Deutsch-tschechisches Rettungsdienstabkommen soll rasch in der Praxis greifen
Die Tschechische Republik und die Bundesrepublik Deutschland haben eine 810 Kilometer lange gemeinsame Grenze. Seit dem Schengen-Beitritt Tschechiens im Jahr 2007 ist sie zwar kein Hindernis mehr, doch diesseits und jenseits der Grenze ist der Alltag unterschiedlich organisiert. Ein Rahmenabkommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Rettungsdienst, das beide Länder Anfang April geschlossen haben, soll helfen, im Grenzgebiet ein wenig mehr Normalität zu schaffen.
„Das ist ein guter Tag für die Menschen auf beiden Seiten der Grenze. Deutschland und Tschechien wachsen noch einmal enger zusammen, die Grenzen fallen nicht nur formal, sondern auch im Alltag. Den Menschen wird die Sicherheit gegeben: Wenn ihnen etwas passiert, wird von deutscher und tschechischer Seite das Bestmögliche getan, um ihnen zu helfen.“
Tschechiens Gesundheitsminister Leoš Heger verwies in seinen Ausführungen unter anderem darauf, dass neben den Freistaaten Bayern und Sachsen gleich fünf tschechische Kreise in dieses Abkommen involviert sind. Es sind die Kreise Liberec / Reichenberg, Ústí nad Labem /Aussig, Karlovy Vary / Karlsbad, Plzeň / Pilsen und Südböhmen. Der Kreis Pilsen pflegt dabei schon eine längere Zusammenarbeit mit der Region Oberpfalz, was auch Václav Šimánek, Vertreter des Pilsener Rettungsdienstes, bestätigt:
„Wir arbeiten mit der bayerischen Seite eng zusammen. Konkret führen wir eine Reihe von Seminaren auf beiden Seiten der Grenze durch. Sie dienen zur Vorbereitung für die Umsetzung des Rahmenvertrages.“
Die bayerische Staatsministerin für Bundes- und Europangelegenheiten, Emilia Müller, weiß über einige konkrete Beispiele der Zusammenarbeit zu berichten:
„Der Kreis Pilsen und der Bezirk Oberpfalz arbeiten intensiv zusammen. Im Besonderen gilt das für die Zusammenarbeit der Integrierten Rettungsleitstelle in Weiden mit ihrem tschechischen Partner. Und wie gut diese Kooperation funktioniert, belegt das vom Pilsener Vertreter genannte Beispiel. Danach sind bereits je 20 betroffene Unfallopfer bei uns in Bayern sowie in Tschechien versorgt worden. Ich finde, das ist eine gute Ausgangsbasis, das können wir aber noch verbessern.“Um diese Verbesserung möglichst bald zu erreichen, sollen nun zügig weitere Schritte folgen. Ein solcher Schritt steht schon an diesem Donnerstag ins Haus, informierte die bayerische Staatsministerin:
„Am 18. April findet in Zwiesel eine Zusammenkunft der tschechischen und der bayerischen Rettungsdienstorganisationen statt. Dort wird man unter anderem darüber diskutieren, wie eine gemeinsame Karte des Rettungsdienst-Verbundes zu beiden Seiten der Grenze ausschauen kann. In dieser Karte sollten sowohl die Standorte der jeweiligen Integrierten Leitstellen eingezeichnet sein, genauso wie die Kliniken und Fahrtwege. Nur so wird die wichtige Voraussetzung geschaffen, dass Rettungsdienste funktionieren können.“
Wie ein solcher Rettungsdienst mit hohem Standard in der Praxis funktioniert, wurde den Vertretern beider Regierungsdelegationen und den mitgereisten Journalisten vor zwei Wochen anschaulich demonstriert. Nach der Unterzeichnung des Rahmenvertrags in Pilsen ging es zur Integrierten Leitstelle Nordoberpfalz in Weiden. Sie wird vom dortigen Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung betrieben. Der Geschäftsleiter des Zweckverbands ist Alfred Rast:
„Für uns bedeutet das, dass wir jetzt Einsatzkräfte zu beiden Seiten der Grenze zu einem Notfall entsenden können.“
Zu beiden Seiten der Grenze heißt für Rast aber ebenso, dass nun auch die Zusammenarbeit mit den tschechischen Kollegen in Pilsen auf eine neue Stufe gestellt wird:
„Wir arbeiten schon lange Jahre mit den Kollegen in Pilsen zusammen. Dabei haben wir uns auch schon gegenseitig ausgeholfen, ohne dafür allerdings eine Rechtsgrundlage zu haben. Jetzt ist rechtlich alles einwandfrei, das heißt, wenn die deutschen oder tschechischen Rettungskräfte auf der jeweils anderen Seite der Grenze im Einsatz sind, müssen sie sich rein rechtlich keine Gedanken mehr machen. In der Praxis hat das bisher sowieso schon funktioniert.“Laut Rast waren die Rettungsfahrzeuge seiner Leitstelle in der Vergangenheit schon 168 Mal in Tschechien im Einsatz. Eine hohe Zahl, die vor allem auf den starken Besuch einer attraktiven Kurbadregion in Nordwestböhmen zurückzuführen sei:
„Diese 168 Einsätze beziehen sich auf deutsche Staatsbürger, die sich im böhmischen Drei-Bäder-Eck aufgehalten haben. Nachdem sie dort verunfallt beziehungsweise erkrankt sind, wollten sie natürlich gern von einen deutschen Rettungsdienst transportiert und in eine deutsche Klinik gebracht werden.“
Die deutschen Kurgäste im Drei-Bäder-Eck wissen sich in der Mehrzahl bei Unfällen oder akuten Erkrankungen auch schnell zu helfen, bestätigt Rast:
„Die meisten rufen gleich die Leitstelle in Weiden an, weil ihnen die Hilfe in der Muttersprache gut vertraut ist. Wir haben indes mit den tschechischen Partnern ausgemacht, dass immer die Leitstelle des zuständigen Bereichs angerufen werden soll, und wir uns dann mit einem so genannten Nothilfe-Fax gegenseitig verständigen. Wir entscheiden dann, ob ein deutscher oder tschechischer Rettungsdienst zu dem Notfall fährt.“
Allerdings muss Rast auch eingestehen, dass es über das Nothilfe-Fax hinaus immer noch relativ große Sprachprobleme gibt:„In dem Fax werden bestimmte Begriffe angekreuzt. Das Hauptproblem dürfte natürlich immer noch die Sprache sein. Die Tschechen können besser Deutsch als wir Tschechisch.“
Durch den Besuch von Sprachkursen, die vom Bundesgesundheitsministerium angeboten werden, werden er und seine Kollegen ihre Tschechischkenntnisse nach und nach verbessern, hofft Rast. Dennoch gibt er zu, dass dies alles andere als leicht sei. Im Gegensatz dazu aber weiß Rast schon ziemlich konkret, wie man den Einsatz der Rettungsfahrzeuge in Zukunft noch optimaler organisieren könnte:
„Das könnte in Zukunft so aussehen, dass die jeweilige Rettungsleitstelle das Fahrzeug alarmiert beziehungsweise über die andere Leitstelle alarmieren lässt. Laut dem neuen Vertrag soll jeder Bürger eines Staates, der Hilfe braucht, in sein Heimatkrankenhaus gebracht werden. Aber nur dann, wenn es medizinisch vertretbar ist.“
Angesichts dieser Aussichten scheinen die Wünsche der bayerischen Staatsministerin nach der Vertragsunterzeichnung schon bald Realität zu werden:
„Ich glaube, wir haben heute auch den nötigen Schritt getan, um grenzüberschreitend die Normalität herzustellen, die wir uns seit vielen Jahren wünschen.“