Deutsche Firmen: Tschechien ist wieder der attraktivste Standort in Mittel- und Osteuropa
Zwei Drittel der deutschen Firmen in Tschechien sehen die Wirtschaftsaussichten in Tschechien stabil oder positiv, 65 Prozent würden hier wieder investieren. Das geht aus einer aktuellen Konjunkturumfrage der Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelskammer (DTIHK) unter über 150 Firmen hervor. Die eigene Geschäftslage bewerten die deutschen Unternehmen mehrheitlich positiver als die allgemeine Wirtschaftsentwicklung in Tschechien. Der Optimismus ist gegenüber dem Vorjahr deutlich abgeflaut. Dennoch ist Tschechien aus Sicht der hiesigen Investoren der attraktivste Investitionsstandort in Mittel- und Osteuropa. Radio Prag sprach darüber mit dem Leiter der Abteilung Unternehmenskommunikation der DTIHK, Hannes Lachmann.
„Ja, also aus Sicht der hier ansässigen tschechischen und deutschen Unternehmen, insbesondere der deutschen, ist Tschechien der attraktivste Standort in der Großregion des ehemaligen sozialistischen Mittel- und Osteuropa; attraktiver in der Region Mittel- und Osteuropa wurde nur noch Deutschland bewertet. Das heißt also, Tschechien ist der Top-Standort hier in der Region, was uns sehr freut, und was man auch vor dem Hintergrund sehen sollte, dass seit der Euro-Einführung in der Slowakei eigentlich die Slowakei diesen Top-Status erlangt hat. Jetzt ist das erstmals wieder umgekehrt, Tschechien ist auf Platz eins, und das natürlich auch vor dem Hintergrund der Entwicklungen in der Slowakei, Stichwort Gorilla-Affäre und Regierungszerfall.“
Tschechien hat also seine Position Nummer eins wieder gewonnen. Was sind die wichtigsten Argumente für Tschechien als Standort?
„Ja, Tschechien hat auch aus der Sicht der hier ansässigen Unternehmen diese Position wieder gewonnen. Aus Sicht der anderen Länder ist es seit Jahren der Top-Standort hier in der Region Mittel-Osteuropa. Die wichtigsten und positivsten Faktoren sind nach wie vor die gleichen in unserer Umfrage, das kann man nicht oft genug wiederholen: Also das ist an erster Stelle die Mitgliedschaft in der Europäischen Union, ein weiterer ebenfalls sehr wichtiger Punkt ist die Verfügbarkeit und die Qualität lokaler Zulieferer. Ein ganz entscheidender Faktorenkomplex muss man sagen, denn es handelt sich um drei wichtige Faktoren, die miteinander zusammenhängen, ist die Qualifikation, Produktivität und Leistungsbereitschaft der Arbeitnehmer. Also man kann es als die Qualität der Arbeitskraft in Tschechien zusammenfassen. Hier sehen wir auch das große Plus des tschechischen Standortes und hoffen, dass dies so bleiben kann, denn – das ist ein weiteres Ergebnis der Umfrage, es zeichnet sich ein Fachkräftemangel ab. Der Nachwuchs von qualifizierten Mitarbeitern ist nicht gesichert, auch weil die demographischen Faktoren natürlich hier reinspielen, aktuell aber auch weil das Bildungssystem in Tschechien aus Sicht der Unternehmen nicht genug praxisorientiert ist.“Sie haben die Vorteile genannt, es gibt aber auch Nachteile. Welche Kritikpunkte wurden am häufigsten genannt?
„Der häufigste Kritikpunkt ist seit Jahren Korruption beziehungsweise der nicht funktionierende Kampf gegen die Korruption. Gleichzeitig Intransparenz bei öffentlichen Ausschreibungen, ich denke, das gehört oft zusammen. Allerdings gibt es auch andere Probleme, die seit Jahren bestehen. Dazu gehört die Rechtssicherheit, natürlich ist die Rechtssicherheit hier insgesamt zufriedenstellend, aber problematisch ist die lange Verfahrensdauer, häufige Änderungen in den Gesetzestexten, die dann wiederum eine Unabsehbarkeit, Unsicherheit von juristischen Entscheidungen nach sich ziehen, und das ist ein Planungsrisiko. Außerdem gibt es Verbesserungsbedarf bei der Effizienz der öffentlichen Verwaltung. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die politische Stabilität. Hier haben die Unternehmen im letzten Jahr noch eine bessere Bewertung abgegeben. Inzwischen ist eine ganze Reihe von Fachministern zurückgetreten, darunter auch Minister, die für die deutsch-tschechische Zusammenarbeit eine wesentliche Rolle spielen: der Wirtschaftsminister, der Umweltminister, jetzt auch der Bildungsminister. Und diese politische Instabilität, die Inkonsistenz, die fehlende Kontinuität, die kriegen nicht nur wir als Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelskammer zu spüren, sondern natürlich auch die Unternehmen selbst, die dann mit ihrer Planung, was die wirtschatpolitischen Rahmenbedingungen angeht, immer wieder bei Null anfangen müssen.“