Barockmaler Karel Škréta – Begründer der neuzeitlichen tschechischen Malerei
Im Jahr 1610 – das genaue Datum ist nicht bekannt - wurde in Prag ein Künstler geboren, der der neuzeitlichen tschechischen Malerei den Weg geebnet hat: Karel Škréta. Dies gelang ihm auch, weil er sich durch die Kunst des Frühbarocks außerhalb Böhmens inspirieren ließ. Škrétas 400. Geburtstag hat die Prager Nationalgalerie zum Anlass genommen, eine umfassende Ausstellung mit Bildern, Grafiken, Zeichnungen, Skulpturen und weiteren Exponaten zu zeigen. Sie ist an zwei repräsentativen Ausstellungsorten der tschechischen Hauptstadt zu sehen.
Es war keine idyllische Zeit, in die der Maler 1610 in Prag in die evangelische Adelsfamilie Škréta Šotonovský ze Závořic hineingeboren wurde. Kunsthistoriker gehen davon aus, dass Škréta die Malerei vermutlich am Hof von Kaiser und Kunstmäzen Rudolf II. auf der Prager Burg erlernt hat. Der radikale Wandel der politischen Verhältnisse in Böhmen nach der Schlacht auf dem Weißen Berg 1620, mit der der Dreißigjährige Krieg begann, hatte indes fatale Folgen auch für Škrétas Familie. Ihr Besitz wurde konfisziert und Škréta musste 1628 mit seiner Mutter fliehen. Sein Vater war damals schon längere Zeit tot. Die Flucht ging zunächst nach Freiberg in Sachsen. Von dort reiste der Maler aber weiter nach Italien - nach Venedig, Bologna, Florenz und Rom. Dort wurde er von der Kunst des Frühbarocks tief beeinflusst, insbesondere von den Werken von Tintoretto, Veronese und Tizian. 1635 hielt sich der Böhme schon wieder in Freiberg auf. Zwei oder drei Jahre später kehrte Škréta endgültig nach Prag zurück, wo er bald als anerkannter und geschätzter Künstler Wurzeln schlagen konnte. Er war zudem zum Katholizismus konvertiert und erhielt daher den beschlagnahmten Familienbesitz zurück.
1644 trat Škréta der Prager Malerzunft bei. Von 1651 bis 1661 bekleidete er das Amt des Zunftältesten, damit war er auch der führende Künstler in Prag. Ab 1645 betrieb Škréta ein Atelier in der Prager Altstadt. Während er schon in der Zeit seines Auslandsaufenthaltes als anerkannter und auch gefragter Porträt-Maler galt, entstanden seine monumentalen Bilder mit religiösen und mythologischen Darstellungen erst nach seiner Rückkehr nach Prag. Sein Betätigungsfeld war allerdings viel breiter. Vít Vlnas, Chefkurator der Prager Škréta-Ausstellung:„Škréta war ein äußerst vielseitiger Künstler. Angesichts der historischen Gegebenheiten seiner Zeit kam sein Talent allerdings vor allem auf dem Gebiet der großformatigen Altarbilder, Portraits und der Zeichenkunst zur Geltung. Er war ein genialer Zeichner und daher als Verfasser von Entwürfen sehr gefragt - insbesondere bei der künstlerischen Überführung von höchst anspruchsvollen Gedanken akademischen Ursprungs in grafische Bilder. Škréta war nämlich ein hoch gebildeter und kulturell orientierter Mensch.“Die Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg bot einem Künstler von Škrétas Format viele Gelegenheiten. Im Zuge der massiven Rekatholisierung der böhmischen Länder wurden neue Kirchen und Kapellen gebaut oder im neuen Stil der Pracht und Pomp liebenden Jesuiten umgestaltet. Auch unterrestauratorstvi den Adeligen befanden sich Kunstmäzene oder Auftraggeber für Bildnisse ihrer Ahnherren in Lebensgröße. Der talentierte Karel Škréta war daher viel gefragt. Und das nicht nur in Böhmen, wie nicht zuletzt auch aus den ausländischen Leihgaben seiner Bilder für die Prager Ausstellung ersichtlich ist. Eine derart vielseitige Persönlichkeit in einer einzigen, wenn auch zweiteiligen Ausstellung vorzustellen, war für das Kuratorenteam der Prager Nationalgalerie sicherlich nicht einfach. Und der Umfang der Ausstellung verlangt auch den Besuchern einiges ab. Vít Vlnas schlüsselt daher auf, was es zu sehen gibt:
„Die Ausstellung besteht aus mehreren thematischen Teilen, die Škrétas künstlerische Entwicklung reflektieren - von den Anfängen über seine Auslandsaufenthalte bis hin zu den großformatigen Altargemälden. Dazu kommen auch Werke seiner hervorragenden Zeitgenossen wie Domenico Fretti oder Quido Reni sowie seiner tschechischen Nachfolger. Auch die Architektur und Bildhauerei seiner Zeit sowie historische Dokumente über sein Leben haben wir integriert. Das alles gehört zum Inhalt der Ausstellung in der Galerie „Valdštejnská jízdárna“ (Waldstein-Reitschule) auf der Prager Kleinseite. Der andere Ausstellungsteil, in der „Reitschule der Prager Burg“, reflektiert hingegen zum Beispiel den Škréta-Kult, oder wie wir es nennen, Škrétas zweites Leben. Škréta wurde nämlich vor allem im 18. und 19. Jahrhundert hierzulande als Ikone der tschechischen Malerei verehrt.“ Es ist allerdings nicht das erste Mal, dass eine Ausstellung einen Querschnitt durch Škrétas Werk präsentiert. Zum ersten Mal geschah dies bereits vor genau 100 Jahren im Prager Rudolfinum. Zum zweiten Mal 1938, doch erst 1974 anlässlich des 300. Todestages des Künstlers konnte von einer monumentalen Škréta-Ausstellung die Rede sein. Aber auch diese wird von dem jüngsten Ausstellungsprojekt in vieler Hinsicht übertroffen. Chefkurator Vít Vlnas fasst zusammen:„Diese Ausstellung ist nicht nur die bisher umfangreichste. Im Unterschied zu den drei vorherigen Ausstellungen stellt sie Škréta in einem wesentlich breiteren Kontext vor, und zwar im Kontext der Kunst seiner Zeit nördlich und südlich der Alpen vor. Daher findet man hier auch Werke von Škrétas Zeitgenossen, Vorgängern und Nachfolgern.“
Mit Unterstützung des so genannten Norwegischen Fonds konnte diesmal die Prager Nationalgalerie in Zusammenarbeit mit der Karlsuniversität und dem Institut für Kunstgeschichte der tschechischen Akademie der Wissenschaften ihr Projekt auf umfassende Forschungsarbeiten gründen. Dies hat zum ersten Mal ermöglicht, eine ganze Reihe von Gemälden Škrétas und seiner Zeitgenossen technologisch zu untersuchen und nicht selten auch zu restaurieren, ja sogar auch zu retten. Dem Chefrestaurator der Nationalgalerie, Petr Kutan zufolge, befanden sich viele Bilder in einem erbärmlichen Zustand.„Einige waren mit einem neuen Bild übermalt. Durch die Arbeit unserer Restauratoren, auch dank ihrer Einfühlung, wurde Škrétas Werk eigentlich neu entdeckt. Bohuslav Neumann, Kurator der vorherigen Škréta-Ausstellung von 1974, hat natürlich auch mit Restauratoren zusammengearbeitet. Ihnen stand aber damals noch nicht die moderne Technik in dem Umfang zur Verfügung, wie es diesmal der Fall war. Dazu gehört zum Beispiel die mikroskopische Analyse, mit deren Hilfe man die Struktur der einzelnen Pigmente analysieren und die Bilder anhand der Erkenntnisse vergleichen kann.“Während der Vorbereitung der neuesten Škréta-Ausstellung konnten mehrere Bilder durch moderne Technologie als bisher unbekannte Werke des Malers identifiziert werden oder als solche, die Jahrzehnte lang für verschollen galten. Andererseits zeigte sich, dass dem Meister auch einige Bilder fälschlicherweise zugeschrieben worden waren.
Aufgrund der umfassenden Erforschung von Škrétas Lebenswerk, die der Ausstellung vorausgegangen war, kamen die Experten zum eindeutigen Schluss: Škréta hat zu einem persönlichen Stil gefunden, der ihn zu einem herausragenden Künstler des mitteleuropäischen Raums erwachsen ließ. Trotz schwankender Qualität seiner Bilder habe Škréta mit seinen besten Werken die absolute Spitze der tschechischen beziehungsweise der mitteleuropäischen Malerei erreicht, meint Vlnas:„Škréta wird allgemein für den größten tschechischen Künstler gehalten, der in der Zeit zwischen dem Ende des Mittelalters und dem 19. Jahrhundert in den böhmischen Ländern zur Welt kam. So wurde er auch von den früheren Generationen wahrgenommen. Karel Škréta war ein außerordentlicher Künstler, der in Böhmen die Fundamente eines neuen Kunststils geschaffen hat. Er holte sich zwar die Inspirationen aus der Kunst seiner Zeit, wusste sie aber mit viel Witz zu synthetisieren und dadurch originelle und unverwechselbare Werke zu schaffen.“
Man könnte vielleicht glauben, das Thema „Karel Škréta“ sei mit der vierten und bisher größten Präsentation dieses Barockkünstlers ausgeschöpft. Vít Vlnas widerspricht indes:
„Diese Ausstellung betrachten wir nur als einen Teil des großen Themas, das nie abgeschlossen werden kann. So wie unsere Vorgänger wollen auch wir in dieser Hinsicht keinen Anspruch auf das letzte Wort zu Škréta geltend machen.“
Es liegt also an einer der kommenden Generationen, sich mit dem Werk des mitteleuropäischen Künstlers Karel Škréta erneut zu befassen.