Corona-Pandemie: Tschechien auf dem Weg zur Herdenimmunität?

In den vergangenen Tagen hat sich die dritte Corona-Welle in Tschechien deutlich verlangsamt. Auch wenn der Gesundheitsminister nur vorsichtig optimistisch ist, glauben einige der bekanntesten Fachleute hierzulande, dass das Virus auf natürliche Weise immer schwächer wird. So könnte bis Juni bereits der größere Teil der tschechischen Bevölkerung auf die eine oder andere Weise gegen Corona geschützt sein.

Roman Chlíbek | Foto: Radka Šubrtová,  Tschechischer Rundfunk

Es geht um die Herdenimmunität. Tschechien gehört zu den Ländern in der Welt, die die meisten Corona-Fälle in Relation zur Bevölkerungszahl aufweisen. Da auch die Impfkampagne mittlerweile läuft und weiter Fahrt aufnehmen soll, sehen einige Experten ein Licht am Ende des Tunnels. Roman Chlíbek ist Vorsitzender der tschechischen Gesellschaft für Vakzinologie. In den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks erläuterte er das Prinzip der Herdenimmunität:

„Das Virus wird es immer schwerer haben, in der Bevölkerung hierzulande zu zirkulieren, weil es nicht zwischen jenen herumspringen kann, die durch eine Impfung geschützt sind. Und es kann auch nur schwer Menschen befallen, die gerade erst infiziert waren. Das Virus wird also weniger Platz haben, um sich zu verbreiten.“

Foto: Ondřej Hájek,  ČTK

Über 1,5 Millionen Menschen in Tschechien haben bereits mindestens die erste Impfdosis erhalten, das sind etwa 15 Prozent der Bevölkerung. Weitere 1,6 Millionen sind nachweislich mit Corona infiziert gewesen. Hinzu kommt jedoch eine hohe Dunkelziffer nicht nachgewiesener Erkrankungen…

„Für die Berechnung bestehen mathematische Modelle. Eines leitet sich aus dem Anteil der positiven Ergebnisse bei den Tests ab. Mit Sicherheit liegt die tatsächliche Zahl der Infizierten daher um ein Vielfaches höher als die nachgewiesene. Je nach Modell ist sie drei- bis fünfmal so hoch,“ so der Leiter des Instituts für Gesundheitsinformationen und Statistik (ÚZIS), Ladislav Dušek.

Jaroslav Flégr | Foto: Věra Luptáková,  Tschechischer Rundfunk

In Tschechien vermischen sich dabei symptomfreie Fälle und jene, bei denen sich die Infizierten zum Beispiel wegen finanzieller Nachteile nicht haben testen lassen. Gerade die milden Covid-19-Verläufe sorgen aber nicht immer für genügend Antikörper, um nachher auch einen guten Schutz vor einer erneuten Ansteckung zu haben. Der Evolutionsbiologe Jaroslav Flégr von der Prager Karlsuniversität schätzt daher, dass derzeit nur rund 40 Prozent der Menschen in Tschechien eine ausreichende Immunität erlangt haben. Um dem Virus das Handwerk zu legen, bräuchte es den doppelten Anteil. Aber auch schon eine leichte Erhöhung der Zahlen könnte SARS-CoV-2 zumindest abbremsen, meint der Epidemiologe und frühere Gesundheitsminister Roman Prymula:

„Wenn wir bei 50 Prozent der Bevölkerung liegen, wird sich die Ausbreitung der Pandemie verlangsamen. Denn sie kann sich nur noch auf die Hälfte der Einwohnerschaft übertragen und nicht mehr auf die ganze. Dieser Effekt dürfte dann zu spüren sein. Ich denke, dass wir innerhalb von zwei Monaten diese 50 Prozent erreichen können.“

Foto: Josef Vostárek,  ČTK

Das bedeutet aber noch keine Normalität wie zu Zeiten vor der Pandemie. Weiter dürften Masken mindestens in Innenräumen nötig sein sowie Tests und eine verlässliche Kontaktnachverfolgung. Und natürlich impfen, impfen, impfen. Außerdem könnte das Virus so mutieren, dass weder Impfstoffe noch eine überstandene Infektion vor Ansteckung und Erkrankung schützen.

„Bisher zeigt sich, dass die Mutationen die Wirksamkeit der Impfstoffe auf etwa 50 Prozent abschwächen. Deswegen müssen in Zukunft weitere Generationen von Vakzinen entwickelt werden. Es könnte sein, dass der Impfschutz dann wie bei der Grippe regelmäßig erneuert werden sollte“, erläutert Prymula.

Nicht zuletzt schützen weder eine Impfung noch eine vorherige Erkrankung vollkommen vor einer erneuten Ansteckung. Laut den Experten senken sie aber deutlich das Risiko einer schweren Infektion.

Autoren: Till Janzer , Janetta Němcová
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