Ein Premier, der nie Politiker sein wollte
Am Mittwoch wurde Andrej Babiš zum Premier ernannt. Was ist von seiner Regierung zu erwarten?
Die 14 weiteren Mitglieder seines Kabinetts aus Ano-Politkern und parteilosen Experten, sollen gut eine Woche später ihre Ministerurkunden erhalten. Die obligatorische Vertrauensfrage im Abgeordnetenhaus soll dann im Januar folgen.
Wie er Andrej Babiš kenne, und das sei lange genug, wird die neue Regierung top sein. So der alte und neue Umweltminister Richard Brabec bei einer der letzten Sitzungen des Kabinetts Sobotka. Einfach wird das jedoch nicht – Andrej Babiš will nämlich mit einem Minderheitskabinett regieren, mit jeweils wechselnden Mehrheiten. Bisher haben jedoch nur die Kommunisten angedeutet, die Regierung tolerieren zu wollen. Das reicht nicht für stabile Entscheidungen, und die Gräben zwischen dem Milliardär und den Kommunisten sind teilweise tief.Kompromissbereitschaft wollte Babiš schon bei der Regierungsbildung zeigen. Neun Minister sollen nämlich nicht aus den Reihen der Partei Ano kommen, sondern parteilose Experten sein. Von den bisherigen Ano-Ministern bleibt dabei der Großteil auf ihren Posten, nur Finanzminister Ivan Pilný scheidet auf eigenen Wunsch aus und Martin Stropnický wechselt von der Verteidigung ins Außenamt. Auf seinen Posten rückt die jetzige Ministerin für Regionalentwicklung, Karla Šlechtová, nach.
Doch was ist von der neuen tschechischen Regierung zu erwarten? Eine erste Kostprobe gab es Anfang der Woche, da traten die designierten Minister das erste Mal zusammen. Man wollte Prioritäten ausloten, hieß es nach dem Treffen. Bald solle auch ein konkretes Programm vorliegen. Dominantes Thema ist derzeit ohnehin der Staatshaushalt, der in den kommenden Tagen durchs Parlament muss.Überraschend klar waren hingegen die Positionen der neuen Regierung zur EU und zur Außenpolitik allgemein. Immerhin führt die erste Dienstreise als Premier Andrej Babiš kommende Woche zum EU-Gipfel nach Brüssel. Und schon jetzt stellt der frischgebackene Regierungschef Forderungen an seine europäischen Partner:
„Wenn wir über eine mögliche Reform der EU sprechen, dann ist vor allem eine Reform der europäischen Migrationspolitik wichtig. Ich denke, dass Tschechien gerade da aktiv sein muss und Lösungen anbieten sollte. Vor allem, wie die Migrationskrise außerhalb Europas gelöst werden könnte.“
Zur Nato gab es von der designierten Verteidigungsministerin Karla Slechtová ein klares Bekenntnis. Vor allem bei Auslandseinsätzen will man sich noch stärker engagieren:
„Auslandseinsätze sind meiner Meinung nach eine gute Sache. Tschechien kann sich so einen guten Namen machen bei den Partnern. Außerdem können wir so auch aktiv etwas in der Flüchtlingskrise machen. In der Regel wird aber gerade das von der Europäischen Kommission nicht sonderlich gewürdigt.“Andrej Babiš wurde 1954 in Bratislava geboren. Vor der Wende war er Diplomat unter anderem in Paris und Genf, später Wirtschaftsvertreter in Marokko. Nach der Wende von 1989 stieg Babiš ins Agrargeschäft ein und baute mit Agrofert ein Landwirtschaftsimperium auf. Als frustrierter Bürgerdemokrat gründete er 2011 die Partei Ano, die bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus 2013 auf Anhieb zweitstärkste Kraft hinter den Sozialdemokraten wurde. Die Wahlen 2017 konnte Ano schließlich überzeugend gewinnen.
Zwar ist Babiš mit der Devise angetreten, die sogenannte Korruptions-Hydra in Tschechien bekämpfen zu wollen. Gegen ihn selbst stehen jedoch ebenfalls schwere Vorwürfe im Raum – von seiner mutmaßlichen Stasi-Vergangenheit bis hin zu angeblichen Betrügereien mit EU-Fördergeldern in der Causa Storchennest.