Eine Kooperation mit Modellcharakter: Azubis aus Bayern gehen für Pflege-Ausbildung nach Domažlice
Angehende Pflegefachkräfte aus dem bayerischen Bad Kötzting können einen Teil ihrer praktischen Ausbildung ab sofort im tschechischen Domažlice / Taus absolvieren. Über die grenzüberschreitende Kooperation wurde in der vergangenen Woche ein bilaterales Abkommen unterzeichnet.
Auszubildende der Berufsfachschule für Pflege und Altenhilfe in Bad Kötzting können einen Teil ihrer Praxiserfahrung ab sofort im 30 Kilometer Luftlinie entfernten Domažlice sammeln. Die Kooperation zwischen der Ausbildungsstätte in Bayern und dem Krankenhaus in Tschechien wurde am Freitag vereinbart.
Winfried Ellwanger ist Direktor der Volkshochschule im Landkreis Cham, die der Träger der Berufsfachschule ist. Die Idee zu der bilateralen Kooperation sei in einem Gespräch mit Vertretern des grenzüberschreitenden Rettungszentrums in Furth im Wald entstanden, schildert Ellwanger im Gespräch für Radio Prag International:
„Wir sind darauf gekommen, dass es in Domažlice eine pädiatrische Einrichtung gibt. Solch eine Station für Kinderheilkunde hat der Landkreis Cham nicht. Vor einem Jahr kam so der Gedanke für die Zusammenarbeit auf.“
Mit seinem Einfall wandte sich Ellwanger an die Klinik in Domažlice:
„Am Anfang habe ich sehr vorsichtig angefragt, ob eine Kooperation generell möglich wäre. Ich war dann überrascht, als sofort eine positive Antwort kam mit einer Einladung zu einem gemeinsamen Gespräch.“
Mit dem Kooperationsvertrag zwischen dem Kreis Plzeň / Pilsen, dem Landkreis Cham sowie den beteiligten Institutionen wurde die Zusammenarbeit nun dingfest gemacht. Bis zu 30 Auszubildende im Pflegeberuf sollen bis Mitte kommenden Jahres einen Teil ihrer praktischen Ausbildung in der Klinik in Domažlice ablegen können…
„Zeitgleich können bis zu fünf Personen die Pädiatrie in dem Krankenhaus absolvieren. Es handelt sich dabei um eine Praxiseinheit von 80 bis 120 Stunden, die in Deutschland im Rahmen der generalistischen Pflegeausbildung in diesem Bereich verpflichtend vorgeschrieben ist.“
Bisher konnte dieser Teil der Ausbildung in der Region nur in Kindergärten absolviert werden. Eine Praxiserfahrung in einer Klinik sei aber wesentlich wertvoller, so Ellwanger. Hinzu komme, dass den angehenden Pflegefachkräften durch Mittel aus dem Erasmus-Programm keine zusätzlichen Kosten für die Unterkunft in Domažlice entstünden. Aber werden sich die Azubis mit dem Krankenhauspersonal in Tschechien überhaupt verständigen können? Winfried Ellwanger ist da zuversichtlich:
„Viele tschechische Mitarbeiter sprechen dort Deutsch. Zudem werden die Praxisanleiter unserer Schule manchmal vor Ort sein. Außerdem besteht die Möglichkeit, Englisch zu sprechen. Wir hoffen aber auch, dass die Azubis ein wenig an ihrer Sprachkompetenz arbeiten.“
Damit bringt Ellwanger die Hoffnung zum Ausdruck, dass die Auszubildenden zumindest etwas Tschechisch lernen werden. Die Pilotphase sieht der Chef der VHS als Start einer Kooperation, die in eine ganz neue Richtung gehe:
„Bisher wurden in Deutschland Pflegekräfte und Ärzte aus Tschechien gesucht. Nun gehen wir den anderen Weg und bilden unsere Leute dort aus. Das hat sicherlich einen gewissen Modellcharakter.“
Ähnlich positiv äußerte sich bei der Unterzeichnung des Kooperationsvertrages am Freitag auch der Hauptmann des Kreises Pilsen, Rudolf Špoták (Piraten). Tschechien und Bayern würden im medizinischen Bereich in Zukunft noch weiter zusammenwachsen. Die Ausbildung der deutschen Azubis in Domažlice sei dabei nur der Anfang, meinte der Politiker in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:
„In Krisensituationen arbeiten wir bereits sehr eng mit Bayern zusammen. Das hat sich etwa beim Eisenbahnunglück bei Milavče gezeigt oder bei der Suche nach dem vermissten Mädchen Julia im Böhmerwald. Ich bin fest davon überzeugt, dass die grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung und Pflege bald schon auf der Tagesordnung stehen werden.“
So ist dem Kreishauptmann zufolge denkbar, dass im Krankenhaus in Domažlice deutsche Patienten behandelt würden. Zudem könnten die dortigen OP-Säle Ärzten aus Deutschland zur Verfügung gestellt werden.