Regierungsbildung: Babiš bringt ODS ins Spiel und sorgt für Verwirrung

Andrej Babiš (Foto: ČTK)

Ähnlich wie in Berlin laufen auch in Prag die bisher längsten Verhandlungen zur Bildung einer neuen Regierung. Im Gegensatz zu Deutschland wurde in Tschechien noch keine Einigung erzielt. Erst am Sonntag brachte Premier Babiš mit den Bürgerdemokraten vielmehr eine neue Variante ins Spiel.

Andrej Babiš  (Foto: ČTK)
Am Freitag musste sich die geschäftsführende Regierung von Andrej Babiš viel Kritik anhören. Im Abgeordnetenhaus wurde darüber debattiert, dass ein „Kabinett auf Abruf“ nicht dieselben Kompetenzen haben sollte wie eine Regierung mit Vertrauenszuspruch. Ano-Parteichef Babiš, der mit seiner Minderheitsregierung im Januar kein Vertrauen erhalten hatte, reagierte prompt:

„Für uns ist dies das klare Signal, die Verhandlungen zur Regierungsbildung zu beschleunigen“, sagte Babiš vor Journalisten.

Diese Verhandlungen hat Babišs Ano bisher mit drei Parteien geführt: mit den Kommunisten (KSČM), mit der Partei „Freiheit und direkte Demokratie“ (SPD), und seit neuestem auch mit den Sozialdemokraten (ČSSD). Wie erwartet gestaltet sich die Annäherung mit den Sozialdemokraten am schwierigsten, bestätigte Ano-Fraktionschef Jaroslav Faltynek indirekt im Tschechischen Fernsehen:

„Die Debatten verlaufen parallel zueinander. Das ist logisch, denn mit der Partei ‚Freiheit und direkte Demokratie‘ und den Kommunisten haben wir keine grundlegenden Differenzen mehr.“

Jiří Zimola  (Foto: Filip Jandourek,  ČRo)
Das kann man über das Verhältnis zwischen Ano und Sozialdemokraten jedoch nicht behaupten. Vor allem bei Steuerfragen liegt man noch weit auseinander. Ein weiterer Kritikpunkt der Sozialdemokraten war stets die Beteiligung von Andrej Babiš selbst an der Regierung, weil gegen den Ano-Parteichef derzeit polizeilich ermittelt wird. Doch für dieses Problem scheinen die Sozialdemokraten mittlerweile so etwas wie einen Kompromiss gefunden zu haben. ČSSD-Parteivize Jiří Zimola erläutert:

„Von unserer Mitgliederbasis kam ein Vorschlag dazu, wie man vorgehen könnte. Falls gegen eines der Regierungsmitglieder strafrechtlich ermittelt wird, sollten wir nach dem Ministerium greifen, durch welches unter Umständen ausgeschlossen wird, dass die betreffende Person die Ermittlungen beeinflusst.“

Auf Nachfrage bestätigte Zimola, dass die Sozialdemokraten ganz eindeutig am Innenministerium interessiert sind. Ist das ein Hindernis? Oder sieht die Ano-Partei mittlerweile auch in anderen Punkten keine Schnittmenge für eine mögliche Koalition mit den Sozialdemokraten unter Duldung der Kommunisten? Andrej Babiš brachte jedenfalls am Sonntag im Fernsehen auf einmal auch wieder die Bürgerdemokraten (ODS) ins Spiel:

„Wir werden der ODS wohl ein Angebot machen zur Regierungsbeteiligung einschließlich eines gemeinsamen Programms. Ich muss mich aber noch mit meinen Kollegen beraten, denn ich entscheide das nicht allein.“

Miloš Vystrčil  (Foto: Archiv des Senats des Parlaments der Tschechischen Republik)
Mit dieser Aussage aber hat Babiš für Wirbel und Ernüchterung zugleich gesorgt. Denn von Sozialdemokraten-Chef Jan Hamáček war zu hören, dass seine Partei die Verhandlungen sofort einstelle, wenn Babiš nun mit den Bürgerdemokraten eine konservative Politik vorantreiben wolle. Aber selbst die Bürgerdemokraten zeigten wenig Begeisterung. ODS-Vize Miloš Vystrčil:

„Wir werden nicht an Verhandlungen zur Regierungsbildung teilnehmen, weder mit noch ohne Babiš. Zum einen, weil wir programmatische Differenzen haben, und zum anderen, weil Andrej Babiš keine vertrauenswürdige Person ist. Er befindet sich in einem Interessenskonflikt, und gegen ihn wird ermittelt.“

Nach den Vorstellungen von Präsident Miloš Zeman und Ano-Parteichef Babiš sollte die neue Regierung bis Ende des Monats stehen. Es ist aber durchaus möglich, dass Tschechien den deutschen Verhandlungsmarathon noch überbietet.