Beuroner Kunst bei Führungen wieder zu entdecken – Zu Besuch im Kloster St. Gabriel
Das Kloster St. Gabriel mit der dazugehörigen Kirche im Prager Stadtteil Smíchov ist eine einmalige Sehenswürdigkeit. Denn das Gotteshaus wurde im Stil der Beuroner Kunstschule gestaltet. Der Verein Freunde der Beuroner Kunst organisiert derzeit Führungen, um das wertvolle Bauwerk der Öffentlichkeit vorzustellen. Martina Schneibergová hat mit der Vorsitzenden des Vereins und des Stiftungsfonds Malakim, Monica Bubna-Litic, gesprochen.
Frau Bubna-Litic, wir stehen jetzt in der Beuroner Klosterkirche St. Gabriel. Der Sakralbau ist im internationalen Maßstab einzigartig. Worin besteht die Bedeutung des Baudenkmals?
„Es ist etwas ganz Besonderes, weil hier die Beuroner Kunstschule aufbewahrt worden ist. Es ist ein Gesamtkunstwerk – alles, was Sie hier sehen, wurde im Beuroner Stil gestaltet – nicht nur die Wandmalereien, sondern auch die Gitter, der Leuchter, einfach alles.“
Wie kam es dazu, dass sich die Beuroner Kunstschule in Prag etabliert hat?
„1875 mussten die Mönche das Kloster St. Martin in Beuron verlassen. Das war in der Zeit von Bismarck und seines Kulturkampfes. Die Benediktiner suchten nach einem neuen Zuhause und 1880 haben sie es im Emmaus-Kloster in Prag gefunden.“
In Smíchov wurde jedoch ein Benediktinerinnenkloster gegründet. Wann war das?
„Der Grundstein wurde 1882 gelegt, und zwar daher, weil die Beuroner Mönche, die sich in Emmaus niedergelassen haben, genügend Geld für den Bau eines neuen Klosters hatten. Das Geld spendete die Stifterin Gabriele Gräfin Sweerts Sporck.“
Kamen die Benediktinerinnen aus Deutschland oder aus Österreich nach Prag?
„Aus Österreich, aus dem Stift Nonnberg in Salzburg.
Wie wurden die Schwestern in Prag aufgenommen?
„Ich glaube, in den kirchlichen Kreisen gut, weil die Mönche aus Beuron das Emmaus-Kloster zwar umgebaut haben, aber auch eine sehr schöne Liturgie pflegten. Den Pragern hat es dort sehr gut gefallen. Hier in Smíchov lebten die Schwestern in Klausur, sodass sie eigentlich nicht zu sehen waren. Aber sie wurden sehr geschätzt, denn sie haben täglich Brot für Arme gebacken. Während des Ersten Weltkriegs haben sie Suppe für Bedürftige gekocht, denn es herrschte damals wirklich eine Hungersnot.“
Kommen wir zurück zur Gestaltung der Klosterkirche. Hat sich daran der Begründer der Beuroner Kunstschule, Desiderius Lenz, beteiligt?
„Ja und sogar sehr. Er lebte eine Zeit lang in Emmaus und war derjenige, der die komplette Ausmalung dieser Kirche entworfen hat. Die Äbtissin mochte die Beuroner Kunst und hat ihm vollkommen vertraut. Es ist interessant, dass er beispielsweise an der Ostwand die böhmischen Heiligen gemalt hat – oder malen lassen hat.“
Waren die Benediktinerinnen selbst auch künstlerisch tätig?
„Ja, unter ihnen waren viele begabte Künstlerinnen. Es gab hier zwei Ateliers, wo sie tätig waren: das Atelier des Heiligen Lukas war das Maleratelier und das Atelier der Stickerei. Die beiden Ateliers waren sehr tüchtig, manchmal haben sie auch in der Nacht gearbeitet, denn das, was sie gestickt haben – wie Messgewänder – wurde an die anderen Beuroner Klöster verkauft.“
Kann man den Beuroner Kunststil ungefähr datieren?
„Man kann sagen, dass die Mönche die Beuroner Kunst etwa in den 1860er Jahren zu entwickeln begannen, als die Benediktiner das Kloster St. Martin in Beuron übernommen haben. Der erste Bau ist die Maurus-Kapelle, nicht weit vom Kloster entfernt. Diese stammt aus den 1860er Jahren. Die Statue, die Lenz entworfen hat, stammt aus dem Jahr 1872. Die Schwestern lebten hier in Prag bis zur Entstehung der Tschechoslowakischen Republik. Ich würde sagen, bis zu dieser Zeit erreichte der Beuroner Kunststil seinen Höhepunkt.“
Die Benediktinerinnen entschieden sich, das Prager Kloster zu verlassen, weil sie sich hier vermutlich nicht wohl fühlten. Hing die Entscheidung unter anderem damit zusammen, dass der Großteil der Schwestern deutschsprachig war oder gab es einen anderen Grund?
„Nicht alle waren deutschsprachig, es gab hier auch tschechische Schwestern. Es war ein gewaltiges Kloster, wo 130 Schwestern lebten. Als die Tschechoslowakei entstand, drohte ihnen sogar, dass das Kloster aufgelöst werden könnte. Davor hatten sie natürlich Angst. Sie haben sich lieber entschlossen, das Kloster zu verkaufen. Aber ohne ein neues Kloster hätten sie das natürlich nicht gemacht. Sie haben jedoch von der Familie Schwarzenberg eine ehemalige Burg in der Steiermark bekommen. Dorthin sind sie in den Jahren 1918 – 1919 umgezogen.“
Jahrzehnte lang gehörte das Klosterareal samt Kirche der Tschechoslowakischen und anschließend der Tschechischen Post. Das ist heute nicht mehr der Fall. Wer ist der Besitzer des Klosters?
„Zuerst wurde es dem Ministerium für Postwesen und Telegrafie verkauft. 1948 wurde es verstaatlicht. Das Gebäude übernahm die Tschechoslowakische Post. Seit 2016 hat die Tschechische Post das Areal nicht mehr gebrauchen können, weil sie ein neues Gebäude erbaut hat, und so ist sie ausgezogen. Seit 2016 versuchte die Post, das Kloster zu verkaufen. 2019 ging es schließlich an die Firma Cimex. Dem Unternehmen gehört heute nicht nur das Kloster, sondern auch die Kirche.“
Sie halten die ganze Zeit etwas winziges Glänzendes in der Hand. Ist das vielleicht Gold?
„Ja, es ist Blattgold. Die Wandmalereien sind mit Blattgold geschmückt. Die Kirche hat immer noch das ursprüngliche Dach. Es ist leider kaputt und es regnet herein. Unglücklicherweise fallen Stücke von den Malereien ab. Das da habe ich gerade auf dem Boden gefunden, es ist ein Fragment von der Darstellung der Heiligen Cäcilia.“
Sie organisieren hier Führungen, nicht nur auf Tschechisch, sondern auch auf Deutsch. Wird dabei nur die Kirche, oder auch das Klostergebäude gezeigt?
„Die Kirche konnte man schon zuvor besichtigen, manchmal konnten wir auch das Kloster besuchen. Dann gab es eine Corona-Pause. Ich bin sehr dankbar, dass der heutige Inhaber damit einverstanden ist, dass die Führungen stattfinden, und zwar nicht nur in der Kirche, sondern auch im Kloster. Dies ist wichtig, denn dort sind immer noch die früheren authentischen Räume zu sehen, wie beispielsweise der Kapitelsaal und die Bibliothek. Man kann auch in den Schwesterchor gehen, in dem jedoch Mauern eingezogen wurden. Der Chorraum wurde mehrmals horizontal und vertikal geteilt, aber man kann ihn immerhin sehen. Besichtigen kann man auch den Kreuzgang sowie das Refektorium. Die Leute sehen hier die Beuroner Kunst, die früher in Prag dominant war. Nirgendwo auf der Welt war es so wie in Prag, denn das Mutterkloster von Beuron war in Emmaus.“
Gibt es Künstlerinnen und Künstler, die Nachfolger der Beuroner Kunstschule sind? Ließen sich auch einige der bekannten Künstler durch die Beuroner inspirieren?
„Ja, beispielsweise der Jugendstil – die Sezession – hat von den Beuronern viel übernommen. Gustav Klimt hat sich von Beuron inspirieren lassen, aber auch der katalanische Architekt Antoni Gaudí sowie der slowenische Architekt Jože Plečnik. Wenn man die Herz-Jesu-Kirche in Prag besucht, erkennt man die Inspiration. Die Beuroner Kunstschule war eine sakrale Kunst, aber hatte auch darüber hinaus eine wichtige Rolle gespielt. Leider ist sie irgendwie in Vergessenheit geraten. Ich bin davon überzeugt, dass es höchste Zeit ist, sie wieder zu erleben.“
Die nächste Führung durch das Kloster St. Gabriel in deutscher Sprache findet an diesem Mittwoch um 16 Uhr statt, weitere Führungen gibt es am 14. Juli um 18.30 Uhr, am 17. Juli um 15 Uhr sowie am 21. Juli um 17 Uhr.