Diskussion über Atomkraft in Europa: im Moment ideologisch und politisch

Atomkraftwerk Temelín

Die Berichte über das Erd- und Seebeben vor Japan wurden in den letzten Tagen durch die Berichterstattung über die Katastrophe im dortigen Atomkraftwerk Fukushima 1 verdrängt. Die Hiobsbotschaften aus Japan lösten auch eine neue Diskussion über die Sicherheit der Atomkraft in Europa aus.

Die tschechischen Atomkraftwerke Temelín und Dukovany sind gegen Erdbeben ausreichend gesichert, heißt es. Tschechische Experten halten tektonische Erschütterungen allerdings nicht für eine große Bedrohung. Die Leiterin des Staatlichen Amtes für atomare Sicherheit, Dana Drábová, nennt andere Prioritäten für die Sicherheitsmaßnahmen:

„Man nennt das externe Einflüsse. Bei uns kommen vor allem starker Wind und mögliche Überschwemmungen in Frage. Natürlich ist auch die seismische Bewertung ein wichtiger Teil der Klassifizierung. Das heißt, auch unsere Kraftwerke sind gegen Erderschütterungen geschützt, die in der jeweiligen Region mit einer realen Wahrscheinlichkeit vorkommen können. Also Erdbeben von einer maximalen Stärke, wie sie für Mitteleuropa realistisch ist.“

Diese Stärke liegt hierzulande bei etwa 5,5 Grad der Richterskala. Die laufende Diskussion über die Sicherheit der Atomkraft in Europa halten tschechische Experten für verfrüht, da aus Japan noch keine genaueren Informationen über den Unfallhergang vorliegen. Es sei also eher eine ideologische oder politische Diskussion, die da jetzt im Gange ist, sagt der stellvertretende Chef des Staatlichen Amtes für atomare Sicherheit, Petr Brandejs. Eine grundlegende Debatte über die Atomkraft erwartet dagegen der ehemalige tschechische Umweltminister und Parteivorsitzende der Grünen, Martin Bursík:

„Das Wesentliche daran ist die Tatsache, dass es zu dem Unfall gerade in Japan gekommen ist. Japan ist ein Land, das technologisch an der Weltspitze steht, und es ist durch seine enorme Disziplin bekannt. Wenn man es in einem solchen Land nicht schafft, solche Situationen einzukalkulieren und ihnen vorzubeugen, heißt dies, dass das Paradigma völlig geändert werden muss. Die Sichtweise, die Atomenergie sei eine Technologie, bei der es technisch möglich ist, ausreichend Sicherheit zu schaffen, diese Betrachtung wird meiner Meinung nach einer prinzipiellen Änderung unterzogen.“

Martin Bursík
Die Europäische Kommission hat für diesen Dienstag ein Treffen der Atomenergieexperten aus den EU-Ländern in Brüssel einberufen. Einige Länder Europas haben auch schon mit konkreten Schritten reagiert. Die deutsche Bundeskanzlerin gab bekannt, die vor 1980 gebauten Atomkraftwerke vorübergehend außer Betrieb zu stellen. Die Leiterin der tschechischen Atomsicherheitsbehörde Dana Drábová stellte zu diesem Beschluss gegenüber dem Tschechischen Rundfunk fest:

„Es liegt natürlich an dem jeweiligen Land und der jeweiligen politischen Vertretung. Deutschland hat im Vergleich zu uns einen kleinen Nachteil, dort gibt es im Unterschied zu uns den gleichen Reaktortyp wie in Japan, das heißt den Siedewasser-Reaktor. Bezüglich der Sicherheitsparameter ist er vergleichbar mit dem Druckwasser-Reaktor, den es bei uns gibt. Aber ein großer Teil der Reaktoren in Deutschland ist relativ veraltet.“

Österreich hat alle EU-Länder aufgefordert, bei allen Atomkraftwerken Belastungstests durchzuführen. Ist die Atomkatastrophe in Japan ein Grund, die tschechischen Kraftwerke zu überprüfen? Dana Drábová:

„Ich sehe das im Moment nicht so, aber diese Initiative war zu erwarten. Wenn sich vernünftige Schritte daraus ergeben, die man zur Erhöhung der Sicherheit tun könnte, stehen wir der Initiative offen gegenüber.“