Auf ins All: Tschechien steigert seine Ambitionen bei Weltraumprogrammen
Die Anfänge waren vergleichsweise bescheiden. 2008 trat Tschechien der Europäischen Weltraumorganisation ESA bei. Und zunächst brachte man sich nur in geringem Umfang in die gemeinsamen Projekte ein, indem man zum Beispiel kleinere Teile für Raumfahrtmissionen lieferte. Mittlerweile will Tschechien auch einmal die Verantwortung für ein gesamtes Satellitenprogramm übernehmen.
Es sind immer mehr Erfolge, die Tschechien beim Bau von Weltraumtechnik vorweisen kann. So zum Beispiel im September vergangenen Jahres. Da wurde die europäische Rakete vom Typ Vega in Kourou in Französisch Guayana gestartet. Mit an Bord das bis dahin teuerste Gerät für eine Satellitenmission aus tschechischer Herstellung: ein sogenannter Dispenser. Ondřej Šváb leitet beim Verkehrsministerium in Prag die Abteilung für Weltraumtechnologie. In den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks erläuterte er:
„Der Dispenser ist eine Vorrichtung, die beim Start zunächst die Satelliten schützen soll und diese später im Weltraum auf ihre Umlaufbahn schickt. Es ist eines der größten Geräte für den Weltraum, das hierzulande bisher hergestellt wurde.“
Der Dispenser selbst wiegt eine Vierteltonne. Beim Flug im September 2020 schickte er 53 Satelliten ins All. Das Gerät wurde von der Firma SAB Aerospace hergestellt, weitere ähnliche Dispenser für andere Missionen sollen folgen.
Dispenser für die europäische Rakete
SAB Aerospace mit Sitz in Brno / Brünn gehört zu den zahlreichen Unternehmen hierzulande, die mittlerweile beim Geschäft mit Weltraumtechnik mitwirken.
„Mit jedem Jahr wächst die Zahl. Je mehr wir in die Weltraumprogramme eingebunden sind, desto größer wird das Interesse tschechischer Firmen und Forschungsinstitutionen, daran mitzuwirken. Jedes Jahr kommen etwa fünf neue Einrichtungen hinzu. Derzeit nehmen 60 Unternehmen und 24 Institutionen an den Programmen der ESA teil. Die Comunity ist in diesem Bereich stark miteinander vernetzt“, so Ondřej Šváb.
Dabei reicht die Beteiligung von der Erstellung wissenschaftlicher Studien über die Fertigung von Raketenteilen bis zur Verarbeitung von Daten aus dem All. Die Anfänge waren allerdings auch hierzulande bescheiden. 2008 konnte sich Tschechien nach jahrelangen Verhandlungen der Europäischen Weltraumorganisation ESA anschließen. Seitdem hätten sich hiesige Firmen eine beachtliche Stellung erarbeitet, betont der Ministerialbeamte:
„Die ESA testet immer erst einmal, was real möglich ist – also was die Firmen ganz am Anfang in der Lage sind zu liefern. Wenn sich ein Unternehmen bewährt hat, bekommt es auch selbst Lust auf immer größere Projekte. Unser Ziel ist, dass am Ende in Tschechien die Kapazitäten dafür bestehen, komplette Satelliten zu fertigen oder sogar ganze Satellitensysteme.“
Im Übrigen ist die Teilhabe für keine der Firmen eine Selbstverständlichkeit, denn die ESA schreibt ihre Projekte immer aus – und die Unternehmen müssen sich jedes Mal neu bewerben.
Dabei spielt eine Rolle, welchen Beitrag ein Land jedes Jahr an die Weltraumorganisation überweist. Im Falle Tschechiens liegt er in diesem Jahr bei 57,5 Millionen Euro. Begonnen hatte man mit sieben Millionen Euro für den ESA-Haushalt 2009. Und weiter Ondřej Šváb:
„Die Zahlungen müssen Hand in Hand gehen mit den Kapazitäten im jeweiligen Mitgliedsland. Das heißt mit den Fähigkeiten der Industrie, der wissenschaftlichen Institutionen und der Forschungseinrichtungen, sich an den Programmen zu beteiligen. Denn beim Haushalt gilt das Prinzip des geographischen Rücklaufs. Die Zahlungen sollten als Fördermittel hierher zurückkommen, und das muss gut berechnet sein. So sollte die Höhe der Beiträge an die ESA zwar zu noch mehr Engagement motivieren, zugleich muss sie aber realistisch kalkuliert sein.“
Erforschung von Asteroiden
Zu diesem Zweck erstellt Tschechien jeweils einen sogenannten „kosmischen Plan“, wie die wörtliche Übersetzung lautet. Darin sind die Ziele für die Beteiligung an der Weltraumforschung für einen bestimmten Zeitraum beschrieben. Derzeit läuft der Plan für 2020 bis 2025, es ist insgesamt bereits der dritte seiner Art hierzulande. Man sei mittlerweile in den eigenen Ambitionen immer mutiger geworden, streicht Šváb heraus. Denn Tschechien befinde sich auf dem Weg, erstmals eine eigene Mission innerhalb der Europäischen Weltraumorganisation zu leiten. Das Projekt nennt sich Slavia, und das steht für Space Laboratory for Advanced Variable Instruments and Applications – also „Weltraumlabor für fortgeschrittene variable Instrumente und Anwendungen“.
„Bei diesem Projekt geht es um zwei Satelliten. Mit diesen lässt sich beobachten, wie Meteore in die Erdatmosphäre eindringen und zu brennen beginnen. Danach sind sie entweder komplett verschwunden oder sie schlagen als Meteoriten auf der Erde auf. Das Projekt ist ziemlich einzigartig. Denn bisher wurden zwar die Einschläge von Meteoriten von der Erde aus beobachtet, aber nie vom Weltraum aus“, sagt Šváb.
Dabei geht es aber um viel mehr als um die reine Beobachtung. Beide Satelliten werden mit Hyperspektralkameras und Radio-Antennen ausgestattet sein, um die Zusammensetzung von Meteoren und auch des interstellaren Staubes zu erkunden. Vertreter der Firma SAB Aerospace in Brünn erläuterten vor kurzem, wozu das dienen soll. Demnach geht es darum herauszufinden, „welche Mineralien und weitere Rohstoffe sich in den vielen Hunderttausend Asteroiden in der Nähe der Erde verbergen“. Denn gerne würde man in Zukunft diese wertvollen Stoffe abbauen.
Das Projekt steht jedoch erst am Anfang. Zunächst müsse eine Studie über diese geplante ESA-Mission ausgearbeitet werden, sagt Ondřej Šváb. Erst danach könne mit den Arbeiten begonnen werden. Sollte die Weltraumorganisation dann grünes Licht geben, erhalte Tschechien eine einmalige Möglichkeit, seine Fähigkeiten zu demonstrieren, so der Ministerialbeamte:
„Eine komplette Mission vorzubereiten, bei der zwei Satelliten interagieren, schafft nicht jeder Staat auf der Welt. Das würde uns wieder ein Stückchen voranbringen innerhalb der erlesenen Gesellschaft jener Länder, die ihre eigenen Satelliten herstellen können. Natürlich geht es auch darum, wie gut Industrie und Wissenschaft zusammenarbeiten. Obwohl das Projekt unter der Leitung von SAB Aerospace steht, spielt ebenso das Institut für physikalische Chemie an der Akademie der Wissenschaften eine große Rolle dabei.“
Laut Šváb könnte das Jahr 2030 ein realistischer Termin sein, um die Satelliten ins All zu schießen.
Im Übrigen verweist er darauf, dass seit Mai dieses Jahres die neue Agentur der Europäischen Union für das Weltraumprogramm in Prag angesiedelt ist. Die Agentur entstand dadurch, dass die in der Stadt ansässige Leitungsorganisation für das Satellitensystem Galileo mehr Kompetenzen erhielt. Das stärke noch einmal das Umfeld für die tschechischen Firmen in diesem Bereich, meint der Beamte. Ihre Vertreter könnten nun Arbeitstreffen auch in Prag organisieren und hier an Fach-Konferenzen teilnehmen, sie müssten also nicht mehr unbedingt nach Brüssel fahren.