Der Freibrief für Babiš
Staatspräsident Zeman fordert von Wahlsieger Babiš keinen Nachweis von 101 loyalen Abgeordneten.
„Ich bin sehr froh, den ersten Schritt zu machen zur Bildung einer stabilen, erfolgreichen und langlebigen Regierung der Tschechischen Republik.“
Der Auftrag zur Regierungsbildung ist in der tschechischen Verfassung allerdings gar nicht vorgesehen. Václav Havel als Staatspräsident hat ihn eingeführt, und seine Nachfolger haben dies übernommen. Die Verfassung schreibt erst die nächsten Schritte vor: So ernennt der Präsident den Premier. Und dieser muss innerhalb von 30 Tagen vor das Abgeordnetenhaus treten und um das Vertrauen für sich und seine Regierung ersuchen.
Da diese beiden Schritte andersherum ablaufen als etwa in Deutschland, haben alle tschechischen Staatsoberhäupter, auch Miloš Zeman, bisher eine Sicherheit eingefordert. Und das sind mindestens 101 Unterschriften von Abgeordneten, die die jeweilige Regierung unterstützen wollen.Babiš plant nun eine Minderheitsregierung. Aber Zeman wird von vornherein auf die 101 Unterschriften verzichten:
„Ich habe mich entschieden, dass ich Andrej Babiš keine solche Beschränkung auferlegen werde.“
Bisher lehnen alle anderen Parteien jedoch den Ano-Chef als Premier ab. Möglich wäre also, dass die Regierung des Milliardärs im Abgeordnetenhaus mit der Vertrauensfrage scheitert. Für diesen Fall will Zeman aber Babis auch noch einen weiteren Versuch zubilligen, wie er bereits am Montag in einem Gespräch für den Tschechischen Rundfunk gesagt hat. Zusammengenommen klingt das wie ein Freibrief.
Zur Begründung verwies Zeman vor allem darauf, dass Babiš mit großem Abstand vor den anderen Mitbewerbern die Wahl gewonnen hat. Die Partei Ano holte knapp 30 Prozent der Stimmen, die zweitplatzierten Bürgerdemokraten erreichten indes nur etwas mehr als elf Prozent. Als weitere Gründe führte Zeman an, Babiš habe als Unternehmer, Parteigründer und Finanzminister großen Erfolg gehabt.Der mit der Regierungszusammenstellung Beauftragte selbst sagte am Dienstag, er werde aber weiter für eine Unterstützung seiner Minderheitsregierung werben:
„Ich denke, Ano hat ein sehr konkretes Programm, das sich mit den Programmen anderer Parteien zum Teil deckt. Außerdem will ich ein Kabinett vorschlagen, das nicht nur aus Politikern, sondern auch aus Experten besteht.“Bevor Babiš um das Vertrauen der Parlamentarier bitten kann, muss sich jedoch das neue Abgeordnetenhaus konstituieren. Das soll am 20. November geschehen. Am Dienstag rief der Vorsitzende der konservativen Top 09, Miroslav Kalousek, die übrigen Parlamentsparteien zu einer Blockade der konstituierenden Sitzung auf. Diese reagierten jedoch ablehnend, konkret die Piratenpartei, die rechtsradikale SPD, die Sozialdemokraten, aber auch die konservativen Bürgerdemokraten (ODS). Deren Abgeordnete Miroslava Nemcova ist stellvertretende Vorsitzende des Abgeordnetenhauses:
„Auf der einen Seite kann ich Herrn Kalousek verstehen. Wenn Staatspräsident Zeman die Verfassung schon ziemlich stark strapaziert, dann ist das seine pointierte Antwort. Auf der anderen Seite befürchte ich aber, dass dies die Lage weiter zuspitzt – dabei stehen wir am Jahresende und haben den Staatshaushalt noch nicht verabschiedet.“