Eierschlachten verdrängen Schweinegrippe von den Titelseiten

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Die Titelseiten der tschechischen Zeitungen in dieser Woche waren von Eiern bestimmt waren, und das nicht, weil in Tschechien etwa erst jetzt Ostern gefeiert würde. Weitere Themen waren der erste Schweinegrippefall in Tschechien und den Erfolg einer tschechischen Nachwuchs-Filmregisseurin in Cannes.

Jiří Paroubek  (Foto: ČTK)
Moderator: Zielscheibe der Eierschlachten sind die tschechischen Sozialdemokraten (ČSSD), das Eierwerfen ist ein Ausdruck des Protestes bei ihren Wahlkampfauftritten. Initiiert hat diese Aktionen ein 23-jähriger Student, der eine entsprechende Gruppe auf der Internet-Community Facebook gegründet hatte. In Prag hat das Eierwerfen diese Woche seinen bisherigen Höhepunkt erreicht. Der Parteivorsitzende Jiří Paroubek hätte gleich eine Kompanie mit Rühreiern versorgen können, so viele sind auf seinem Hemd gelandet.

Materna: Das war der Presse natürlich eine ganze Reihe von Kommentaren wert. Schließlich wurde seit der Samtenen Revolution in diesem Land niemand mehr derart „ausgepfiffen und gedemütigt“ wie Jiří Paroubek, schreibt die Zeitung „Lidové Noviny“. Eine Reihe von Journalisten gibt aber auch zu bedenken, dass die Eierschlachten einen umgekehrten Effekt haben könnten. Den Sozialdemokraten könnten sie die Stimmen derjenigen einbringen, denen sie wegen der Eierwerfer Leid tun. Viliam Buchert von der „Mladá Fronta Dnes“ wiederum greift zu einem Kochbuch mit traditionellen tschechischen Rezepten und macht Vorschläge, wie aus den Wurfgeschossen ein Leckerbissen wird. Von süß bis pikant, es ist wohl für jeden Geschmack etwas dabei. Die ČSSD könne die Eier-Affäre aber auch als hervorragende Maßnahme gegen die Wirtschaftskrise betrachten, die den sozial Schwachen unter die Arme greift, so der Autor:

„Je mehr Eier verkauft werden und die Nachfrage angekurbelt wird, desto mehr Steuergelder werden eingenommen. Das wiederum bewirkt, dass man dann in der Wahlkampagne den Wählern mehr Geld versprechen kann“, schreibt Buchert.

Und der Kommentator der „Mladá Fronta Dnes“ fügt noch hinzu:

Jiří Paroubek  (Foto: ČTK)
„Nicht Paroubek sollte unglücklich sein wegen der Eierwerfer, sondern sein größter Konkurrent Mirek Topolánek. Findet sich wirklich niemand, der wenigstens einen Wurf tätigt? Weitere Rezepte würde ich umgehend liefern."

Moderator: Jiří Paroubek sieht das aber offenbar anders, oder?

Materna: Sicher. Er hat ja inzwischen sogar Regierungschef Jan Fischer um Schutz vor den klebrigen Wurfgeschossen gebeten, oder besser gesagt, vor denjenigen, die sie zum Fliegen bringen. Auch dafür hat er so manch hämisches Grinsen geerntet. Paroubek behauptet, hinter alldem stecke eine Verschwörung seitens der Bürgerdemokraten, der Partei Mirek Topolaneks also. Daniel Kaiser von der Zeitung „Lidové Noviny“ schreibt dazu:

„Angeblich tragen diese Praktiken eine rechtsextreme Handschrift, so die ČSSD und spielt dabei auf die Nazis in der Weimarer Republik an. Die Fotos in den Zeitungen sprechen aber eine ganz andere Sprache. Die Gorillas, die die als Marsmännchen verkleideten Gegner liquidieren, gehören zu Jiří Paroubek. Die Tatsache, dass es möglich ist, auf diese Weise in aller Öffentlichkeit mit Demonstranten umzugehen, ist ein Skandal.“

Moderator: Es sieht aber so aus, als würde nun Ruhe einkehren. Jiří Paroubek hat wohl angekündigt, er werde auf keiner Wahlkampfveranstaltung mehr auftreten. Der Gründer der Facebook-Gruppe, dessen Aufruf die Eierwerfer mobilisiert hat, bläst seit den Ereignissen in Prag ebenfalls zum Rückzug.

Materna: Von den Eiern kommen wir nun zu den Schweinen beziehungsweise zu der nach ihnen benannten Grippe.

Moderator: Die ist diese Woche bekanntlich auch in Tschechien angekommen. In Prag wurde der erste Schweinegrippe-Fall im Land gemeldet. Erkrankt ist ein Pilot der Fluggesellschaft ČSA. Offenbar hat er sich während eines Aufenthalts in New York angesteckt.

Materna: Die Zeitungen beschäftigen sich verständlicherweise recht ausführlich mit diesem Thema. Ein Aspekt wird dabei besonders hervorgehoben, und zwar die Angst. Die Panik vor dem Virus, das in Mexiko ausgebrochen ist und schon mehrere Menschenleben gefordert hat, ist hierzulande aber schlicht ausgeblieben. Milan Vodička von der „Mladá Fronta Dnes“ meint dazu:

„Die nüchterne Wahrheit lautet: Tschechien ist das 47. Land, in dem die Grippe aufgetreten ist. Nicht mehr und nicht weniger. Bislang hat diese Erkrankung rund um den Globus weniger als 100 Todesopfer gefordert. Ich will nicht zu optimistisch sein, aber wenn andere Krankheiten mit einem ähnlich stumpfen Säbel um sich schlügen, wäre die Welt ein deutlich angenehmerer Ort.“

Foto: ČTK
Moderator: Da mag was dran sein. Eine Nachricht, die unmittelbar unsere Zunft betrifft, ging erneut durch die Presse, und zwar das so genannte Maulkorbgesetz. Gibt es da eine neue Entwicklung?

Materna: In der Tat. Mit dem Gesetz hat es Folgendes auf sich: Es handelt sich um eine Novelle des Strafgesetzbuches, die beispielsweise Medienvertretern verbietet, Material aus Abhöraktionen zu veröffentlichen, wenn sie es zugespielt bekommen. Die Namen von Opfern schwerer Straftaten zu nennen ist ebenfalls seit dem 1. April dieses Jahres ausgeschlossen. Nachdem der deutsche EU-Abgeordnete Alexander Alvaro mit seinem Versuch gescheitert ist, Brüssel in dieser Sache ein Machtwort sprechen zu lassen, haben sich die Chefredakteure der größten tschechischen Medien nunmehr an den neuen Premier um Hilfe gewandt. Der hat ihnen seine Unterstützung zugesichert. Das Resultat: Ein gemeinsamer Expertenausschuss soll einberufen werden. Josef Kopecký von der „Mladá Fronta Dnes“ weist darauf hin, dass das dem Vorgänger von Fischer im Amt, Mirek Topolanek, gar nicht passt: „Der war mit dem jetzigen nämlich sehr zufrieden.“ Die Polizei hat in der Vergangenheit seinen Vertrauten Marek Dalík abgehört, die Aufnahmen sind an die Öffentlichkeit geraten und es gab Probleme. Nur die Frage nach der Ursache der Probleme scheint sich der ehemalige Premier dabei nicht zu stellen.

Moderator: Zu guter Letzt sollten wir aber nicht unterschlagen, dass es ja auch einen Grund zu feiern gab in dieser Woche. Stichwort: Cannes.

Materna: Da hast du vollkommen Recht. In den Zeitungen wimmelte es regelrecht vor Superlativen und Bezeichnungen wie „großer Triumph“, „hundertprozentiger Sieg“ oder „beispielloser Erfolg“. Sie alle gelten der tschechischen Studentin Zuzana Špidlová. Die hat mit ihrem Film „Bába“ die Nachwuchskategorie „Studentischer Film“ und so den Preis der Cinéfondation gewonnen. Ihr Kurzfilm über die komplizierte Beziehung einer heranwachsenden Frau und ihrer kranken Großmutter wurde aus 1400 Filmen aus der ganzen Welt ausgewählt. Irena Hejdová, Kulturredakteurin der Zeitung „Hospodářské noviny“ führt an, dass der Siegerin Špidlová nun alle Türen offen stehen. Schließlich hätten „viele ihrer Vorgängern anschließen auch in den anderen Kategorien gepunktet“.