Ein Blick auf die tschechische Radiolandschaft
Seit mittlerweile ein einhalb Jahren versuchen wir Ihnen in unseren Sendungen regelmäßig einen Einblick in Tschechiens Medienlandschaft zu vermitteln. So haben wir etwa in der Vergangenheit einzelne Printmedien vorgestellt, haben uns dem Internet-Bereich gewidmet oder uns näher mit dem Fernsehen befasst. Dabei haben wir jedoch einen wichtigen Bereich der hiesigen Medienwelt bislang nicht berücksichtigt. Die Rede ist von der tschechischen Radiolandschaft, die natürlich auch für uns von Radio Prag besonders interessant zu verfolgen ist.
Gegenwärtig gibt es im Land selber ungefähr 80 Stationen, die täglich auf Sendung gehen. Davon können jedoch lediglich drei als überregionale bezeichnet werden, die also in allen Winkeln Tschechiens empfangen werden können. Den größten Teil der übrigen Radiosender bilden kleine Stationen mit eher lokalem Charakter. Die Zahl der Sender variiert jedoch, da die einmal erteilten Sendelizenzen in der Regel fünf Jahre gelten und danach nicht mehr automatisch erneuert werden müssen.
Dennoch kann die relativ hohe Dichte von Radiostationen auf dem Gebiet Tschechiens als Ausdruck einer nach wie vor bestehenden Attraktivität des Radios im allgemeinen und der Privatradios im konkreten angesehen werden. Lässt sich also sagen, dass es unter den tschechischen Hörern zu Beginn der 90er Jahre eine starke Abwanderung von den ehemals staatlichen Rundfunkanstalten hin zu den neuen privaten Anbietern gab, oder sind die Tschechen weitgehend treu geblieben? Das fragten wir Radek Dresler, den Chefredakteur des Medienservers "radiotv.cz", der seit langem speziell die tschechische Radioszene beobachtet:
"Also von einer Flucht oder einer Bewegung weg von den ehemals staatlichen Sendern würde ich nicht gerade sprechen, weil es immer noch welche gibt, die mit der privaten Konkurrenz ganz gut mithalten, aber natürlich haben sich viele Hörer dem neuen Angebot zugewandt. Es ist interessant, dass z.B. im Vergleich mit der benachbarten Slowakei, in der man auf Grund des früher bestehenden gemeinsamen Staates ein sehr ähnliches Hörerverhalten vermuten könnte, die Treue der Hörer gegenüber den ehemals staatlichen Sendern bedeutend größer ist. In Tschechien trifft das bloß für das erste Programm des Tschechischen Rundfunks, nämlich Radiozurnal zu, ansonsten sind noch lediglich einige Regionalprogramme des Tschechischen Rundfunks, vornehmlich im Süden des Landes in der Konkurrenz mit der privaten vergleichbar erfolgreich."
Wenden wir uns nun den großen überregionalen Sendern zu. Dabei handelt es sich mit Radio Impuls und Frekvence 1 um zwei private und einen öffentlich-rechtlichen Anbieter, nämlich den Tschechischen Rundfunk, der sogar mit vier von seinen sieben Programmen in ganz Tschechien empfangen werden kann. Da jedoch drei der vier öffentlich-rechtlichen Programme als Spartensender bezeichnet werden können, kann lediglich das erste Programm, nämlich die bereits von Radek Dresler erwähnte Station Radiozurnal, mit den beiden privaten Sendern Schritt halten und zwar mit relativ großem Erfolg, wie man anhand der Hörerreichweite sehen kann.
Diese Entwicklung ist nicht uninteressant, denn vergleicht man den Konkurrenzkampf zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Anbietern in der tschechischen Fernsehlandschaft, haben die privaten eine klare Übermacht. Dort hat nämlich TV NOVA, von Beginn an ein privater Kanal, alle anderen Programme abgehängt. Wo liegen die Gründe dafür, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk diesem Druck bisher standhalten konnte? Radek Dresler von "radiotv.cz" meint dazu im folgenden:
"Ich meine, wenn man das irgendwie globaler betrachtet, dann gibt es eigentlich zwischen Funk und Fernsehen in Tschechien keine so großen Unterschiede. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen hat heute etwa 30 Prozent Marktanteil, der öffentlich-rechtliche Rundfunk hingegen lediglich 25 Prozent. Das hängt damit zusammen, dass von den sieben Programmen des Rundfunks nur das erste, also Radiozurnal, einen hohen Hörergrad aufweist, bei den übrigen fällt das schwächer aus. D.h. im Vergleich zur Entwicklung in der Fernsehlandschaft sehe ich da keine großen Unterschiede."
Oft hört man Medienexperten davor warnen, dass die Tage der klassischen Medien in ihrer gegenwärtigen Gestalt früher oder später gezählt sein würden. Im Zuge immer neuer Entwicklungen im Bereich des Internets und anderer moderner Technologien werden somit auch die Anbieter von Radioprogrammen diesen neuen Entwicklungen gerecht werden müssen, um attraktiv zu bleiben. Wird es also, etwas provokant gefragt, das gute alte Radio bald nicht mehr geben? Radioexperte Dresler meint gegenüber Radio Prag zu dieser These:
"Das meine ich nicht, natürlich gibt es eine schwache, wenn auch stetige Abnahme bei den Hörerzahlen. So hören etwa seit den vergangen fünf Jahren ungefähr 500 000 Hörer weniger Radio. Aber dennoch meine ich, dass von diesen neuen Kommunikationsmitteln vor allem das Fernsehen Konkurrenz könnte, wegen der ganzen Möglichkeiten Daten zu übertragen. Beim Radio sehe ich diese Tendenz nicht, denn das Radio wird immer gehört werden, vor allem als Klangkulisse, denn ein Radio kann man stets dabei haben. Es gibt immer noch viele Flecken in diesen Land, wo eben auf absehbarer Zeit nichts anderes als das Radio funktionieren wird."
Bei den überegionalen tschechischen Tageszeitungen ist es z.B. seit Jahren so, dass sie bis auf eine einzige Ausnahme von ausländischen Verlagshäusern herausgegeben werden. Wie attraktiv ist es eigentlich für ausländische Investoren, ihr Geld in die tschechische Radiolandschaft zu stecken? Dazu abschließend noch einmal Radek Dresler von "radiotv.cz":
"Ich denke, dass ein Medium, welches über eine ausreichende Kapitalausstattung verfügt, immer im Vorteil ist. Das gilt für Radios genauso, wie für Zeitungen. Natürlich sind es die großen Anbieter, die die ausländischen Anleger interessieren. Somit bleibt die Finanzierung der Lokalradios zur Gänze in tschechischer Hand. Bei den zwei überregionalen tschechischen Privatsendern - Radio Impuls und Frekvence 1 - gibt es jedoch eine starke, aus dem Ausland kommende Kapitalbasis. Bei Impuls ist es die deutsche Eurocast Beteiligungsgesellschaft, die 60 Prozent der Anteile ihr Eigen nennen darf, bei der Frekvence 1 handelt es sich sogar um ein hundertprozentiges Tochterunternehmen der französischen Europe-Radiokette. Auch der größte Verbund regionaler Sender, die Kiss-Gruppe, ist die Tochter einer in den Niederlanden registrierten Betreibergesellschaft. Lediglich bei den kleinen Lokalradios handelt es sich also um eine rein tschechische Angelegenheit."