Das Nationalmuseum überflügelt: Akademie der Wissenschaften feiert 125. Geburtstag

Foto: Martina Schneibergová

Die Akademie der Wissenschaften, sie ist die wichtigste Forschungsinstitution der Tschechischen Republik. Ihre Geschichte kann man derzeit im Prager Nationalmuseum kennenlernen. Am Donnerstag wurde die Ausstellung eröffnet.

Erzherzog Karl Ludwig  (Foto: Martina Schneibergová)
Die Vorgängerin der heutigen Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik wurde 1890 gegründet. Sie hieß damals „Tschechische Akademie des Kaisers Franz Josef für Wissenschaften, gesprochenes Wort und Kunst“. An der ersten feierlichen Tagung der Akademie nahm auch deren Protektor teil, es war Erzherzog Karl Ludwig, der jüngere Bruder von Kaiser Franz Josef. Zum ersten Präsidenten der Gelehrtengesellschaft wurde der namhafte Architekt und Mäzen Josef Hlávka gewählt.

Am 18. Mai 1891 wurde das gerade fertig gestellte Gebäude des Prager Nationalmuseums für die Öffentlichkeit zugänglich. Bereits zuvor war beschlossen worden, die Räumlichkeiten im linken Flügel des Museums der neu errichteten Akademie zur Verfügung zu stellen. Michal Lukeš ist Direktor des Nationalmuseums:

Michal Lukeš  (Foto: Martina Schneibergová)
„Die Partnerschaft zwischen dem Museum und der Akademie bestand nicht nur in der Vermietung der Räumlichkeiten. Es handelte sich um eine enge Verflechtung der beiden Institutionen im Forschungsbereich. Um die Jahrhundertwende stellten sie gemeinsam mit der Karlsuniversität die Hauptstützen der tschechischen Wissenschaft dar. Im 20. Jahrhundert haben sich die Schwerpunkte der Arbeit des Nationalmuseums und der Akademie geändert. Die zuvor kleine Akademie, die unter den Fittichen des Nationalmuseums gearbeitet hatte, wurde zu einer weitaus größeren Institution als das ältere Museum.“

Nobelpreisträger Heyrovský und Seifert

Marek Junek  (Foto: Martina Schneibergová)
Die im Nationalmuseum eröffnete Ausstellung heißt „Wissenschaft, Volk, Geschichte“. Am Eingang ist die Gründungsurkunde der Akademie zu sehen. Die Besucher können sich zudem eine Vorstellung davon machen, wie einst das Präsidium gewählt wurde. In einen großen Becher wurden damals nicht Wahlzettel geworfen, sondern kleine schwarze und weiße Kugeln. Die Ausstellung beschreibt nicht nur die Geschichte der Akademie, sagt Kurator Marek Junek:

„Sie stellt zudem bedeutende Persönlichkeiten und Entdeckungen vor, die mit der Akademie der Wissenschaften verbunden sind. Die Akademie hat einige Male ihren Namen geändert. Ab 1918 hieß sie Tschechische Akademie der Wissenschaften und Künste und ab 1953 Tschechoslowakische Akademie der Wissenschaften. Präsentiert wird nicht nur das wissenschaftliche Werk, sondern auch künstlerische Werke der Akademiemitglieder.“

Foto: Martina Schneibergová
Viel Aufmerksamkeit wird den beiden tschechischen Nobelpreisträgern geschenkt: dem Physikochemiker Jaroslav Heyrovský und dem Dichter Jaroslav Seifert. Der Kurator:

„Im Museum sind die beiden Diplome zu sehen, die zum Nobelpreis gehören. Von Jaroslav Heyrovský ist zudem die Nobelpreis-Medaille ausgestellt. Unter den Exponaten sind auch weitere Gegenstände, wie der Beleg über Heyrovskýs Pariser Ehrendoktortitel.“

Jaroslav Seifert erhielt 1984 den Literaturnobelpreis. Jaroslav Heyrovský wurde 1959 mit dem Nobelpreis für die Entwicklung der Polarographie ausgezeichnet.

Comenius, Dvořák, Expedition zum Mars

Man kann auch die slawischen Sprachen vergleichen  (Foto: Martina Schneibergová)
Im zweiten Teil der Ausstellung ist die Arbeit von 17 Instituten der Akademie der Wissenschaften aus dem Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften dokumentiert. Marek Junek:

„Jedes der Institute präsentiert sich anders. Die Soziologen bieten beispielsweise die Möglichkeit, verschiedene Fragebögen auszufüllen, die zur Analyse des Verhaltens in konkreten Situationen dienen. Das Slawische Institut lässt die Besucher die slawischen Sprachen vergleichen, indem man sich anhören kann, wie konkrete Worte in den unterschiedlichen Idiomen lauten. Dabei kann man testen, in wieweit man beispielsweise Bulgarisch oder Sorbisch verstehen kann. Es gibt eine ganze Reihe von interaktiven Programmen in der Ausstellung.“

Originalhandschrift von Jan Amos Komenský  (Foto: Martina Schneibergová)
Die einzelnen Institute beschreiben zudem ihre Forschungsarbeit. Das Philosophische Institut präsentiert beispielsweise seine Forschungen zu den Werken von Comenius.

„Zu besichtigen gibt es einige Originalhandschriften von Jan Amos Komenský / Comenius. Die Musikwissenschaftler wiederum stellen einen Autograph von Antonín Dvořák aus. Das sind die wertvollsten Exponate, die hier zu sehen sind. Für besonders attraktiv halte ich zudem erstens die 3-D-Projektion eines Neandertalers, des Ötzi, eines Kelten und eines römischen Legionärs. Wer Interesse hat, kann ein Foto von sich mit ihnen machen. Zweitens finde ich das Projekt des Psychologischen Instituts mit dem Titel ‚Mars 500‘ interessant. Die Mitarbeiter des Instituts erforschten im Rahmen eines internationalen Projektes die Auswirkungen eines langen Flugs zum Mars auf die Astronauten.“

Autograph von Antonín Dvořák  (Foto: Martina Schneibergová)
Inmitten des Ausstellungssaals, in dem die Institute vorgestellt werden, befindet sich ein kleines Podium mit einigen Stufen. In den Regalen rund um den Saal stehen viele von den Instituten herausgegebene Bücher. Wer Lust hat, kann sich mit einem der Bücher auch auf die Treppen setzen, sagt der Kurator:

„Oder man kann sich von den Treppen aus die Landkarten anschauen, die an die Wand projiziert werden. Das Historische Institut hat die Entwicklung der Besiedlung Prags in verschiedenen Epochen erforscht. Die Landkarten sind das Resultat der Forschungen. Gleich gegenüber werden wiederum Dokumentarfilme des Ethnographischen Instituts gezeigt.“

Ausstellung „Wissenschaft,  Volk,  Geschichte“  (Foto: Martina Schneibergová)
Die Museumsmitarbeiter haben zudem vor, im Rahmen des Begleitprogramms regelmäßig Diskussionsabende zu organisieren, die immer einem Institut gewidmet sein werden.

Die Ausstellung „Wissenschaft, Volk, Geschichte“ ist im neuen Gebäude des Nationalmuseums installiert, sie läuft bis 10. Januar 2016. Das Museum ist täglich geöffnet, und zwar von 10 bis 18 Uhr. Am jedem ersten Mittwoch im Monat schließt das Museum erst um 20 Uhr.