Christbaumschmuck aus Ostböhmen

Foto: Ondřej Tomšů
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Es gibt klassische Formen wie Kugeln oder Christbaumspitzen, aber auch ausgefallene Motive wie etwa einen Krake oder einen Elefantenkopf. In Dvůr Králové / Königinhof an der Elbe sitzt die größte Firma für weihnachtlichen Glasschmuck nicht nur in Tschechien, sondern sogar in Europa. Radio Prag International hat eine der Fertigungsstätten besucht.

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Auch wenn es fast so klingt wie am Hochofen – beim Glasblasen des Christbaumschmucks braucht es eher Fingerspitzengefühl als Muskelkraft. Man arbeitet schließlich an einem Bunsenbrenner. Regina Jáklová ist Produktionsleiterin beim Genossenschaftsbetrieb DUV in Dvůr Králové. In der Glasbläserei erläutert sie, wie aus dünnen Röhren unterschiedliche Schmuckstücke werden:

„Das Glas wird im Feuer erhitzt. Man nimmt dafür ein gläsernes Halbfertigprodukt, eine Röhre. Wenn sie von allen Seiten richtig heiß ist, lässt sich eine schöne Kugel ausblasen. Aus ihr kann man dann weitere Formen herstellen, beispielsweise eine Glocke. Oder wir ziehen die Kugel auseinander, sodass sie wie eine Rakete aussieht. Eine besondere Form ist die sogenannte Spitze. Auch da machen wir aus einer Röhre eine Kugel, dann erhitzen wir aber eine Seite weiter und ziehen sie zu einer schönen Spitze lang. Außerdem kann man noch weitere Röhren anbauen, so entstehen mehrstöckige Spitzen.“

Arbeit mit dem Feuer

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In der Glasbläserei wie auch in der restlichen Produktion sind fast nur Frauen beschäftigt. Das ist laut Regina Jáklová kein Zufall:

„Sie haben einfach mehr Geduld. Glasblasen kann man im Übrigen nicht in einer oder zwei Wochen lernen. Allein nur um die Grundgestalt zu können, also die Kugel in genormter Art, braucht es fast ein Jahr.“

Doch viele der Lehrlinge halten nicht durch, gesteht die Produktionsleiterin…

„Jedes Jahr probieren wir, zwei oder drei neue Leute anzulernen. Man sieht aber recht schnell, ob jemand mit der Hand so geschickt und flink ist, dass er das Glas im Feuer halten kann.“

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Die Flamme, mit der die Frauen arbeiten, ist etwa 1200 Grad heiß. Viele der Glasbläserinnen sind spezialisiert. Das heißt, sie machen entweder Kugeln oder zum Beispiel freie Formen. Nur vielleicht eine von 50 Beschäftigten sei eine Allrounderin, meint Regina Jáklová. Eine weitere Disziplin ist die Arbeit mit verschiedenartigen Förmchen. Dazu zeigt Jáklová auf eine ihrer Mitarbeiterinnen:

„Diese Frau macht einen Schwan. Die erhitzte Glasröhre legt man dazu in eine Form, die geschlossen wird. Und dann bläst man das Glas in der Form auf, sodass es seinen Körper erhält. Hier sind die Flügel zu sehen und unten die Öffnungen für die Beinchen. Nun wechselt die Glasbläserin das Feuer und erhitzt den Hals. Dieser wird dann wunderbar in eine S-Form langgezogen. Am Ende wird ein Schnabel gebrannt. Das Glas muss man anschließend abkühlen lassen, damit keine Bläschen entstehen. Wir blasen sehr dünnes Glas, das sehr leicht ist, um den Weihnachtsbaum nicht zu überlasten. Hier sieht man ein Stück perfekter Handblasarbeit.“

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Und wie viele Stücke Weihnachtsschmuck schafft eine Glasbläserin?

„Die Norm liegt bei 18 Mal einem Dutzend Stück am Tag. Einige Mitarbeiterinnen sind sehr erfahren und blasen bereits seit 30 Jahren Glas. Sie schaffen dann 21 Dutzend am Tag“, so Jáklová.

Ein bisschen zaubern

Das Glasblasen ist jedoch nur der erste Schritt zum Christbaumschmuck. In einem anderen Bereich des Betriebs werden die Produkte versilbert. Regina Jáklová:

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„Jedes der Schmuckstücke hat noch einen Stiel, an dem man es zum Weiterbearbeiten halten kann. Durch den Stiel wird mit einer Dosierungsmaschine flüssiges Silber ins Innere der Kugel gespritzt. Dann wird die Kugel in ein heißes Bad getaucht, dadurch reduziert sich das Silber an der Innenseite des Glases. Wenn Kindergartenkinder hier herkommen, sagen wir immer, dass wir hier jetzt zaubern werden.“

Die Kugeln werden anschließend nicht mehr gekühlt, sondern nur noch abgespült. Andere Stücke werden auch angemalt. Gerade sind Schneemänner in Arbeit.

„Für jedes Element gibt es eine eigene Farbe. Zum Beispiel grün für den Schal. Dann malt man zuerst den 30 Dutzend Schneemännern einen Schal. Danach kommen Rot für die Mütze, Schwarz für die Augen, Rot für die Nase. Dann nimmt man einen speziellen Pinsel, fährt alle Konturen ab und trägt einen silbernen Schimmer auf, damit es so richtig glänzt. Die Malerin muss jeden Schneemann sechs Mal in die Hand nehmen, um ihm den richtigen Anstrich zu geben“, erläutert die Produktionsleiterin.

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Einen besonderen Glimmereffekt gibt zum Abschluss die sogenannte „balotina“:

„Das ist eine spezielle Bestreuung aus Glas, die lichtabweisend ist. Sie steckt beispielsweise auch in der Farbe für weiße Straßenmarkierungen. Und die nutzen wir. Denn so verstärkt der Schmuck am erleuchteten Baum noch einmal den Lichteffekt.“

Wenn man alle Formen, Farben und Bestreuungen zusammennimmt, dann können in Dvůr Králové mehrere Tausend Varianten an Christbaumschmuck gefertigt werden. Besonders beliebt sind aber Schwäne.

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„Nach ihnen ist die Nachfrage sehr groß. Es ist auch ein schönes Schmuckstück, weil es sogar Federn hat. Vor allem bekommt man eine solche Arbeit nicht im Supermarkt. Diese Mitarbeiterin hier trägt den Klebstoff auf und lässt so einen richtig schönen Schwan entstehen“, so Jáklová.

Größte Fabrik in Europa

Bereits ab der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde in dieser Gegend am Rande des Riesengebirges gläserner Christbaumschmuck hergestellt. Die heutige Firma DUV entstand 1931, wie die Direktorin Růžena Secká erläutert:

„Im Ort Zdobín wurde eine der ersten Fabriken der Genossenschaft Dvůr Králové gegründet. In der Folge kamen immer weitere hinzu. Letztlich gab es 13 Fabriken, und zu den besten Zeiten waren dort rund 700 Menschen angestellt. Sie haben 10.000 bis 15.000 Stücke Christbaumschmuck am Tag hergestellt.“

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Heute schwankt die Beschäftigtenzahl je nach Zeitpunkt in der Saison zwischen 100 und 200. In der größten Fabrik für Glas-Christbaumschmuck in Tschechien und Europa wird hauptsächlich für den ausländischen Markt gefertigt. Denn 80 Prozent der Produktion wird ausgeführt. Bis März kommen die Bestellungen für die nächste Weihnachtssaison. Dabei betont Firmenchefin Secká:

„Unseren Christbaumschmuck sollten man nicht mit dem vergleichen, was man zu Hause hat. Ist der Schmuck 10 oder 15 Jahre alt, wird er zerbrechlich, denn auch das Glas altert. Wenn man aber den in diesem Jahr hergestellten Glasschmuck in die Hand nimmt, merkt man, dass er deutlich fester und stabiler ist. Der Schmuck ist so konzipiert, dass man ihn auch bis in die USA versenden kann. Das heißt, dass er zum einen gut verpackt und zum anderen ein Qualitätsprodukt ist.“

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Da es beim Christbaumschmuck auch immer um die Mode geht, wird weit vorausgeplant.

„Schon in diesem Jahr entwerfen wir die Produktserien für Weihnachten 2020. Seit August läuft eine Ausstellung von Weihnachtsschmuck, zu der die Kunden kommen und ihre Auswahl treffen. Dann werden Muster hergestellt, die die Kunden aber noch einmal korrigieren lassen können. Erst wenn es eine endgültige Zustimmung gibt, läuft die Herstellung an. Es können also bis zu zwei Jahre vergehen, bis ein Produkt auf den Markt kommt“, so Secká.

Dabei ist das Endergebnis auf die jeweiligen Geschmäcker abgestimmt, wie die Firmenchefin sagt:

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„Die Kunden in den USA haben etwas andere Vorstellungen als jene in Tschechien. So haben sie sich jetzt Gurken als Christbaumschmuck gewünscht. Die Tschechen wiederum sind zum Beispiel den Schweizern ähnlich, man will am liebsten schön dekorierte Kugeln. Die USA sind da schon anders, so stellen wir auch Kraken für den amerikanischen Markt her.“

Und was gefällt der Firmenchefin am besten? Bei all den Formen und Farben zeigt sie sich selbst eher konservativ…

„Mein Christbaum zu Hause ist im Retro-Stil gehalten. Denn meinem Mann und mir gefällt der klassische Baumschmuck. Es dominieren also die Farben Grün und Rot, wie man das von früher vielleicht von den Großeltern oder Eltern noch kennt.“