Eishockey-WM: Kanada verdienter Sieger – Tschechien verpasst Medaille

Team Canada (Foto: ČTK)

In den vergangenen 17 Tagen schwang in ganz Tschechien nur ein König das Zepter: die Nationalsportart Eishockey. Denn 88 Prozent der Bevölkerung haben sich im Fernsehen die Spiele der gerade zu Ende gegangenen Weltmeisterschaft angesehen. Zudem füllten die Sportfans die Arenen in Prag und Ostrava / Ostrau so gut, dass die WM mit 741.690 Zuschauern einen neuen Besucherrekord verzeichnete. Und mit dem Finale Kanada gegen Russland wurde am Sonntagabend auch noch einen großartiger Schlusspunkt unter diese Titelkämpfe gesetzt.

Kanada gewann das Finale souverän und deutlich mit 6:1  (Foto: ČTK)
Alle Teilnehmer dieser Weltmeisterschaft – egal ob Spieler, Trainer, Funktionäre, Journalisten oder sonstige Experten – waren sich einig: Das war eine WM der Superlative, eine Eishockey-Show, die in der Geschichte dieses Sports stets in goldenen Lettern geschrieben wird. Und wie es sich für ein solch spektakuläres Championat gehört, wurde es mit einem Traumfinale beendet: dem Aufeinandertreffen der beiden Eishockey-Giganten Kanada und Russland, die zusammen nicht weniger als 52 der 79 WM-Titel gewonnen haben. Das zunächst hochklassige, aber ab Spielmitte dann doch einseitige Endspiel fand einen mehr als verdienten Sieger: das Team Canada. Es gewann das Finale souverän und deutlich mit 6:1.

Sidney Crosby  (Foto: ČTK)
Auf ihren 25. Titel haben die Kanadier ziemlich lange warten müssen – lange acht Jahre seit dem letzten Sieg 2007 in Moskau. Entsprechend groß war dann auch die Freude bei den Cracks mit dem Ahornblatt auf der Brust, allen voran bei Kapitän und Superstar Sidney Crosby:

„Solch einen hohen Sieg haben wir gewiss nicht erwartet. Die Russen haben eine gefährliche Mannschaft, und selbst wenn man mit zwei, drei Toren in Führung liegt, kann man sich gegen sie nicht ausruhen. Aber es war schön, so klar vorn zu liegen, also haben wir die letzten fünf Minuten genossen. So ist es nicht immer, von daher mussten wir das auskosten.“

Team Canada  (Foto: ČTK)
Und der 27-jährige Kanadier durfte sich noch aus einem anderen Grund freuen: Dank des WM-Titelgewinns wurde er nämlich als 26. Spieler in den sogenannten Triple Gold Club aufgenommen. Mitglieder dieses exponierten Clubs sind alle jene, die in ihrer aktiven Karriere die drei bedeutendsten Eishockey-Trophäen der Welt gewonnen haben: die Goldmedaille für den Olympiasieg, den WM-Pokal und den Stanley Cup. Das ist Crosby nun in Prag gelungen.

Und wie wird der Superstar seinen jüngsten Erfolg feiern?

Halbfinale: Tschechien gegen Kanada  (Foto: ČTK)
„Ich weiß es nicht. Es ist das erste Mal, dass ich so etwas erlebe. Jetzt werde ich einfach die verbleibende Zeit mit den Jungs genießen, dann fährt jeder nach Hause oder in den Urlaub. Es wird schön werden, hier in Prag mit den Jungs zu feiern, bis wir dann zurückfliegen.“

Tschechien wird nur Vierter – Jágr beendet Auswahlkarriere

Ein ähnliches Happy-End haben die tschechischen Eishockeyspieler (leider) nicht erlebt. Nach ihrem berauschenden 5:3-Erfolg über Finnland im Viertelfinale konnten sie im Kampf um die Medaillen nichts mehr zulegen. Im Gegenteil: Sowohl im Halbfinale gegen Kanada als auch im Spiel um Platz 3 trafen die Gastgeber nicht einmal ins gegnerische Tor, daher wurden diese Duelle mit 0:2 beziehungsweise 0:3 verloren. Wie im Vorjahr belegten die Tschechen somit am Ende des Turniers nur den undankbaren vierten Platz. Stürmer Jiří Novotný:

Ondřej Pavelec  (Foto: ČTK)
„Das ist natürlich eine Riesenenttäuschung. Wir waren hier eine tolle Truppe, und als solche werden wir wohl nicht mehr zusammenspielen. Die Zuschauer waren phantastisch das gesamte Turnier über, dafür danken wir ihnen sehr. Auch heute, als wir ständig in Rückstand lagen, haben sie uns angefeuert. Es tut weh, dass es so ausgegangen ist, aber es ist leider so.“

Auch Torhüter Ondřej Pavelec konnte seine Enttäuschung nicht verbergen:

„Das Spiel um den dritten Platz ist äußerst schwer, denn man ist noch verärgert, dass man im Halbfinale verloren hat. Um Bronze wird schon tags darauf gespielt, das ist meiner Meinung nach Unsinn. Es sind einfach sehr viele Spiele binnen weniger Tage. Das Match gegen Finnland hat uns sehr viel Kraft gekostet, doch es stimmt auch: Wer gewinnen will, muss diese Kraft haben.“

Jaromír Jágr  (Foto: ČTK)
Einer, der all seine Kraft aufgebracht hat, um für sein Land die erhoffte Medaille zu gewinnen, war der tschechische Volksheld Jaromír Jágr. Obwohl schon 43-jährig, ließ er sich von Freunden, seinem Vater und seinem langjährigen Teamgefährten Martin Ručinský dazu überreden, noch eine weitere WM zu bestreiten. Eine gute Entscheidung, denn der Dauerbrenner war dann nicht nur der beste Akteur seines Teams, sondern wurde von den Journalisten sogar zum „wertvollsten Spieler der WM“ gewählt.

Trotz dieser Ehrung, die völlig zu Recht erfolgte, erklärte der Superstar nach dem verlorenen Spiel um Bronze seinen diesmal endgültigen Rücktritt aus der Nationalmannschaft:

Jaromír Jágr  (Foto: ČTK)
„Ich kann zwar mein Maximum geben, aber für die absolute Weltspitze reicht es nicht mehr. … Die Zeit kann man nicht aufhalten.“

Mit diesen Worten übergab Jágr den Staffelstab quasi an die Jüngeren. Dennoch habe er es nicht bereut, diese WM noch gespielt zu haben, betonte der Oldie und erzählte, was ihn die vergangenen Tage am meisten gefreut habe:

„Auf Facebook habe ich jede Menge Fotos von Eltern erhalten, die zeigen, wie ihre Kinder in einem Eishockeytrikot zu Bett gehen. Das ist für mich das Schönste, einfach zu sehen, dass das Ergebnis nicht das Allerwichtigste ist, sondern dass sich viele in zehn oder mehr Jahren noch an diese WM erinnern werden. Den kleinen Kindern hat es vielleicht so gefallen, dass es ihr Leben verändert und sie jetzt neue Vorbilder haben. Daher werden möglichweise viele von ihnen nicht auf der Straße herumlungern, sondern Sport treiben wollen.“

Experte Bříza: WM hat Eishockey als Nationalsport Tschechiens manifestiert

Petr Bříza  (Foto: Lothar Martin)
Über den Nachhall und die Strahlkraft, die die Weltmeisterschaft von Prag und Ostrau womöglich für das tschechische Eishockey in Zukunft haben könnte, abschließend noch ein Gespräch mit dem WM-Organisationschef für den Standort Prag, Petr Bříza. Der 50-Jährige ist zudem Vorstandsvorsitzender des HC Sparta Prag.

Herr Bříza, alle (Spieler, Trainer, Funktionäre) sprechen in Superlativen von dieser Weltmeisterschaft – alles war perfekt, viele sprechen von der besten WM aller Zeiten. Erfüllt Sie dieses Lob mit Stolz?

„Sie haben es gesagt: Wir sind sehr froh und stolz, dass alle, die da waren, die hier in Prag bis zu 17 Tage und mehr verbracht haben, nicht nur sehr zufrieden, sondern teilweise auch begeistert waren. Wir hatten keinen einzigen Tag mit trüber oder schlechter Stimmung. Natürlich mussten täglich mit zunächst acht und später zwei weiteren Mannschaften viele Dinge gelöst werden und ineinandergreifen. Alle unsere Gäste aber haben es sehr geschätzt, dass wir auf ihre Anfragen oder Wünsche sofort reagiert haben. Alle haben sich sehr wohl gefühlt, und das macht uns natürlich sehr stolz.“

Foto: Martina Schneibergová
Diese zehn Mannschaften und die Funktionäre des Weltverbandes (IIHF) optimal zu betreuen, ist keine leichte Aufgabe. Gab es von deren Seite auch ganz spezielle Wünsche, die Ihnen und Ihren Kollegen im WM-Organisationsteam alles abverlangt haben, um Sie zu erfüllen?

„Für die WM hatten wir ein paar Mottos ausgegeben wie zum Beispiel ´Hockey & Smile´. Das bedeutete so viel wie: Wenn Sie die WM richtig erleben wollen, müssen Sie nah dran sein. Und ein zweiter Leitspruch war: Es gibt keine Anfrage, zu der wir nicht imstande sind, sie zu beantworten. Von daher haben wir uns die gesamte Zeit über bemüht, alle Wünsche unserer Gäste zu erfüllen. Das WM-Geschehen lief wirklich von allen Seiten sehr sanft und freundlich ab. Dazu wurden etliche Hektoliter Bier getrunken, doch es gab keine Schlägereien, an allen WM-Tagen blieb es stets sehr friedlich. Deswegen genießt die WM bei allen Beteiligten eine so große Anerkennung.“

Foto: Martina Schneibergová
Tschechien hat als Eishockey-Nation klar gepunktet bei dieser Weltmeisterschaft. Was nimmt das tschechische Eishockey mit von dieser WM? Wird man die Euphorie zum Beispiel nutzen können, damit auch wieder mehr Bewegung in die Nachwuchsarbeit kommt?

„Wir versuchen seit sechs Jahren, sehr viel Bewegung in die Nachwuchsarbeit zu bringen. Das Ergebnis einer solchen Förderung kann man jetzt zum Beispiel bei den Amerikanern sehen. Sie haben eine ziemlich junge Mannschaft, und zwar eine Mannschaft, die durch gezielte Nachwuchsförderung zu dem herangewachsen ist, was sie hier bei der WM verkörpert. Und für unser Land sollte gelten – mit allem Respekt zu den anderen Sportarten: Eishockey ist die Nationalsportart schlechthin in Tschechien. Das ist das Tafelsilber, das ist ein großer Schatz, den wir haben. Das heißt: Wir müssen uns um diesen Sport kümmern! Denn Eishockey kann nicht nur davon leben, dass es hierzulande eine sehr populäre Sportart ist, die so auch für sich selbst sorgen kann. Nein, das allein reicht nicht! Im Gegenteil: Eishockey muss als Sport eine nationale Priorität haben, denn keine andere Sportart kann bei uns in gut zwei Wochen über 700.000 Zuschauer in die Stadien locken, und keine andere Sportart kann während der WM eine Billion Zuschauer vor den Fernseher fesseln. Die ganze Nation hat diese WM gelebt. Das macht uns stolz, doch wir sollten diesen Stolz nicht nur in den Momenten in uns tragen, in denen wir gewinnen, sondern wir sollten ihn täglich zeigen. Das ist das Fazit der WM, und das sollte die tschechische Gesellschaft mit der Regierung, den Behörden, dem Sportministerium und die Kommunen an der Spitze auch so akzeptieren.“

Autor: Lothar Martin
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