Barock, Bier und Wassersport – Kynšperk nad Ohří
Über mangelnde Ruhe kann sich Kynšperk nad Ohří nicht beklagen. Die Kleinstadt liegt zwischen dem Kaiserwald und dem Fluss Eger. Früher hieß sie Königsberg und war von Deutschböhmen bewohnt. Mehrere bemerkenswerte Denkmäler erinnern an die wechselvolle Geschichte. Im Sommer steht jedoch die Gegenwart im Mittelpunkt. An der Eger wird Wassersport betrieben, und beim Festival Folkova Ohře kommen Folk- und Country-Freunde auf ihre Kosten.
„Ursprünglich war hier auf dieser Anhöhe, dem Königsberg, eine Burg. Unsere Stadt wurde von Wenzel I. als Königsstadt gegründet. Von dieser Burg ist allerdings heute nichts mehr zu sehen, denn im Dreißigjährigen Krieg wurde sie von den Schweden zerstört.“
Im 16. Jahrhundert genehmigte der Habsburgerkaiser Ferdinand I. die Errichtung einer steinernen Stadtmauer.
„Heute ist davon noch das Südtor erhalten. Wichtiger war aber das Osttor, das an die Handelsstraße nach Eger anknüpfte. Die Stadtbefestigung wurde im frühen 19. Jahrhundert abgetragen, da sie die Entwicklung der Stadt behinderte“, so Fréharová.
Altar der vierzehn Heiligen
Im Laufe der Jahrhunderte wurde das historische Königsberg als Lehen an verschiedene Adelsgeschlechter verpfändet, darunter die Herrn von Schlick, die Herren von Plauen und das Geschlecht Metternich-Winneburg-Beilstein, dem Königsberg von 1630 bis 1726 gehörte. In dieser Zeit entstand die Kirche Mariä Himmelfahrt, die das Stadtbild von Kynšperk prägt. Dazu die Amateurhistorikerin:„Die Kirche ist ein wertvolles barockes Baudenkmal. Der Baumeister hatte als Polier beim Bau des nahen Klosterkomplexes Maria Kulm Erfahrung gesammelt, dann errichtete er in nicht ganz sieben Jahren dieses Bauwerk, das eine Seltenheit aufweist. Da die Stadt recht arm war und es sich nicht leisten konnte, die Kirche nach dem Bau mit Altären auszustatten, malte der regionale Maler Dollhopf ein einzigartiges Fresko, das die Architektur eines Altars bildnerisch darstellt. Das ist der Altar der vierzehn Heiligen – so heißt er im Volksmund. Die offizielle Bezeichnung ist aber ‚Altar der Heiligen Denis und Veit‘. Der Heilige Veit ist darauf als junger Mann zu sehen. Interessant ist, dass Veit sowohl ein Patron Böhmens als auch Sachsens ist.“
Außer der Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt verfügt Kynšperk noch über die evangelische Erlöserkirche, einen neoromanischen Bau aus dem Jahr 1904. In Kynšperk lebte aber auch eine kleine jüdische Gemeinde, an die der jüdische Friedhof erinnert. Dieser Friedhof wurde im 17. Jahrhundert am Schlossberg angelegt.„Dieser Friedhof wird von Historikern als wichtiges Zeugnis der Zeit angesehen. Insgesamt befinden sich dort 170 Grabmäler. Die Juden halten sich aber an den Grundsatz: Was aus Staub ist, soll wieder zu Staub werden. Das heißt, die Grabsteine, die aufgrund natürlicher Einwirkungen umgestürzt sind, werden nicht wieder aufgerichtet. Deswegen ist die genaue Zahl der Gräber hier nicht bekannt. Der Friedhof ist auch deswegen interessant, weil er auf der Schanze der ältesten Burg errichtet wurde. Im 17. Jahrhundert hatte die Schanze keine Funktion mehr, sodass die jüdischen Einwohner auf diesem brachliegenden Grund Gräber anlegen konnten. Die letzte Bestattung fand im Jahr 1949 statt, als hier der Maler und Graphiker Fritz Lederer beigesetzt wurde“, so Eva Fréharová.
Alte deutsche Gräber sollen erhalten werden
Weitere bedeutende jüdische Einwohner der Stadt waren die Komponisten Max Löwy und Erich Orlický (Erich Adler). Im 19. Jahrhundert gelangten mehrere Familien im Zuge der Industrialisierung als Fabrikanten zu Bedeutung. Die wichtigsten Industriezweige waren die Textil- und die Möbelindustrie, aber auch Kohlebergbau wurde betrieben. Jan David Lenk etwa gründete 1826 eine Spinnerei und Weberei. Die Möbelfabrik von Emanuel Gottlieb belieferte sogar europäische Adelshöfe. Gibt es in Kynšperk Stätten, die an die ehemalige deutschböhmische Bevölkerung der Stadt erinnern?
„Auf dem Weg zum Schlösschen Steinhof liegt der neue Friedhof, den es allerdings schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts gibt. In einem Abschnitt des Friedhofs sind alte deutsche Gräber erhalten. Es liegt ein Projekt vor, um den gesamten Friedhof zu renovieren. Dabei sollen alle Gräber bewahrt werden, die identifiziert werden können und bei denen wir wenigstens ungefähr wissen, wer darin bestattet ist.“Eine einzigartige Sehenswürdigkeit von Kynšperk ist der überdachte Holzsteg über die Eger, sagt die Amateurhistorikerin:
„Dieser Steg ähnelt den Holzbrücken des Madison County aus dem berühmten Film ‚Die Brücken am Fluss‘. Auf jeder Seite sind 13 Fenster, von denen man einen schönen Blick auf die Eger hat. Der Steg wirkt altertümlich, doch er wurde erst 1950 von lokalen Schreinern errichtet, nachdem Hochwasser die frühere, provisorische Holzbrücke mehrmals weggerissen hatten. Der Holzsteg ist 63 Meter lang und damit das zweitgrößte Bauwerk dieser Art in Tschechien.“
Vom Holzsteg ist es nicht mehr weit bis zum Brauereigelände. Die Brauerei wurde erst vor einigen Jahren wiederaufgebaut. Seither braut hier die private Firma Kynšperský pivovar Bier der Marke Königsberger Hase. Die Biermarke ist neu, das Braurecht in Kynšperk aber sehr alt. Es wurde dem damaligen Königsberg von Kaiser Rudolf II. im Jahr 1595 verliehen. In dem 300 Jahre alten Gewölbe des Restaurants der Brauerei erzählt Direktor Radek Vomočil, dass seine Firma bewusst an Traditionen anknüpfe.„Der letzte Privatbesitzer der Brauerei war das Adelsgeschlecht der Haas von Hasenfels, das einen springenden Hasen im Wappen führte. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Brauerei enteignet, in Volkseigentum umgewandelt und 1951 zugunsten der Egerer Brauerei stillgelegt. Wir haben 2013 das Braurecht erneut erworben und nennen unser Bier zu Ehren der letzten Besitzer ‚Königsberger Hase‘. Auch in unserem Firmenlogo führen wir einen Hasen.“
Was bietet die Brauerei ihren Kunden heute und welche Pläne hat sie für die Zukunft?
„Wir betreiben ein Restaurant mit Veranstaltungs- und Festsälen, aber man kann auch auf einer Terrasse draußen sitzen. Außerdem haben wir einen Verkaufsladen, eine kleines Tiergehege mit einem Spielplatz für die Kleinsten. Derzeit arbeiten wir am Bau eines Hotels, in dem in etwa zwei Jahren Wellness angeboten werden soll, unter anderem Bierbäder und eine Saunalandschaft“, so Radek Vomočil.Königsberger Hasen-Bier
Die Brauerei liegt unweit des Egerufers, dort befindet sich der Campingplatz der privaten Betreiberfirma Dronte, der unter Wassersportlern weithin bekannt ist. Der Bürgermeister der Stadt, Tomáš Svoboda (Sozialdemokraten) schätzt den Campingplatz als wichtigen Touristenmagnet. Er weist auf die Freizeitaktivitäten am Ufer der Eger hin:
„Die Eger bietet in Kynšperk sowohl Möglichkeiten für Wassersportler als auch für Radfahrer. Wir haben das Glück, dass durch unsere Stadt ein Radweg verläuft, der nach der Fertigstellung bis nach Deutschland führen wird. Sie können also bei uns mit dem Rad oder mit einem Boot fahren. Auf dem Wassersport-Campingplatz gibt es einen Bootsverleih, bei dem man Rafting- und andere Paddelboote mieten kann. Wer also mal vom Fahrrad ins Boot umsteigen möchte, ist in Kynšperk am richtigen Ort.“Einmal im Jahr steht auf dem Campingplatz nicht der Wassersport, sondern die musikalische Unterhaltung im Mittelpunkt. Schon zum 15. Mal findet das Folk- und Country-Festival Folkova Ohře statt. An der Finanzierung beteiligt sich auch die Stadt Kynšperk. Was können die Besucher am kommenden Wochenende bei diesem Festival alles erleben? Tomáš Svoboda:
„Im Laufe des Samstags und Sonntags treten rund zwanzig Musikgruppen auf, viele davon mit klingenden Namen, wie zum Beispiel Žalman. Es lohnt sich also, das Festival zu besuchen. Für Familien mit Kindern wird im Begleitprogramm Reiten angeboten, und man kann unentgeltlich Boote für Fahrten auf einem schiffbaren Nebenarm der Eger leihen. Selbstverständlich gibt es auch eine reiche Auswahl an Speisen und Getränken. Uns von der Stadtverwaltung freut es, dass solche Veranstaltungen stattfinden, und wir laden Sie herzlich zu dem Festival ein.“Das Festival Folkova Ohře findet am 26. und 27. August ganztägig am Wassersport-Campingplatz bei Kynšperk nad Ohří statt.