Aufruhr um Corona-Fälle im tschechischen Olympia-Team
Noch vor der offiziellen Eröffnung der Olympischen Sommerspiele in Tokio ertönte am Donnerstag im Zusammenhang mit der tschechischen Delegation das Wort „Skandal“. Im Team mehren sich die positiven Corona-Fälle, und Schuld daran trägt womöglich ein nicht geimpfter Arzt.
Sechs Mitglieder des tschechischen Olympia-Teams sind seit ihrer Ankunft in Tokio positiv auf das Coronavirus getestet worden – so der Stand vom Donnerstagabend. Alle Betroffenen sind am Freitag vergangener Woche im gleichen Charterflugzeug angereist. Kurz darauf gab es auch schon die Meldung über einen ersten Corona-Infizierten, damals noch ohne genauere Angaben zu dessen Identität.
Diese ist nun seit Donnerstag bekannt. Das Nachrichtenportal Seznam Zprávy enthüllte, dass es sich um den Mannschaftsarzt Vladimír Voráček handle. Das Skandalöse daran: Er ist nicht gegen Corona geimpft. Premier Andrej Babiš (Partei Ano) konnte nur mit dem Kopf schütteln, als er gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehen (ČT) kommentierte:
„Wir versuchen die ganze Zeit, die Menschen vom Impfen zu überzeugen, und hier ist ein Arzt unserer Delegation nicht geimpft. Das ist unglaublich. Ich verstehe überhaupt nicht, wie das passieren konnte.“
Voráček streitet ab, der Auslöser für die zunehmenden Corona-Fälle in der Abordnung zu sein. Nach eigenen Angaben hat er sich vor Abflug mehreren PCR-Tests unterzogen, die negativ ausfielen. Seine Infektion wurde aber gleich bei der Ankunft auf dem Tokioer Flughafen festgestellt, und alle weiteren nun Infizierten saßen mit ihm im selben Flugzeug. Zuletzt bekam am Donnerstag die Beachvolleyballerin Markéta Nausch Sluková den Positivbescheid. Ebenso wie ihre Mitspielerin Barbora Hermannová ist sie damit vom Wettkampf ausgeschlossen und Olympia für sie vorbei, wie sie dem Tschechischen Rundfunk mitteilte:
„Im Moment überwiegt die riesige Enttäuschung. Ich weiß, dass in der Welt wesentlich schlimmere Dinge passieren. Aber in dem sportlichen Mikrokosmos, in dem wir leben, ist es für mich sehr traurig, dass Barbora und ich unsere Reise auf diese Art beenden mussten, die doch ein Höhepunkt sein sollte.“
Entsprechend scharfe Kritik äußerte dann auch die Agentur Sport Invest Marketing, die beide Sportlerinnen vertritt. Der Vorsitzende des Verwaltungsrates, David Trávníček, fand im Tschechischen Fernsehen ČT deutliche Worte für das Vorgehen des nationalen Olympiakomitees:
„Es zeugt von Inkompetenz und Amateurhaftigkeit, dass die Umstände der Reise nach Tokio derart unterschätzt wurden.“
Das Tschechische Olympische Komitee (ČOV) hat am Donnerstag sofort reagiert und angekündigt, die Umstände des betreffenden Fluges nach Tokio zu untersuchen. Dieser Aufgabe nehmen sich der Vorsitzende Jiří Kejval und sein Stellvertreter Filip Šuman persönlich an, Ergebnisse wollen sie in zwei Wochen vorlegen.
Dies reicht allerdings dem Chef der Nationalen Sportagentur, Filip Neusser, nicht aus. Er will bei der Aufarbeitung Neutralität gewahrt sehen und hat deswegen mit Gesundheitsminister Adam Vojtěch (parteilos) eigene Ermittlungen verabredet. Vojtěch wird dafür nun eine spezielle Kommission zusammenstellen, wie er den Inlandssendern des Tschechischen Rundfunks mitteilte:
„Ich habe Herrn Neusser darüber informiert, dass die Untersuchung von Mitarbeitern der Gesundheitsämter durchgeführt wird. Wir werden dies streng beaufsichtigen. Ich habe die Leiterin des zentralen Gesundheitsamtes gebeten, sich dieser Sache persönlich anzunehmen. Dabei geht es um die Organisation des Fluges, die Teilnahme der Sportler und natürlich auch um die ganze Finanzierung. Denn die Reise wurde aus dem Staatshaushalt bezahlt.“
Für einen der vier infizierten Sportler müssen die Spiele allerdings noch nicht zwingend zu Ende sein. Beachvolleyballer Ondřej Perušič hält schon seit der Ankunft eine zehntägige Quarantäne ein. Diese gilt auch für seinen Teampartner David Schweiner. Beide könnten nach der Isolierung noch zum Wettkampf antreten.