Der primitive Ausdruck: Tanztherapie in Frankreich

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Die Tanztherapie wurde als psycho- und körpertherapeutisches Verfahren in den vierziger Jahren in den USA entwickelt. An seiner Wirksamkeit wird immer noch gezweifelt. Mittlerweile sprießen entsprechende Ausbildungen und Studiengänge in Frankreich zwar wie Pilze aus dem Boden, dennoch ist der Beruf nicht anerkannt. Nadine Baier über diese immer beliebter werdende Heilmethode:

Ein Schritt nach rechts, einer nach links, einmal im Kreis, Arme nach oben, und die Stimme nicht vergessen. Psychoanalytikerin und Tanztherapeutin France Schott-Billmann erklärt den 20 Teilnehmern in ihrer Tanztherapie-Stunde, wie man Bakterien tänzerisch wegschleudert oder einem Boot in der Ferne zuwinkt. Einfache, primitive Bewegungen wie klatschen, springen, rollen. Myriam Sorignet, die gerade einen Master in Kunsttherapie macht, ist begeistert:

"Wie Kinderspiele, die man aber sonst nicht mehr ausleben kann - hier ist es erlaubt! Wenn man als Außenstehender dazu stößt, dann macht das Angst, wenn man aber erstmal da ist, dann wird man nicht mehr von außen beurteilt. Wir sind alle zusammen hier und kommunizieren mit einfachen Gesten. Das ist so rar heutzutage! Tanztherapie muss jedoch von jemandem unterrichtet werden, der den Körper gut kennt. Und sie kennt ihn gut."

Damit ist Tanztherapeutin France Schott-Billmann gemeint. Seit über 30 Jahren unterrichtet sie diese Form der Tanztherapie, den primitiven Ausdruck. Immer mehr Ausbildungen zum Kunsttherapeuten werden in Frankreich angeboten, neuerdings können Interessierte ihren Master an der Universität Paris 5 in Kunsttherapie machen - ein Diplom für einen Beruf, den es eigentlich gar nicht gibt. France Schott-Billmann:

"Frankreich ist das Land des großen Widerstands gegenüber alternativen Heilmethoden. Der Tanz hat es viel schwieriger, seinen Weg in die Krankenhäuser zu finden, als die Musik, weil der Körper schwerer zu kontrollieren ist. Die primitiven Techniken mit Trommeln haben noch mehr Widerstand ausgelöst. Vor 15 Jahren haben die Psychiater noch gesagt: Um Gottes Willen, nur keine Trommel, sonst rennen die Psychotiker wild durch die Gegend. Und es stimmt, es werden dabei fantastische Energien geweckt. Deshalb ist es unheimlich wichtig, strikte Regeln der Tanztherapie einzuhalten und nicht einfach irgendetwas zu machen. Ich habe in meinen Ausbildungen viele Psychiater und Pfleger, die bereits in Krankenhäusern arbeiten und die Wirksamkeit dieser Methode erkannt haben. Doch den Beruf Tanztherapeut gibt es nicht. Auf dem Lohnzettel steht entweder Tänzer oder Psychologe. Ich versetze mich in die Lage der Regierung und verstehe, dass die Tanztherapie nicht anerkannt ist. Denn mit diesem Wort wird viel Schindluder getrieben. Man kann verstehen, dass man in den Krankenhäusern eher Künstler einsetzt als Kunsttherapeuten."

Der Tanz umfasste für Naturvölker das ganze Leben: Geburt, Tod, Hochzeit, Krankheit, Austreiben böser Geister - es gab kein Ereignis, bei dem nicht getanzt wurde. Viele Psychiater schicken mittlerweile ihre Patienten zu France Schott-Billmann, wenn sie nicht mehr weiter wissen. Einer der Teilnehmer etwa ist seit 15 Jahren HIV-infiziert und davon überzeugt, dass ihn die Tanztherapie am Leben hält.

Die Tanztherapie wird als Gruppentherapiemethode sowie als Einzeltherapie eingesetzt. Veronique macht gerade eine Ausbildung zur Tanztherapeutin und wendet diese Heilform schon länger in ihrer Arbeit als Physiotherapeuten an:

"Momentan arbeite ich mit alten Menschen, die an Alzheimer erkrankt sind. Sie verlieren das Zeitgefühl, kennen ihren Vornamen nicht mehr, können nicht mehr sprechen. Seit sechs Monaten arbeite ich mit Rhythmen, wende also den primitiven Ausdruck an, und ich kann feststellen, dass die Bewegungen wiederkommen. Manche können gar nicht mehr laufen. Ich arbeite mit Rhythmen und Vornamen, mit allem, was mit Koordinierung zu tun hat. Und es ist unglaublich: Sobald sie mich sehen, fangen sie an, den Rhythmus mit ihren Beinen zu klopfen."