Dirigent John Fiore: „Es freut mich, nach Jahren wieder im Prager Nationaltheater zu sein“
Der US-amerikanische Dirigent John Fiore arbeitete bereits in vielen renommierten Opernhäusern der Welt. Er studierte Opern ein unter anderem in der Metropolitan Opera in New York, der Semper-Oper in Dresden sowie in mehreren Theatern in Italien. Nach Prag kehrt er nun nach mehr als zehn Jahren wieder zurück, um zwei Konzerte im Nationaltheater zu dirigieren. Vor einer der Proben entstand in der vorigen Woche das folgende Interview mit dem Dirigenten.
Herr Fiore, Sie kehren nach einigen Jahren ins Prager Nationaltheater zurück. Bereits früher haben Sie in Prag mehrere Opern einstudiert und dirigiert. Und von Ihnen ist bekannt, dass Sie eine gute Beziehung nicht nur zur tschechischen Musik, sondern sogar auch zur tschechischen Sprache haben. Wie waren Ihre Tschechisch-Anfänge?
„Die Liste mit den tschechischen Wörtern habe ich immer noch in meiner Tasche. Bei den Proben versuche ich, Tschechisch zu sprechen.“
„Ich habe hier in Prag während der Proben für den ,Ring‘ Tschechisch gelernt. Schon immer habe ich tschechische Opern geliebt und hatte bereits ein wenig Erfahrung mit der tschechischen Sprache. Denn ich war als Assistent bei den Aufführungen von tschechischen Opern in der Metropolitan Opera in New York und in der Oper in San Francisco beschäftigt. Das Wichtigste war vielleicht, als ich in San Francisco an einer Produktion der ,Jenufa‘ mit Gabriela Beňačková, Leonie Rysanek und Sir Charles Mackerras arbeitete. In den USA lebte eine tschechische Sprachlehrerin, sie hieß Yveta Synek Graff. Mit ihr habe ich ein wenig an der Aussprache gearbeitet. Als ich nach Prag kam, um den ,Ring‘ einzustudieren, habe ich Zdeněk Harvánek, der Sänger und auch Manager des Opernensembles war, gesagt, dass ich mit dem Orchester Tschechisch sprechen müsse. Also habe ich eine Liste von Begriffen zusammengestellt, die ich bei den Proben brauchte – wie ,zu laut‘, ,zu schnell‘, ,zu langsam‘, ,mehr Bogen‘ und so weiter. Diese Liste mit den tschechischen Wörtern habe ich immer noch in meiner Tasche. Bei den Proben versuchte ich, Tschechisch zu sprechen. Dies hat sich ein bisschen entwickelt, dennoch ist mein Tschechisch ein ,Baby-Tschechisch‘. Aber es funktioniert. Nach acht Jahren war ich zum Beispiel wieder beim Janáček-Festival nach Brno, und mein Tschechisch ist innerhalb einiger Tage wieder zurückgekommen. Ich liebe die tschechische Sprache.“
Sprechen Sie jetzt mit den Solisten und Musikern bei den Konzertproben im Prager Nationaltheater auch Tschechisch?
„Auf Deutsch sagt man Blechinstrumente. Tschechisch sagt man ,plechy‘. Ich habe aber ,blechy‘ gesagt. Die Leute waren etwas erstaunt, denn das bedeutet im Tschechischen ,Flöhe‘.“
„Ich versuche, mit dem Orchester auf Tschechisch zu kommunizieren, aber die Leute sprechen mich manchmal auf Deutsch und manchmal auf Englisch an. Wenn nicht zu schnell gesprochen wird, klappt es auf Tschechisch. Ich weiß, was ich sagen will. Von der Grammatik her ist es schon ein bisschen komisch, was ich sage. Die Liste, die für mich damals Harvánek zusammenstellte, drucke ich immer aus, wenn ich nach Tschechien reise. Ich muss noch einiges lernen. Auf Deutsch sagt man Blechinstrumente. Tschechisch sagt man ,plechy‘. Ich habe aber ,blechy‘ gesagt. Die Leute waren etwas erstaunt, denn das bedeutet im Tschechischen ,Flöhe‘. Es freut mich, nach so vielen Jahren wieder in Prag zu sein. Ich habe ein gutes Gefühl, was die Zusammenarbeit mit dem Orchester anbelangt. Es ist ein anspruchsvolles Programm, aber sie spielen sehr gut.“
Sie haben erklärt, dass Sie die tschechische Musik lieben. Welche tschechischen Opern haben Sie als erste einstudiert?
„Es war eine große Ehre, die allererste Rusalka in der Met einzustudieren.“
„Ich war bei der ersten ,Rusalka‘ in der Met dabei, weil mich Beňačková kannte. Dirigent Václav Neumann, der die Oper einstudieren sollte, konnte aus gesundheitlichen Gründen nicht kommen. Beňačková sagte damals dem Opernchef: ,Ich will, dass John die Oper dirigiert.‘ Dafür bin ich sehr dankbar, denn sie ist eine wunderbare Sopranistin. Zudem war es eine große Ehre, die allererste Rusalka in der Met einzustudieren. Heute gehört die Oper zum üblichen Repertoire. Es gibt viele andere Opern von Dvořák und von Smetana, aber das Publikum kennt nur ,Rusalka‘ und ,Prodaná nevěsta‘ (Die verkaufte Braut, Anm. d. Red.). Die Leute kennen zudem Opern von Janáček. Als ich Chef der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf war (1998-2009, Anm. d. Red.), habe ich fünf Opern von Janáček aufgeführt. ,Jenufa‘ und ,Katja Kabanowa‘ standen damals schon auf dem Repertoire. Ich habe ,Das schlaue Füchslein‘, ,Die Sache Makropulos‘ und später auch ,Aus einem Totenhaus‘ einstudiert. Dann kam ich auf eine verrückte Idee, Janáček-Festspiele zu veranstalten – mit fünf Opern in fünf Tagen. Jeden Tag wurde eine der Opern gespielt. Es gab mehrere Leute, die den ganzen Zyklus besuchten. Die Regie aller fünf Werke hatte der norwegische Regisseur Stein Winge. Einige tschechische Sängerinnen und Sänger sind damals nach Düsseldorf gekommen. Eva Urbanová sang in der ,Jenufa‘. Als wir 2005 den ,Ring‘ in Prag aufführten, handelte es sich um eine Koproduktion mit Düsseldorf.“
In letzter Zeit dirigieren Sie in der Semper-Oper in Dresden, in der Deutschen Oper in Berlin und vor allem auch in der Schwedischen Königlichen Oper in Stockholm…
„Es gibt Opernhäuser, wo ich mich sehr bequem und wohl fühle. Es ist schön, langfristige Beziehungen zu den Opernhäusern zu haben. Ich bin jetzt freischaffend. Zuvor war ich sechs Jahre Chef der Oper in Oslo. Es war schön, aber es ist so dunkel da oben im Norden… Ich bin regelmäßig in Stockholm, aber nicht im Winter. Ich liebe die Stadt. Das dortige Theatergebäude ist ein schönes altes Haus, das ein wenig dem Prager Nationaltheater ähnelt. Zudem bin ich oft in der Deutschen Oper in Berlin. Seit 30 Jahren arbeite ich auch in Dresden. Es ist schön, in Häusern zu arbeiten, wo man die Leute kennt. Hier war es auch so. In Prag führte ich den ,Ring‘, die , Fanciulla‘ (Die Fanciulla del West von Giacomo Puccini, Anm. d. Red.), ,Eugen Onegin‘ und ,Parsifal‘ auf. Im Obecní dům (Repräsentationshaus in Prag, Anm. d. Red.) hatte ich Konzerte, bei denen der ,Ring‘ gespielt wurde. Zudem studierte ich in Prag die Oper ,Pád Arkuna‘ (Der Fall von Arkun, Anm. d. Red.) von Zdeněk Fibich ein. Niemand hat sie damals gekannt. Ich erinnere mich daran, wie ich in der Bibliothek war, und Jiří Heřman (Regisseur und ehemaliger künstlerischer Leiter der Oper des Prager Nationaltheaters, Anm. d. Red.) mir sagte: ,Guck dir das an.‘ Wir haben vorher über Fibich gesprochen und dachten, dass es schön wäre, ein Stück von ihm aufzuführen. Seine Oper ,Šárka’ sei bekannt, aber das da kenne niemand, sagte er damals. Heřman holte den Klavierauszug aus dem Schrank, ich spielte den dritten Akt auf dem Klavier und sagte: ,Warum nicht!‘“
Im Nationaltheater dirigieren Sie bald zwei Konzerte mit Rachmaninows ,Glocken‘ und ,Oedipus Rex‘ von Strawinsky. Diese beiden Werke sind sehr unterschiedlich…
„Ja, ich glaube, sie können nicht unterschiedlicher sein. Rachmaninow ist hoch romantisch. ‚Die Glocken‘ waren eines seiner Lieblingsstücke. Von seiner Musik wird man die ganze Zeit umarmt.“
Strawinskys „Oedipus Rex“ wird als Opern-Oratorium bezeichnet. Soll das Opus eher auf der Bühne inszeniert werden, oder soll man es konzertant aufführen?
„Ein typischer Strawinsky eben: Eine der Personen sagt etwas Ernstes oder Gruseliges, und die Musik klingt heiter.“
„Ich glaube, es war für die Bühne geschrieben, aber niemand macht es. Ich habe es einmal auf der Bühne gesehen. Es ist ein neoklassizistisches Stück, es ist eher statisch, es gibt nicht viel Action. Die Leute kommen, sagen etwas und gehen. In der Partitur finden sich Ideen von Jean Cocteau (das Libretto stammt von Cocteau und Strawinsky, Anm. d. Red.) und es wird gesagt, was alles auf der Bühne stehen soll. Es ist ein wenig eine Hommage an alte Musikstile. Ein typischer Strawinsky eben: Eine der Personen sagt etwas Ernstes oder Gruseliges, und die Musik klingt heiter. Wenn sich Iokaste erhängt, spielt das Orchester so, dass es – wie einst Bernstein – anmerkte, wie ein Fußballlied klingt. Ich liebe dieses Stück und Strawinsky sowieso.“
Das Orchester haben Sie bereits gelobt. Wie ist die Zusammenarbeit mit den Solisten?
„Die Zusammenarbeit ist sehr gut. Ich habe im Moment noch nicht alle getroffen, einige von ihnen kenne ich von früher. Ich freue mich sehr auf die Konzerte.“
Die Konzerte mit John Fiore finden am Freitag (20. Januar) und Sonntag (22. Januar) um 19 Uhr im Nationaltheater statt. Es gibt noch Restkarten.