Emil Orlik-Ausstellung in der Robert Guttmann-Galerie
Prag, Wien und Berlin sind die drei Hauptstationen des Lebens von Emil Orlik. Porträts seiner Freunde und Zeitgenossen - wie z.B. Rainer Maria Rilke, Max Reinhardt oder Gustav Mahler kann man in einer Ausstellung besichtigen, die am vergangenen Mittwoch im Jüdischen Museum in Prag eröffnet wurde. In die Robert Guttmann-Galerie laden Sie Martina Schneibergová und Daniel Sátra ein im folgenden Spaziergang durch Prag.
Gemälde, Graphiken und Zeichnungen kann man in der Ausstellung besichtigen, die unter dem Titel "Emil Orlik - Porträts der Freunde und Zeitgenossen" in der Robert Guttmann-Galerie zu sehen ist. Das Jüdische Museum in Prag hat zum Werk und zur Persönlichkeit von Emil Orlik eine besondere Beziehung. Denn unweit des heutigen Sitzes des Museums - in der so genannten "Stará kolkovna" wurde Orlik als Sohn eines jüdischen Schneidermeisters geboren. In der unmittelbaren Umgebung des heutigen Museums verbrachte der Künstler seine Jugend, und auch die erste Zeitetappe seines Werkes ist mit dem Milieu des alten Prag verbunden. Mit seinen künstlerischen Experimenten und exotischen Wegen stellte Orlik für die jüngeren Prager bildenden Künstler ein Beispiel der Suche nach einem neuen künstlerischen Ausdruck dar.
In den vergangenen Jahren begann man Emil Orliks Werk wieder zu entdecken. Es wurden inzwischen einige Ausstellungen in Prag, Wien, Cheb und Regensburg veranstaltet, wo eine breite Auswahl aus Orliks Arbeiten vorgestellt wurde. Die jetzige Ausstellung konzentriert sich auf einen bislang weniger bekannten Teil des Porträtschaffens des Künstlers. Im Bereich der Porträts war Orlik zu seiner Zeit am berühmtesten. Es gibt zahlreiche Porträts im Holzschnitt, viele Porträts als Gemälde und vor allem Hunderte von graphischen Porträts und Tausende von Zeichnungen und Skizzen in vielen öffentlichen und auch privaten Sammlungen, die bislang noch nie veröffentlicht wurden. Porträts von Emil Orlik sind mit der Zeit und dem Leben der Gesellschaft untrennbar verbunden, in der sie entstanden sind. Jedes Porträt ist mit einer Geschichte aus der Korrespondenz des Künstlers oder aus dem Leben der porträtierten Persönlichkeit verknüpft.
In der Nachkriegsgeschichte waren in der Tschechischen Republik nur zwei Orlik-Ausstellungen zu sehen: 1992 in Prag und 1997 im westböhmischen Cheb (Eger). Die vom Jüdischen Museum eröffnete Emil Orlik-Ausstellung ist die bereits dritte Präsentation der Werke eines Künstlers, der zu seinen Lebzeiten in Böhmen und in Mähren oft in Ausstellung vertreten war. Seine erste große organisierte er im Jahre 1900 in Brno (Brünn). Die jetzige Ausstellung ist aus vielerlei Hinsicht einzigartig. Nach Meinung des Kurators, Arno Parík, auch aus den folgenden Gründen:
"Der in Prag geborene Emil Orlik, der unweit dieses Museums zur Welt kam, war zu seiner Zeit der bekannteste aus Prag stammende jüdische Künstler. Es handelt sich um die erste Ausstellung seiner Werke hier bei uns. Sie konzentriert sich auf Porträts von Orliks Freunden und Zeitgenossen. Aus den vielen Werken, die er schuf und die sich in den Sammlungen des Jüdischen Museums befinden, wählten wir Porträts von Menschen aus, die ihm wirklich nahe standen - der bildenden Künstler, Theaterleute, Musiker und Schriftsteller - wie. z. B. Rainer Maria Rilke, den er seit den Jugendjahren kannte, aber auch Oskar Kokoschka, Max Reinhart, Gustav Mahler, Alexander Zemlinsky. Es gibt hier aber auch ein Porträt des tschechoslowakischen Staatspräsidenten Tomás Garrigue Masaryk oder das einzige Gemälde, das hier ausgestellt wird: das Porträt von Albert Einstein."
Das Interesse für Orliks Werke wächst. Sein Schaffen war jedoch so umfangreich, dass es in keiner Galerie oder keiner Sammlung alle Werke geben kann. Arno Parík zufolge werden hier auch einige ganz einzigartige Werke aus den Sammlungen des Jüdischen Museums gezeigt:
"Das schöne Porträt Ferdinand Hodlers beispielsweise - es ist ein großer Holzschnitt aus dem Jahr 1904, aber auch Orliks frühe Werke, die in Prag entstanden sind - wie z.B. das Bild seiner Mutter - Arbeiten dieser Art findet man nicht so häufig. Einige einzigartige Exponate haben wir von der Nationalgalerie ausgeliehen - es geht um Porträts von Persönlichkeiten, die da nicht fehlen sollten - wie Rainer Maria Rilke, dann sind es große Holzschnitte - wie Porträts von Camille Pissarro oder von Henrik Ibsen, dann Zeichnungen, auf denen z.B. - Ernst Barlach oder der Dresdner Expressionist Otto Mueller dargestellt sind."
Die Sammlung von Orliks Werken, die dem Jüdischen Museum in Prag gehört, entstand nicht dank der üblichen Sammlertätigkeit, sondern während des Zweiten Weltkriegs vor allem im Jahr 1943. Zwei Mitarbeiter des damaligen Jüdischen Museums durften mit einer Sondererlaubnis konfiszierte Kunstwerke jüdischer Künstler auszusuchen. Arno Parík dazu:
"Das bedeutet, dass wir diese Sammlung eigentlich Josef Polák und Hana Volavková verdanken, die die Kunstwerke zusammentragen haben, was gar nicht einfach war. Ich stelle mir vor, dass alle diese Bilder in den Prager Wohnungen hingen. Sie stellen einen Beweis dafür dar, wie populär Orlik damals hier war. Die Bilder erinnerten zugleich an die berühmten Künstler - Gustav Mahler, Alexander Zemlinsky und viele andere Persönlichkeiten, die sich auch an dem Prager Kulturleben beteiligten. Denn das, was sich früher in Berlin oder in Wien abspielte, spielte sich auch in Prag ab - wenigstens im engen Kreis der deutsch-jüdischen Gesellschaft."
Wie bereits erwähnt, stammt Emil Orlik aus Prag. Dort wurde er 1870 in der "Stará kolkovna" in der Dlouhá-Straße auf der Grenze von Altstadt und Jüdischem Viertel geboren. In der "Stará kolkovna" befand sich auch die Schneiderwerkstatt von Orliks Vater Moritz. In den schmalen Gassen des damaligen Ghettos verbrachte Emil Orlik seine Kindheit und fand dort später auch Inspiration für seine ersten graphischen Blätter.
Die ältesten Porträts von Emil Orlik stammen aus den Jahren 1891-1893, als er an der Münchner Akademie studierte. 1896 kam er nach München zurück und experimentierte gemeinsam mit Bernhard Pankok mit graphischen Techniken, vor allem mit dem Holzschnitt. In dieser Zeit entstand z.B. das Porträt von Alfred Döblin. In der folgenden Prager Zeitetappe zeichnete Orlik einige Mal den jungen Dichter Rainer Maria Rilke, er schuf Karikaturen seiner Freunde vom Verein deutscher Künstler in Böhmen und die lithografische Studie einer jungen Frau. Ein gelungener Holzschnitt ist das Porträt von Otto Mentzel aus dem Jahr 1899.
1899 wurde Orlik Mitglied der Wiener Secession, seine Arbeiten veröffentlichte er in ihrer Zeitschrift Ver Sacrum. Diese erste Zeitetappe in Orliks Schaffen wurde mit seiner ersten großen selbständigen Ausstellung im Jahre 1900 im Mährischen Kunstgewerbestudium in Brno beendet, auf der 310 Werke zu sehen waren. Danach verbrachte Orlik ein Jahr lang in Japan.
Nach der Rückkehr aus Japan hielt Orlik Vorträge und veröffentlichte seine Erfahrungen in der Zeitschrift Ver sacrum. Er beteiligte sich am Schaffen der Wiener Secession, stellte in Paul Cassirers Galerie in Berlin und im Prager Rudolfinum aus. Zu dieser Zeit begann Porträtmalerei in Orliks Schaffen vorzuherrschen, und Porträts waren auch der wichtigste Bestandteil seiner Ausstellungen.
Er lebte damals zwar auch weiterhin in Prag, häufig hielt er sich jedoch in Wien auf, wohin er im Oktober 1904 übersiedelte. Zu der Zeit entstanden seine bekanntesten Holzschnittsporträts - wie die Porträts von Henrik Ibsen, Josef Hoffmann und Bernhard Pankok und der offensichtlich hervorragendste seiner Secessions-Holzschnitte: das Porträt des Malers Ferdinand Hodler. Im Orliks Schaffen spielten Anfang des 20. Jahrhunderts auch die Kaltnadel und verwandte Techniken eine wichtige Rolle. In jener Zeit schuf er die bekanten grafischen Porträts - wie das von Gustav Mahler, Hermann Bahr oder Max Klinger.
1905 begann Emil Orlik als Nachfolger von Otto Eckmann an der "Meisterschule für Graphik und Buchgewerbe" in Berlin zu wirken. Dort zeichnete er viel und skizzierte Porträts seiner Freunde und Bekannten aus den Künstlerkreisen. Aus dieser Zeit stammen z.B. die Porträts von Ernst Barlach, Lovis Corinth, Otto Dix, Käthe Kollwitz, Franz Werfel, Thomas Mann oder Alfred Döblin. 1917 schuf Orlik ein Porträt von Albert Einstein, später kam noch ein grafisches Porträt hinzu und ein Bild, auf dem Einstein Violine spielt. Die meisten Porträts stammen jedoch aus der Theaterwelt. Bald nach seiner Anreise in Berlin nahm er die Zusammenarbeit mit dem Regisseur Max Reinhardt wieder auf, für deren Inszenierungen er Bühnenbild- und Kostümentwürfe schuf.
Dank seines guten Rufs als Zeichner und Porträtist wurde Orlik vom Staatssekretär Richard von Kühlmann auf die Friedenskonferenz in Brest-Litowsk eingeladen, wo er im Februar 1918 Porträts der Vertreter der beteiligten Delegationen zeichnete. Neben einigermaßen idealisierten Porträts schuf er dort auch eine Reihe von Karikaturen, die in einem selbständigen Album mit dem Titel "Brest-Litowsk" als ein Andenken für die Konferenzteilnehmer herausgegeben wurden. Dank des Geschenks des Ehepaars Bollag aus den USA können die Besucher der Prager Ausstellung auch diesen Teil des Werkes von Emil Orlik bewundern.
Damit sind wir fast am Ende des heutigen Spaziergangs durch die neu geöffnete Emil Orlik-Ausstellung angelangt. Die Ausstellung in der Robert-Guttmann-Galerie können Sie noch bis zum 11. April besuchen.