Das Schloss mit drei Türmen: Mníšek pod Brdy
Das mittelböhmische Städtchen Mníšek pod Brdy liegt etwa 30 Kilometer vom Prager Stadtzentrum entfernt. Das Städtchen mit 4.500 Einwohnern ist ein beliebter Ausgangspunkt für Wanderungen durch die bewaldete Landschaft von Brdy. Die Dominante der Stadt ist das klassizistische Schloss, das inmitten eines Parks unweit des Marktplatzes steht. Während des Kommunismus ist der Großteil des Schlossmobiliars geplündert worden. Den einstigen Adelssitz nutzte damals das Innenministerium vor allem für die Aufbewahrung von Archivmaterialien. Erst im Jahr 2000 begann man allmählich, das Schloss in Stand zu setzen und es nach historischen Dokumenten wieder einzurichten. Das staatliche Denkmalschutzamt öffnete das Areal für die Öffentlichkeit und die Besucher können sich nun eine Vorstellung vom Leben des Adels am Anfang des 20. Jahrhunderts machen.
„Er stammte nicht aus einer Adelsfamilie. Servatius war Gerber von Beruf und übersiedelte mit seiner Familie aus Flandern nach Böhmen. Auf der Prager Kleinseite errichtete er eine Werkstatt für Lederverarbeitung. Servatius war ein tüchtiger Unternehmer: Während des Dreißigjährigen Kriegs war er der einzige Lieferant von Fußsohlenleder. Dabei belieferte er alle kriegsführenden Parteien und ist aufgrund dessen sehr reich geworden. Zudem beteiligte er sich an der Verteidigung der Prager Karlsbrücke und wurde für seine Verdienste in den Adeligenstand erhoben. Als Adeliger suchte er in der Umgebung von Prag nach einem Ort, wo er sich einen repräsentativen Adelssitz bauen könnte. Für 55.000 Gulden kaufte er das ausgeplünderte Mníšek und ließ dort eine neue Residenz erbauen. Der Bau des geräumigen Barockschlosses dauerte damals zwölf Jahre lang. Er wollte wahrscheinlich die anderen Adeligen nicht mit vier Türmen provozieren, weil er auch weiterhin Leder verkaufen wollte.“
Servatius Engel von Engelsfluss war sehr praktisch und verließ sich nur auf sich selbst. Um den Verlauf der Bauarbeiten persönlich beobachten zu können, ließ er gleich ein Haus in Mníšek bauen. Dort lebte er mit seiner Familie, bevor das Schloss fertig gestellt war. Es ist das älteste Haus auf dem Markplatz, das so genannte „Haus zum verlorenen Sohn“. Heute befindet sich dort ein Restaurant. Das Schloss wechselte in den folgenden Jahrhunderten noch einige Mal den Besitzer. Anfang des 20. Jahrhunderts erbte Theodorich Freiherr Kast von Ebelsberg das Schloss. Der Familie Kast gehörte Mníšek bis 1945.Bei der Führung durch das Schloss werden zuerst elf historische Repräsentationsräume gezeigt, in denen das Leben des niedrigeren Adels dokumentiert wird. Besichtigen kann man auch die Privaträume der Familie Kast. Dort lassen sich beispielsweise Kinder-, Schlaf- oder auch Badezimmer bewundern – und zwar so, wie sie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ausgesehen haben. Von der Treppenhalle, in der Harnische aus dem Dreißigjährigen Krieg ausgestellt sind, geht es in den ersten der Repräsentationsräume des Schlosses. Von den Originalmöbeln aus Mníšek ist im so genannten „winterlichen Speisesaal“ nur ein eingebauter Schrank aus dem 18. Jahrhundert erhalten geblieben. Růžena Langerová:
„An dem Schrank ist interessant, dass in seiner hinteren Wand ein Loch ist. Dort beginnt ein Schacht, der bis in den Keller reicht. Wir wissen eigentlich nicht genau, wozu dieser Schacht diente. Die Denkmalschützer meinen, dass durch den Schacht Wein aus den Kellern in den Speisesaal transportiert wurde.“Der Raum wird heutzutage von der Stadt Mníšek als Trausaal genutzt. Er mündet in einen der drei Schlosstürme, in dem eine Kapelle eingerichtet ist, die dem heiligen Servatius geweiht ist. Das Altarbild mit dem Heiligen ist ein Werk des berühmten tschechischen Barockmalers Karel Škréta. Die Einrichtung der Kapelle, zu der auch geschnitzte Bänke aus der Barockzeit gehören, ist erstaunlicherweise erhalten geblieben, erzählt die Touristenführerin:
„Es ist interessant, dass von den Gegenständen aus der Kapelle nichts verloren gegangen ist, auch wenn nach 1945 das Mobiliar des Schlosses gestohlen wurde. Ich meine, dass die Leute damals doch noch religiös veranlagt waren. Denn die Gegenstände aus der Kapelle wurden die ganzen Jahre lang in der hiesigen Pfarrkirche aufbewahrt. Nach der gründlichen Instandsetzung des Schlosses konnte die Kapelle mit den Originalgegenständen und Kunstwerken wieder eingerichtet werden.“Der Wintersalon reichte nicht aus, wenn mehrere Gäste zu Besuch nach Mníšek kamen. In dem Fall wurde das Essen im so genannten „festlichen Speisesaal“ serviert. Große Portraits der Grafen Pachta von Rájov / Rayhofen, an die das Schloss im 18. Jahrhundert überging, schmücken die Wände des prunkvollen Saals.
„Die Grafen Pachta waren große Musikliebhaber. Auf ihre Einladung hin ist auch Wolfgang Amadeus Mozart nach Prag gekommen. Der größte Musikkenner war Johann Joseph Pachta. Er suchte seine Kammerdiener und anderen Angestellte danach aus, in wieweit sie ein Musikinstrument beherrschten. Daher konnte er dann aus seinen Angestellten ein Orchester zusammenstellen und mit ihnen musizieren.“An die Musikinteressen der Familie Pachta erinnert ein historisches Klavier. Das Musikinstrument wurde von der Wiener Firma Joseph Schneidersamt gebaut. In den auf dem Klavier aufgeschlagenen Noten findet man die Unterschrift von Llewelyn Kast, Freiherr von Ebelsberg, einem der letzten Schlossbesitzer. Mehr über die Familie Kast und ihr Leben auf dem Schloss Mníšek bringen wir in der nächsten Ausgabe von „Reiseland Tschechien“, in der wir die Führung durch die Repräsentations- sowie die Privaträume der Schlossherren fortsetzen werden.
Mehr über die Öffnungszeiten des Schlosses erfahren Sie unter www.zamek-mnisek.cz.