Auf dem Schimmel zu den Tempelherren: St.-Martins-Wein in Čejkovice

Heiliger Martin

Am 11.11. ist es so weit: an verschiedenen Orten Tschechiens werden jedes Jahr die so genannten St.-Martins-Weine feierlich vorgestellt und verkostet. Am St.-Martins-Tag wurden die Jungweine in den letzten Jahren manchmal auch auf Marktplätzen in Städten präsentiert, die mit Weinbau und Winzertradition wenig gemeinsam haben. Um die Atmosphäre eines herkömmlichen Winzerfestes zu erleben, lohnt es sich, eine der bekannten südmährischen Weinregionen zu besuchen. Im folgenden Reiseland Tschechien lädt Sie Martina Schneibergová nach Čejkovice ein.

Die Gemeinde Čejkovice liegt etwa 40 Kilometer südöstlich von Brünn entfernt. Die erste Erwähnung von Čejkovice – zu Deutsch hieß es Czeikowitz – stammt aus dem Jahr 1248. Die etwa 2.500 Einwohner zählende Gemeinde hat heutzutage zwei Dominanten: die von den Tempelherren errichtete Festung, die später in ein Schloss umgebaut wurde und die St. Kunigunde-Kirche. Wenn man über den Schlosshof weiter geht, das Festungsgelände verlässt kommt man in eine schmale Straße Namens Příhon, in der es eine Reihe von ähnlich aussehenden kleinen Häusern mit Weinkellern gibt. Überall um die Gemeinde herum erstrecken sich Weinberge.

Das Schloss in Čejkovice
Čejkovice gehört nach der neuesten Teilung mit ihrem Weinbau zur Weinregion Velké Pavlovice. Der 11. November, der St. Martinstag, fiel dieses Jahr auf einen Dienstag, trotzdem wimmelte es schon am Vormittag auf dem Schlosshof von Menschen. Sie haben alle auf die Ankunft des heiligen Martin gewartet. Aus dem Männerchor Namens „Révokaz“ - zu Deutsch etwa Weinlaus - trat nach dem Lied ein Mann ans Mikrofon:

Heiliger Martin
“Ich bin sozusagen ein singender Bürgermeister, und ich bin froh, dass Sie in das historische Čejkovice gekommen sind, um die hiesigen Jungweine zu verkosten. Den Tempelherren, die hier einst ihren Sitz hatten, ist es zu verdanken, dass Čejkovice eine bekannte Winzergemeinde ist, dass es hier 200 Weinkeller gibt und dass die hiesigen Weine nicht nur in Tschechien, sondern auch im Ausland bekannt geworden sind.“

Die Tradition die Jungweine am St. Martinstag zum ersten Mal zu kosten wurde in Tschechien erst in den letzten Jahren wieder belebt. Sie hat jedoch historische Wurzeln schon im Mittelalter. Im November waren die Arbeiten im Weinberg beendet. Die Besitzer der Weinberge haben mit den Winzern, die sich um den Weinbau gekümmert haben, mit Jungwein auf eine eventuelle neue Zusammenarbeit angestoßen. Der Brauch war in verschieden Weinregionen Europas verbreitet, sagt René Bárta, der die feierliche Vorstellung der Jungweine in Čejkovice veranstaltete:

Das Schloss in Čejkovice
“Bei uns war dieser festliche Brauch mit dem St. Martinstag verbunden. Der 11. November beendete das Bauernjahr und kündigte den Beginn des Winters an. Aus dem Grund wurde dieser Wein St.-Martins-Wein genannt. Martinus – der spätere heilige Martin - war ein römischer Soldat. Als er vor den Stadttoren einmal einen Bettler gesehen hat, hat er ihm die Hälfte seines Mantels geschenkt. In die Geschichte ist er mit seiner Gütigkeit, Demut und Bescheidenheit eingegangen. Wegen seiner Freigiebigkeit und Großherzigkeit wurde er vom Volk auch als derjenige ausgesucht, der den guten Jungwein bringt. Vor dem St. Martinstag durfte man nie mit Jungweinen anstoßen. Hinter dieser Regel ist die Bemühung der Winzer zu spüren, einen unlauteren Wettbewerb zu verhindern, damit sich niemand mit dem ersten Wein aus unreifen Trauben rühmen konnte.“

St.-Martins-Wein
Die so genannten St.-Martins-Weine werden aus Rebsorten produziert, die früher als andere reif werden. Um die offizielle Schutzmarke St. Martins-Wein zu bekommen, müssen die Jungweine bestimmte Eigenschaften haben, die jedes Jahr im Oktober von einer Fachkommission des Tschechischen Winzerfonds überprüft werden. Die St.-Martins-Weine können nur aus den folgenden Rebsorten produziert werden: Müller Thurgau, Frühroter Veltliner und von den Rotweinen St. Laurent und der Blaue Portugiese. Auch in Čejkovice haben die Winzer an 22 Jungweine für die feierliche Präsentation vorbereitet, sagt Winzer Petr Bíza:

St.Martins Wein
“Der spezifische Sandboden und Lössboden mit Kalksteingehalt haben den Weinen in Čejkovice eine breites Spektrum von Mineralen verliehen. Dank den klimatischen Bedingungen haben die hiesigen Weißweine einen außerordentlichen Geschmack und sind von einer sehr guten Qualität. Wegen seinen Rotweinen wird Čejkovice für das Zentrum des Rotweinanbaus gehalten. Die Jungweinherstellung ist nicht einfach, sie hängt vom Können des Winzers ab. Die St. Martins-Weine sind leicht, man kann in ihnen den Duft und den Geschmack verschiedener Früchte entdecken. Das fruchtige Aroma wird durch eine saftige Säure ergänzt, die dem Jungwein die Frische verleiht.“

Bürgermeister Pavel Novotný
Die Fanfaren kündigten an, dass der heilige Martin auf einem Schimmel schon bald im Schloss antrifft. Er wurde mit einer speziell für diesen Zweck geschriebenen St. Martins-Ballade begrüßt:

“Heiliger Martin, schenke uns den Wein aus dem Krug, ich habe Kameraden eingeladen. Ich habe gepflogen, mich um die Weinrebe gekümmert, bin früh mit Pferden aufgestanden, mit meiner Frau habe ich gestritten – die ganze Mühe soll jetzt belohnt werden…“, heißt es in der Ballade.

Der römische Soldat, der auf einem Schimmel im Schlosshof auftauchte, brachte wirklich ein kleines Fass mit Wein, dieses reichte er dem Pfarrer. Nach einer Segnung wurde das Fass den Winzern überreicht:

Männerchor 'Révokaz'
„Der St.-Martins-Wein ist da, stechen wir das Fass an, alle sind dazu eingeladen. Trinken wir den Jungwein!“

Den singenden Bürgermeister von Čejkovice Pavel Novotný fragte ich nach der Entstehung der St.-Martins-Ballade:

“Uns hat eine Art Hymne gefehlt, die sich auf den Martinstag beziehen würde. Das Lied hat unser Chorleiter mit dem Initiator des heutigen Festes, René Bárta, geschrieben. Es ist nicht die erste Fassung, aber ich hoffe dass die Ballade zum Schlager bei jeder Vorstellung der St. Martinsweine wird.“

Weinberge in Čejkovice
Die feierliche Verkostung der Jungweine mit der Ankunft des heiligen Martin hat in dieser Form in Čejkovice zum ersten Mal stattgefunden, sagt Bürgermeister Novotný:

“Heute ist Dienstag, es ist 12 Uhr, es immerhin ein Arbeitstag. Es ist die Frage, ob wir künftig das Datum des 11.11. einhalten sollen oder ob wir das St.-Martins-Fest eventuell am Wochenende feiern wollen. Dies werden wir zusammen mit den Winzern auswerten und besprechen. Die Tradition wurde hier in dieser Form gerade erst begründet. Ich sehe, dass hier viele zufriedene Besucher sind. Nächstes Jahr werden wir die St.-Martins-Ankunft bestimmt wiederholen.“

Fotos: Autorin

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