Das unabhängige Dorf: Knezice bezieht den Strom aus erneuerbaren Energien

Ohne Strom läuft nichts und der Strom aus den tschechischen Steckdosen kommt immer noch zum größten Teil vom Multikonzern CEZ. Dass es auch anders geht, zeigt ein kleines Dorf in Mittelböhmen. Die Gemeinde Knezice möchte unabhängig sein und stellt zu 100 Prozent auf erneuerbare Energien um. Annette Kraus ist nach Knezice gefahren und hat sich umgesehen.

Die Fahrt von Prag nach Knezice in Mittelböhmen dauert mit dem Zug eineinhalb Stunden - und auf den ersten Blick scheint es in diesem 500-Einwohner-Dorf nichts außergewöhnliches zu geben, was die Reise rechtfertigt. Zwei Hauptstraßen führen durch die Ortschaft, aber großer Verkehr herrscht auch während der Woche nicht. Das einzige, was die schon fast unwirkliche Ruhe stört, sind die Hunde, die einem aus jedem Vorgarten entgegenkläffen. Dabei hat ausgerechnet dieser verschlafene Ort etwas Revolutionäres zu bieten. Knezice möchte zu 100 Prozent auf erneuerbare Energien umsteigen und nennt sich "Energieunabhängige Gemeinde" - unabhängig vor allem vom Strom des tschechischen Energieriesen CEZ. Biomasse und Biogas heißen die neuen Energielieferanten von Knezice. Wie dieses ehrgeizige Vorhaben entstand und was sich dahinter genau verbirgt, erklärt der Bürgermeister von Knezice, Milan Kazda:

"Mit dem Projekt haben wir im Oktober 2005 begonnen und als erstes wurde im Juni 2006 die Biogasanlage provisorisch in Betrieb genommen. Die Heizanlage ging dann im November 2006 in Betrieb."

Genau im Jahr 2005 hat der Gesetzgeber in Tschechien neue Investitionsanreize geschaffen, um die erneuerbaren Energien zu stärken. Nach Willen der EU-Kommission soll der Anteil in Tschechien von derzeit 4,5 Prozent auf 8 Prozent im Jahr 2010 steigen. Die beiden High-Tech-Anlagen von Knezice liegen am nördlichen Ende des Ortes, und Milan Kazda zeigt mir zunächst die Verbrennungsanlage für Biomasse. Sie befindet sich in einem silbrig-glänzenden Gebäudekomplex aus Aluminium; und schon von draußen hört man die Maschinen röhren. Kazda erklärt, was den ganzen Lärm hier eigentlich verursacht:

"Hier ist der Kessel für Hackschnitzel, und dort haben wir einen zweiten Kessel für Stroh. Dann haben wir hier die Pumpen, welche die Gemeinde mit warmem Wasser versorgen. Ein Kessel ist momentan außer Betrieb, der sollte zwar heute repariert werden, aber das wird dann demnächst erledigt. Hoffentlich wird nächstes Jahr alles funktionieren, so dass alle zufrieden sind. Dieses Jahr war es nicht so kalt, dass es uns nicht so sehr gestört hat, wenn einer der Kessel hie und da streikte. Ich möchte, dass nächsten Winter alles in Ordnung ist."

Der große Pluspunkt der Biomasseheizung ist ihre Umweltverträglichkeit: Beim Verbrennen entsteht nur so viel Kohlendioxid wie beim Erzeugen aufgenommen wird. Das heißt, die CO²-Bilanz fällt neutral aus. Das Warmwasser für die Gemeinde ist sozusagen ein Nebenprodukt der schadstoffarmen Verbrennung. Ein weiterer Vorteil: Ein Großteil der Brennstoffe kommt von ortsansässigen Landwirten oder aus der Umgebung.

Im zweiten Teil der Anlage wird Biogas produziert. Bioabfall, Gülle und Klärschlamm werden dort in einem luftdichten Raum fermentiert. Am Ende des Gärungsprozesses entsteht das hauptsächlich aus Methan bestehende Biogas, das nach einer Reihe von chemischen Prozessen einen Generator antreibt und Strom erzeugt. Bisher sind in Knezice 94 Prozent der Bewohner an das Blockheizkraftwerk angeschlossen, und bald sollen es alle sein. Aber Bürgermeister Kazda ist sich bewusst, dass es noch viel zu tun gibt:

"Diese Technologie ist im Grunde genommen neu, so dass es heute noch einige Probleme gibt, die wir beseitigen müssen. Ohne Störungen läuft bereits die Hackschnitzelanlage, und auf einem guten Niveau befindet sich auch die Kraftwärmekopplung. Wir hatten aber Probleme mit Schwefel und mussten ein Entschwefelungssystem finden. Dieser Schwefel ist sehr aggressiv und hat den Wärmeaustauscher beschädigt, so dass die Leistung momentan nur halb so hoch wie geplant ist. Wir haben nun eine Testanlage für die Entschwefelung und wenn es keine Schwierigkeiten gibt, werden wir sie bald einsetzen. Momentan läuft der Motor auf 200 Kilowatt, und wenn es funktioniert, wird er wieder auf 450 Kilowatt laufen."

Ob 200 oder 450 Kilowatt; in Knezice hat modernste Technologie Einzug gehalten. Ingenieure und Chemiker von der Betreiberfirma Skanska müssen sich häufig auf den Weg von Prag nach Knezice machen. Wie konnte und kann sich die kleine Gemeinde ihre energetische Unabhängigkeit überhaupt finanzieren? Sogar Pavel Blaha, Ingenieur von Skanska und regelmäßiger Gast in Knezice, war anfangs skeptisch und hatte seine Zweifel, ob sich das Ganze rentieren würde.

"Es kostet sehr viel Geld 150 Häuser in diesem Dorf mit einer Fernheizung zu beheizen. Als wir begonnen haben, dachte ich, dass es nicht richtig sei, so viel zu investieren. Schließlich könnten wir für dieses Geld auch die ganzen Häuser abreißen und dafür neue Häuser mit Niedrigenergieheizung bauen; also Passivhäuser, die man gar nicht beheizen müsste."

Knezice wurde nicht abgerissen und inzwischen ist Blaha von dem Projekt überzeugt, obwohl es stolze 116 Millionen Kronen gekostet hat - also mehr als vier Millionen Euro. Den größten Anteil davon finanzierte mit 85 Prozent die Europäische Union, weitere 10 Prozent kamen vom tschechischen Umweltfonds und den Rest musste die Gemeinde selbst aufbringen. Milan Kazda gibt zu, dass die Finanzierung des Komplexes nach wie vor ein ständiges Problem ist. Auch ganz profane Auswirkungen müssen bedacht werden: Die Schwefelverbindungen im Biogas sind eine Geruchsbelästigung für die Anwohner, und da Knezice klein ist, betrifft dieser Nachteil alle 500 Bürger des Ortes. Die Lösung des Problems ist wiederum eine Finanzfrage. Widerstände gilt es immer zu bewältigen, und ganz abgesehen vom Gestank gibt es natürlich ohnehin skeptische Stimmen in der Gemeinde. 94 Prozent sind schon ans Netz angeschlossen und haben ein Wärmeaustauschgerät für die Fernwärme im Haus. Die Rentnerin Jaroslava Skvorova gehört zu den restlichen sechs Prozent:

"Wenn man alle Fehler beseitigt, wird es besser werden - bislang ist es noch nicht in Ordnung. Die Heizanlage sollte schon im Oktober fertig sein, und in den Zeitungen und am Fernsehen heißt es, wie hervorragend das doch alles sei, dabei stimmt es einfach nicht. Bei mir zuhause wurde noch nichts eingerichtet, man hat noch nicht einmal damit begonnen. Aber mit der Zeit wird das hoffentlich besser werden."

Vorsichtiger Optimismus also. Das sich die Dinge nicht von heute auf morgen ändern, ist den Menschen in diesem Landstrich ohnehin klar. Manche Haushalte in der Region Mezilesi nordöstlich von Prag wurden nie ans reguläre Gasnetz und die Abwasserkanalisation angeschlossen. Und nun hat Knezice sogar eine gewisse Vorreiterrolle inne. Biomasseanlagen haben auch andere kleinere Ortschaften in Tschechien, aber von einem weiteren derartig großen Biogaskomplex, der allein von einer Gemeinde betrieben wird, weiß Milan Kazda nichts. Und wie geht es weiter in Knezice?

"Natürlich sind wir optimistisch, andernfalls würden wir das gar nicht machen. Es ist uns klar, dass jetzt eine Menge Journalisten vor der Tür stehen; und eben auch andere interessierte Gemeinden und Unternehmer. Jeder möchte wissen, wie das aussieht und wie das Ganze funktioniert, denn es gibt verhältnismäßig viele Leute, die an ähnlichen Projekten arbeiten. Ich glaube daran, dass gerade auch unser Projekt dazu beiträgt, dass weitere entstehen."

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Autor: Annette Kraus
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