Das schlechte Blut muss weg.
In Finnland ist unter Heilpraktikern das Schröpfen weit verbreitet. Es wird stets in Verbindung mit einem Saunabesuch angeboten. Noch vor Jahren eher belächelt wird Schröpfen von der Schulmedizin heutzutage in zunehmendem Maße als ergänzende Therapiemethode betrachtet. Stefan Tschirpke besuchte eine aufs Schröpfen spezialisierte Heilpraktikerin in Helsinki:
Stadtteil Kallio in Helsinki, Adresse Harjutorinkatu. Ein bärtiger Mann sitzt vor dem Eingang eines Wohnhauses und genießt die klare Winterluft. Er ist unbekleidet und hat nur ein Badetuch um. Wir befinden uns vor Helsinkis ältester öffentlicher Sauna, der Kotiharjun Sauna, gegründet 1928.
Die Sauna liegt im Erdgeschoss. Darüber ist das Reich der Heilpraktikerin Sanna Ilmarinen. Gerade bereitet sie die Instrumente für das Schröpfen vor. Dutzende glockenförmige Glaskuppeln werden desinfiziert. Auf dem Tisch liegen zwei skalpellartige Messer bereit. Der nächste Kunde ist schon in der Sauna. Saunieren und Schröpfen gehören zusammen.
"Das Saunieren beschleunigt den Blutkreislauf der oberen Gewebeschichten der Haut. Die Haut wird erwärmt. Dadurch spürt der Kunde die winzigen Einschnitte nicht, die ich vor dem Schröpfen vornehme", sagt Sanna Ilmarinen. "Zunächst muss ich die richtigen Punkte auf der Haut finden. Ich taste die Haut nach Verhärtungen ab, suche nach Durchblutungsstörungen im Hautgewebe. Akupunkturpunkte sind auch eine Orientierung."
Sanna Lahtinen kommt erhitzt und gerötet aus der Sauna, zum Schröpfen bereit. Was hat sie hierher geführt?
"Ich hatte Schmerzen im Rückenbereich. Es war wie ein Hexenschuss. Ich wollte keine Schmerztabletten nehmen, also versuchte ich es mit Schröpfen. Und es half."
Die Heilpraktikerin und ihre Kundin ziehen sich in den Raum mit der Liege und den Instrumenten zurück. Das Schröpfen beginnt. Mit dem skalpellartigen Messer wird die Haut an den vorher ermittelten Punkten leicht aufgeritzt. Dann werden die Schröpfgläser auf die winzigen Wunden gesetzt. In den Gläsern bildet sich ein Vakuum, und das Blut tritt aus. 30 Schröpfgläser sind es im Falle von Lahtinen, auf den Schultern und Oberarmen, und beidseitig entlang der Wirbelsäule.
Ilmarinen nennt es das schlechte Blut, Blut mit hohen Schlackeanteilen und Kohlendioxid-Konzentrationen.
"Das Verfahren reinigt und entspannt den Körper. Ich habe viele Kunden, die unter Stress leiden. Leute mit verspannten Schultern, Rückenschmerzen, auch Bluthochdruck und Asthma."
Früher sei die Therapie von der Schulmedizin nicht ernst genommen worden, sagt Ilmarinen. Das habe sich mittlerweile geändert. Nicht nur die Nachfrage habe zugenommen, selbst die öffentliche Gesundheitsfürsorge würde sich dem Schröpfen gegenüber aufgeschlossener zeigen.
"Schulmedizin und Naturheilkunde sollten sich ergänzen, auch weil die öffentliche Gesundheitsfürsorge überlastet ist. Viele kommen auch deshalb zu mir, weil sie vom Arzt in 15 Minuten mit Schmerztabletten abgefertigt wurden."