3) Begräbnisfeiern mit Bier: Forschungen tschechischer Archäologen zur Bronzezeit
Die Bronzezeit bildet mit etwa anderthalb Jahrtausenden eine wichtige Phase der Urgeschichte auf tschechischem Gebiet. Sie beginnt mit der Únětická kultura, zu Deutsch Aunjetitzer Kultur – benannt nach dem Ort Únětice am Nordrand von Prag, in dem vier bedeutende Körpergräber gefunden wurden. Heute ist das Dorf ein beliebtes Ausflugsziel vor allem wegen der dortigen Brauerei. Bier haben nachweislich aber auch schon die Vorfahren der Bronzezeit getrunken. Darüber gibt einer der wichtigsten archäologischen Funde dieser Epoche in Tschechien Auskunft.
Auch wenn die Aunjetitzer Kultur nach einem Ort im heutigen Tschechien benannt ist, besiedelte diese Zivilisation ein wesentlich größeres Gebiet. Die wichtigsten archäologischen Funde dazu – allen voran die Himmelsscheibe von Nebra – stammen aus Sachsen-Anhalt, Thüringen und Niederösterreich. All diesen Orten ist gemein, dass die Bewohner vor etwa 4200 Jahren wichtige Alltagsgegenstände wie Werkzeug, Geschirr und Waffen aus Bronze herzustellen begannen. Luboš Jiráň ist Archäologe mit dem Schwerpunkt Urgeschichte an der tschechischen Akademie der Wissenschaften:
„Zuvor hatte man diese Dinge nur aus Kupfer, aus Gold oder aus Silber hergestellt. Dann erkannten die Menschen, dass Kupfer durch Zugabe von Zinn eine andere Qualität bekommt und sich so besser für die Herstellung von Werkzeugen und Waffen verwenden lässt. Diese technologische Neuheit gab der Bronzezeit ihren Namen. Für das Gebiet des heutigen Tschechiens ist der Beginn dieses Zeitalters auf die Jahre zwischen 2200 und 2100 vor unserer Zeitrechnung datiert. Es dauerte etwa anderthalb Jahrtausende und endete um 800 vor unserer Zeitrechnung.“
Auf dem Gebiet Palästinas arbeitete man mit dem neuen Material schon etwa 1000 Jahre früher. Über Handelswege kam es später unter anderem aus Kleinasien nach Mitteleuropa. Charakteristisch für diese Zeit sind zudem neue Siedlungen, die teilweise schon städtischen Charakter hatten. Die Siedlungsdichte auf tschechischem Gebiet habe über die Jahrhunderte stark geschwankt, sagt Jiráň. Die Menschen hätten sich in größerer Zahl vor allem dort niedergelassen, wo sie durch den Ackerbau ihre Ernährung sichern konnten:
„Sowohl für die frühe, als auch für die mittlere und späte Bronzezeit gilt, dass die meisten Siedlungen dort zu finden waren, wo es fruchtbaren Boden gab. Im heutigen Zentralmähren ist dies etwas das Gebiet Hané, in Böhmen vor allem das Einzugsgebiet der Elbe und die Südabhänge des Erzgebirges. Außerdem ist Ostböhmen ein interessanter Fall, denn dort gab es in der Mitte der Bronzezeit nur wenige Siedlungen, dafür aber sehr viele zu Beginn und am Ende dieser Epoche.“
Erddepots mit Goldschmuck und Wertgegenständen
Im Umfeld dieser Niederlassungen stoßen Archäologen oft auf zweierlei Fundstätten: sogenannte Depots sowie Gräber. Depots waren Aufbewahrungsorte für wertvolle Gegenstände, oft enthalten sie dekorative Objekte und Schmuck. Zu Beginn der Bronzezeit wurde in diesen Verstecken, die häufig in die Erde eingelassen waren, zudem noch Goldschmuck verwahrt. Und weiter Jiráň:
„In der mittleren Phase der Bronzezeit verschwanden diese Depots beinahe vollständig vom tschechischen Gebiet. Ihre Zahl nahm also deutlich ab. In der jüngeren Bronzezeit gab es dann aber wieder eine Art Boom der Schatzdepots. Aus dieser Phase sind hierzulande 600 bis 700 solcher Lagerstätten bekannt. Diese waren in ihrer Zusammensetzung wesentlich reicher als die älteren, denn im Verlaufe der Bronzezeit wurden immer neue Artefakte, also Werkzeuge und Waffen entwickelt.“
Als Beispiel nennt der Wissenschaftler etwa Sicheln, die die Menschen der Aunjetitzer Kultur noch nicht kannten und die erst in der mittleren Bronzezeit auftauchten. In der späteren Phase kam zudem Geschirr aus Bronze hinzu. Und so ist einer der bedeutendsten Funde auf tschechischem Gebiet auch ein eimerartiges Gefäß: die Situla aus Kladina. Der Topf von 60 Zentimeter Höhe wurde im September 2017 durch Zufall nordöstlich von Pardubice / Pardubitz gefunden.
Ähnlich verhielt es sich mit der Entdeckung der Himmelsscheibe von Nebra. Sie stammt aus der mittleren Bronzezeit und ist die älteste bekannte Darstellung des Kosmos. Das kostbare Stück wurde 1999 auf dem Mittelberg nahe dem sachsen-anhaltischen Nebra von Schatzjägern ausgegraben. Dies war der Beginn einer abenteuerlichen und illegalen Reise, bei der das bedeutsame Fundstück durch die Hände mehrerer Hehler ging. Letztlich konnte die Scheibe mit Hilfe der Polizei sichergestellt werden und ist nun dauerhaft im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle ausgestellt.
Hobbyarchäologen, die mit Metallsonden das Land nach historischen Artefakten absuchen, stellen für Profis wie Luboš Jiráň ein ernstzunehmendes Problem dar – und dies auch, wenn sie ihre Funde an ein Museum weitergeben…
„Wenn jemand, der kein Experte ist, etwas ausgräbt und zum nächsten Museum bringt, vernichtet er eine große Menge an Spuren und Daten. Da geht es um den genauen Fundort, Probenahmen von Makrorückständen und ähnliches. Diese Informationen könnten die Archäologen sicherstellen, wenn sie den Gegenstand selbst entnehmen würden. Wenn ein Hobbygräber etwas mit dem Detektor findet, sollte er den Ort unberührt lassen und einen Archäologen hinzurufen. Ansonsten nimmt die Aussagekraft des Fundes rapide ab.“
Bier und ausgelassene Feiern
Bei der Situla aus Kladina wurden die Wissenschaftler glücklicherweise rechtzeitig einbezogen. Sie konnten den Fund auf dem Gebiet der früheren sogenannten Lausitzer Kultur sicherstellen, untersuchen und datierten ihn auf die Schwelle vom 11. zum 10. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung. Jiráň kommentiert:
„Ähnliche Metallgegenstände aus der Zeit werden in dieser Gegend sehr oft gefunden. Dieses spezielle Artefakt ist aber für Tschechien selten. Eine solche Gefäßform kommt sonst eher in Ungarn vor, also in Gebieten östlich des Fundgebietes. Besonders ist zudem, dass es möglich war zu bestimmen, was in dem Gefäß aufbewahrt wurde. Damals wurde schon Alkohol getrunken und ausgelassen gefeiert, das ist sicher belegt.“
Und so diente die Situla offenbar für Biervorräte und kam bei Festen zum Einsatz. Die Feiern seien zu unterschiedlichen Anlässen wie etwa Begräbnissen veranstaltet worden, erläutert Jiráň weiter. Zum Ende einer solchen Zeremonie seien diese Gefäße dann in die Erde eingelassen worden.
Es sind eben die Bestattungskultur und ihre unterschiedlichen Formen, die eine wichtige Rolle spielen bei der Unterscheidung der einzelnen Phasen der Bronzezeit. Der Archäologe wird konkreter:
„Logisch ergibt sich, dass sich die Entwicklung kontinuierlich von der Hügelgräberkultur über die späte Bronzezeit zur Urnengräberkultur hinzog. Dies gilt vor allem für die südlichen Gebiete. Im Norden etablierte sich die Lausitzer Urnengräberkultur, die mit den Hügelgräbern weniger gemeinsam hatte. Sie hat sich zwar auch in der mittleren Bronzezeit entwickelt, aber eben in einem anderen Gebiet – in Nordmähren und Polen. Dort gab es etwas andere Bedingungen als im oberen Donaugebiet.“
Der Übergang von der mittleren zur späten Bronzezeit lässt sich für das Gebiet des heutigen Tschechiens dann auch recht genau datieren:
„Die Urnenfelderkultur etablierte sich auf tschechischem Gebiet zur Zeit der Völkerwanderung der Bronzezeit. Für die Mitte des 13. Jahrhunderts vor unserer Zeitrechnung können wir also von der Entstehung einer neuen Zivilisationsform sprechen, in der sich einige Verhaltensweisen der vorhergehenden Hügelgräberkultur grundsätzlich änderten. Dies betrifft Bestattungsrituale oder auch die Art der Siedlungen. In Bezug auf Begräbnisse wurde langsam abgelassen von dem Ritual, einen Hügel über dem Verstorbenen aufzuschütten. Stattdessen entstanden große Gräberfelder.“
Ende der Friedenszeit
Einäscherungen habe es zwar auch schon in der Hügelgräbertradition gegeben, so der Experte weiter. Aber erst in der späten Bronzezeit habe sie sich als übliche Methode durchgesetzt, verbunden mit der Bestattung in einer Urne.
Der langsame Niedergang der europäischen Bronzekultur begann im Süden des Kontinents, und dies bereits um das 12. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung herum. Dabei spielten auch gewaltsame Eroberungszüge eine Rolle. Archäologe Jiráň führt aus:
„Es gibt mehrere Theorien, warum die Bronzekultur im Mittelmeerraum einging: wirtschaftliche Erschöpfung, Natureinflüsse, Klimaänderung. Eines ist aber sicher: Die Krise, die für den Ostmittelmeerraum gut dokumentiert ist, muss durch die Völkerwanderung der Bronzezeit hervorgerufen worden sein. Denn an den Überfällen, die in diesem Gebiet stattfanden, waren auch Menschen beteiligt, die viel weiter im Norden Europas lebten. Es ist also nicht auszuschließen, dass kriegerische Einheiten aus dem Gebiet der heutigen Slowakei, Mährens und Böhmens dabei waren. Dies führte zum Niedergang der Zivilisationen im Ostmittelmeerraum.“
Damit war die relativ friedliche Epoche vorbei, die der Bronzezeit in Mitteleuropa vorangegangen war. Kampfhandlungen und mörderische Angriffe habe es im Folgenden ebenfalls auf dem Gebiet des heutigen Tschechiens gegeben, fährt Jiráň fort:
„Auch in Mitteleuropa sind zu dieser Zeit Katastrophen und kriegerische Auseinandersetzungen dokumentiert. An manchen Orten wurden Dutzende ermordete Einwohner entdeckt – in Mähren zum Beispiel im Gebiet von Bučina, in Böhmen wiederum in der ‚Vojenská skálka‘ bei Kutná Hora. Dies war ein bedeutsames religiöses Zentrum, das durch ein Massaker vernichtet wurde.“
Was genau damals passiert ist, könnte nur mit einer Zeitmaschine erforscht werden, stellt Jiráň scherzend, aber auch bedauernd fest. Und verweist damit auf die Grenzen, an die Archäologen immer wieder stoßen. Die Urgeschichte kann oft nur in großen zeitlichen Schritten erzählt werden. Auf die Bronzezeit jedenfalls folgte die Eisenzeit, in der erneut ein neues und stärkeres Material für Gebrauchsgegenstände entdeckt wurde. Auf dem Gebiet des heutigen Tschechiens spielte Eisen dann bis ins fünfte Jahrhundert unserer Zeitrechnung eine dominante Rolle.
Die Serie entsteht in Kooperation mit dem Archäologischen Institut der Akademie der Wissenschaften in der Tschechischen Republik.