab, dass es zu sehr an die österreichische Kasernenarchitektur erinnern würde. Der Entwurf konnte sich aber schließlich doch durchsetzen. Es handelte sich zu der Zeit um den vermutlich monumentalsten Bau in Prag.“
In der Ausstellung sind zudem Entwürfe von den bedeutendsten architektonischen Wettbewerben der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu sehen, darunter auch für den Bau des Prager Nationalmuseums.