Berlin: Tschechische Kultur für jeden Tag – jetzt virtuell

Quelle: Archiv des Tschechischen Zentrums Berlin

Auch die Kultur leidet unter der Coronakrise. Das betrifft genauso die Tschechischen Zentren. In Berlin bemüht sich die entsprechende Institution, verstärkt die Foren im Internet zu nutzen. Wie das funktioniert, dazu mehr im Interview mit Christina Frankenberg, der stellvertretenden Leiterin des Tschechischen Zentrums in Berlin.

Quelle: Archiv des Tschechischen Zentrums Berlin
Frau Frankenberg, das Tschechische Zentrum in Berlin kann wie andere Kulturinstitutionen in Deutschland derzeit keine Veranstaltungen ausrichten. Welche größeren Vorhaben mussten Sie daher absagen?

„Uns hat das ziemlich kalt erwischt, wie wahrscheinlich alle vor rund drei Wochen. Wir hatten zum Beispiel eine Diskussionsrunde geplant mit tschechischen und deutschen Journalisten, die im vergangenen Herbst den Deutsch-Tschechischen Journalistenpreis erhalten haben. Mit den Preisträgern wollten wir über die Aufgaben von Journalisten in der heutigen Zeit diskutieren, in der Fake News verbreitet sind. Wir wollten auch über regionalen Journalismus mit ihnen sprechen. Leider mussten wir diese Veranstaltung absagen. Als größtes Ereignis jetzt für den April war das Deutsch-Tschechische Innovationsfestival (Czech German Innovation Festival) geplant, das wir schon seit einigen Jahren immer im Frühling veranstalten. Weil damit die meisten vorbereitenden Arbeiten verbunden gewesen sind, war es am bittersten für uns, dass es jetzt nicht stattfinden konnte. Daneben hat es noch viele weitere Veranstaltungen getroffen. Uns war klar, dass wir beispielsweise keine Konzerte mehr ausrichten können. Ich selbst hatte aber noch gehofft, dass wir vielleicht eine Zeitlang kleinere Sachen machen könnten, mit großem Abstand zwischen den Sitzen und eingeschränkten Zuschauerzahlen – etwa Autoren einladen oder Filme zeigen könnte. Aber wie wir alle wissen, ist dies gerade nicht mehr möglich…“

Das Tschechische Zentrum arbeitet aber weiter. Warum ist das gerade in der jetzigen Situation wichtig?

„Wichtig ist, das deutsche Publikum weiter über tschechische Kultur zu informieren.“

„Mir scheint es ganz besonders wichtig zu sein, dass auch das deutsche Publikum eine Quelle hat, über die es sich informieren kann, was in der tschechischen Kultur derzeit geschieht. Denn die Grenzen sind geschlossen, Gäste aus Tschechien können nicht nach Deutschland kommen, und deutsche Reisende können nicht ins Nachbarland gucken. Wir bemühen uns daher darum, virtuelle Angebote – bei denen jeden Werktag ein neues hinzukommt – zur tschechischen Kultur und Informationen aus der Tschechischen Republik auf unsere Homepage oder auf die Social Media zu holen. Entweder wählen wir dabei Veranstaltungen anderer aus, die keine Sprachbarriere bieten und auf die wir hinweisen. Oder es gibt auch einige Angebote, die man wirklich nur bei uns findet.“

Tereza Semotamová  (Foto: Tomáš Vodňanský,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Genau zu solch einem möchte ich ganz gerne kommen. So verfassen jetzt tschechische und deutsche Autoren extra Geschichten für Ihr Internet. Wer hat zugesagt, und worum geht es in den Texten?

„Das war eine Idee, wie wir Schriftsteller in Tschechien – und zu einem kleineren Teil auch in Deutschland – unterstützen können. Da wir derzeit keine Lesungen veranstalten können, haben wir einige der Autorinnen und Autoren gebeten, uns tschechisch-deutsche Corona-Geschichten zu schreiben. Dabei ist es egal, ob es fiktive oder dokumentarische Texte sind. Wir haben unter anderem Tereza Semotamová, Iva Pekárková und Markéta Pilátová gewinnen können, Jaroslav Rudiš hat uns zugesagt, genauso wie Jan Faktor und Martin Becker. Jaroslav Konecny ist dabei, genauso wie Radek Fridrich. Und die Texte werden immer freitags beziehungsweise am Ende der Woche auf unserer Homepage publiziert. Den Anfang hat Tereza Semotamová gemacht mit ihrer Geschichte ‚Den Bach runter‘. Diese wurde am vergangenen Freitag schon bei uns veröffentlicht. Die Autorin war auch deswegen die Erste, weil sie eigentlich im April ihren neuen Roman ‚Im Schrank‘ hätte vorstellen sollen.“

Foto: Nationales Filmarchiv
Filmvorführungen in Kinos sind derzeit auch nicht möglich. Wer Ihr Programm kennt, weiß, dass Sie regelmäßig den Dokumontag haben. Was ist daraus jetzt geworden?

„Wir haben jetzt einen Filmmontag ins Leben gerufen. Da publizieren wir immer montags auf der Homepage Hinweise auf Streaming-Angebote im Netz, über die man sich tschechische Filme anschauen kann. Diese Streifen sind entweder mit englischen Untertiteln oder ohne Worte. Und für unsere Zuschauer und Gäste suchen wir Angebote heraus, die uns besonders interessant erscheinen. So läuft beim Nationalen Filmarchiv schon seit anderthalb Wochen eine sehr schöne Serie, bei der historische Animationsfilme von den 1940er Jahren bis 1990 gezeigt werden. Jeden Tag um 17 Uhr wird dabei ein neuer Streifen zugänglich gemacht. Und alle Filme, die gezeigt wurden, landen auch in einem kleinen Archiv. Es gibt aber auch weitere Institutionen, Organisationen oder Veranstalter, die tschechische Filme im Netz haben. Wir stellen diese dann immer mit einem kommentierenden Text vor.“

Sie präsentieren normalerweise auch Ausstellungen im Zentrum. Gibt es dafür einen virtuellen Ersatz?

„Dies ist der Tag der Kunst am Dienstag, wobei sich zwei Formate abwechseln. Zum einen ist dies ‚Czech Art zu Corona-Zeiten‘. Dabei stellen wir tschechische Künstlerinnen und Künstler mit ihren Werken, an denen sie gerade arbeiten, vor. Zum anderen gibt es ein Interview-Format unter dem Titel ‚Czech Contemporary Art in Berlin‘. Da finden auch immer dienstags Gespräche mit tschechischen und slowakischen Künstlern statt, die in Berlin leben. Drei mal drei Minuten lang geben sie Auskunft über sich selbst, über den Ort, an dem sie tätig sind, und über die Gedanken, die ihnen gerade durch den Kopf gehen. Diese Interviews und Hinweise zu den Kunstwerken kann man bei uns in den Social Media sehen sowie auf der Homepage unter der Rubrik ‚Aktuelles‘.“

Sie haben gerade gesagt, dass man bei Ihnen jetzt Künstler auch virtuell treffen kann, anstatt wie normalerweise bei einer Veranstaltung. Sie haben aber noch mehr Möglichkeiten bereitgestellt, um Kulturschaffenden aus dem Nachbarland in Zeiten der Coronakrise zu begegnen – und zwar mittwochs…

„Wir haben tagtäglich ein neues Angebot im Netz. Mittwochs sind dies Podcasts. Dort kann man Veranstaltungen des Tschechischen Zentrums aus vergangener Zeit noch einmal miterleben. Es sind Audio- oder Video-Mitschnitte. Zum Beispiel werden dort Lesungen oder Diskussionen online gestellt. Und früher hatten wir auch einige Gespräche mit tschechischen Persönlichkeiten, die im deutsch-tschechischen Kontext tätig sind. Diese Gespräche sind meist 15 Minuten lang uns lassen sich ebenfalls bei uns finden.“

„Die Sprachkurse werden mit großer Begeisterung online weitergeführt.“

Sprachkurse gehören ebenso zum Angebot des Tschechischen Zentrums. Lassen die sich nun ebenfalls problemlos virtuell wahrnehmen?

„Für diejenigen unserer Kursteilnehmer, die die entsprechende technische Ausstattung haben, bieten wir das tatsächlich nun online an. Wie ich gehört habe, wird auch ein Großteil der Kurse mit großer Begeisterung weitergeführt. Ich glaube, 80 Prozent unserer Kurs-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer nutzen dieses Angebot. Die Lehrer sind ziemlich fit und engagiert im Online-Unterricht. Ich habe auch schon in den Social Media sowohl Fotos als auch kurze Videosequenzen gesehen. Da kann man einfach mal gucken, wie die Kurse laufen.“

Illustrationsfoto: Alexandra Koch,  Pixabay / CC0
Allgemein gilt ja das Gebot, Kontakte zu vermeiden. Wie haben Sie das bei der Arbeit im Tschechischen Zentrum gelöst?

„Wir haben das wie fast alle gelöst. Das heißt, wir sind im Homeoffice und arbeiten alle von Zuhause aus. Dazu nutzen wir ein Messenger-System, in das wir uns alle einschalten können. Und unsere bisherigen wöchentlichen Meetings laufen als Video-Konferenzen ab – also von Zuhause aus am Monitor und mit Lautsprecher und Kopfhörer. Einmal in der Woche ist aber jeder von uns dran, im Büro nach dem Rechten zu sehen – damit weiterhin garantiert ist, dass die Telefone besetzt sind, und um die Post herauszunehmen.“

Autor: Till Janzer
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