EU-Vorschlag zur Weinwirtschaftreform stößt in Tschechien auf den Unwillen der Winzer
Die EU müsse die überschwappende Überproduktion von Wein bremsen, hieß es vor kurzem aus Brüssel. Das EU Wein Management Komitee hat mittlerweile einem Kommissionsvorschlag zugestimmt, wonach bis zu 3 Millionen Hektoliter französischen Weins und 2,6 Millionen Hektoliter italienischen Weins auf Kosten der EU destilliert werden können. Die vorgesehenen Kosten dürften bis zu 131 Mio. Euro erreichen. Agrarkomissarin Marian Fischer Boel kündigte aber gleichzeitig eine anstehede Weinwirtschaftsreform in der gesamten EU an. Ihr Vorschlag ist in Tschechien nicht gut angekommen. Mehr erfahren Sie in der heutigen Ausgabe der Sendereihe Panorama.cz. Auch diesmal von und mit Jitka Mladkova:
Dass die Tschechische Republik zu den Wein produzierenden Ländern zählt, ist außerhalb ihrer Grenzen bei weitem nicht allgemein bekannt, ganz zu schweigen von der Tatsache, dass sie es vor allem der Region Südmährens verdankt. Außer Südmähren, offiziell Weingebiet Mähren, wird der Wein auch in Mittel- und Nordböhmen angebaut, im Weingebiet Böhmen. Beide können auf eine traditionsreiche Weinproduktio zurückblicken. Nicht zuletzt zeugen davon auch alte viele Volkslieder, in denen der Wein beinahe als Heilmittel gegen alles, vor allem aber gegen den Liebeskummer besungen wird. Eines der bekantesten Trinklieder können Sie gerade jetzt hören:
Die Geschichte des Weinanbaus in den Böhmischen Ländern reicht recht weit zurück, zumindest die in Südmähren. Nämlich bis in die Zeit der alten Römer, als sie mit ihren Grenzschutzlegionen im 3. Jahrhundert n. Chr. beim Expandieren gen Norden u.a. auch die eigene alte Weinanbautradition auch auf das mährische Gebiet exportierten. In Böhmen hingegen sind die Anfänge der Weintrinkkultur erst im Mittelalter zu finden.
Den absoluten Höhepunkt erlebte die einheimische Weinproduktion im 17. Jahrhundert, genauer gesagt, vor dem 30jährigen Krieg. Damals belief sich das Flächenausmaß der Weinberge rund 30 000 Hektar. Von da an ging es in der einheimischen Weinbranche faktisch bis in die jüngste Zeit bergab. Vor dem Wendejahr war das Tafelweinangebot mit nur ein paar Rot- und Weißweinmarken recht beschnitten - und leicht überschaubar! So hat esoffensichtlich dem damaligen Regime ins Konzept gepasst.
Bald nach der politischen Wende hat man aber mit dem Wiederausbau der Flächen begonnen. Insbesondere etwa ein Jahr vor dem EU-Beitritt Tschechiens war das Tempo der Entstehung neuer Anbaugebiete enorm. Den Winzern schwebte ja der 1. Mai 2004 vor Augen, der Stichtag also, nach dem entsprechend dem EU-Weingesetz kein einziger Weinberg mehr im neuen Mitgliedsland Tschechien errichtet werden durfte. Vielen Jammerstimmen zum Trotz, die nach einer Ausnahme, sprich Fristverlängerung riefen, hat man vieles geschafft. Jiri Sedlo, Vositzender der Böhmisch-Mährischen Winzerunion, kann es bestätigen:
"Man hatte uns praktisch keine Ausnahme zuerkannt/eingeräumt, woraufhin aber unsere damalige Regierung sehr gut reagierte. Sie kam mit einem eigenen Fördergeldprogramm. So ist es letzten Endes gelungen, mehr neue Weinberge anzulegen als wir ursprünglich verlangt haben."
In der Tschechischen Republik wird gegenwärtig auf mehr als 18 750 Hektar Wein angebaut. Ein guter Grund für die Zufriedenheit. Doch die hat nun mit dem neuen Vorschlag der EU-Agrarministerin Mariann Fischer-Boel zur Weinwirtschaftsreform einen Riß bekommen. Nach ihm sollen die Weinbergflächen in der EU künfig drastisch schrumfen. Auch aus einem guten Grund, hieß es offiziell aus Brüssel: Man müsse den in Überfluß produzierten Wein, namentlich den Tafelwein, loswerden. Der Kostenaufwand für die Destillierung dieses Weins oder aber für dessen Umwandlung zum Biokraftstoff seien zu hoch. Im Rahmen eines EU-Programms will man also die Winzer mit Prämien dafür begeistern, ihre Weinberge freiwillig zu roden. Dafür sollen in fünf kommenden Jahren 2,4 Mrd. Euro aus dem Unionshaushalt freigegeben werden. Dann allerdings will man den mittlerweile reformierten Weinmarkt wieder lieberalisieren. Dieses Konzept stößt in Tschechien auf keine Zustimmung der Winzerunion. Ihr Vorsitzender sagte uns dazu:
"Es ist die pure Geldvergeudung! 40 Prozent des EU-Budgets für den Agrarbereich steckt Brüssel in den Weinsektor, die dann in der sinnlosen Rodung versickern würden. Zunächst würde ein Weinberg für das Geld aus der EU stillgelegt. Dann kann sich aber der Winzer seinen Boden wieder vorbereiten, um nach 2013 mit der einzuführnden Weinmarktliberalisierung wiederum einen neuen Weinberg anzulegen. Das Geld könnte man besser nutzen!"Jiri Sedlo zufolge würde mehr Sinn machen, mit diesem Geld u.a. die Propagierung des Weins zu finanzieren, und dies sowohl in Europa - z. B. in Polen, Litauen, in den skandinavischen Ländern, aber auch in Übersee. Allein davon würde er sich schon einen Anstieg des Weinkonsums versprechen. Derzeit beträgt in Tschechien der Pro-Kopf-Verbrauch ca. 17 Liter, das ist etwa die Hälfte des EU-Durchschnitts. Sedlo denkt aber keineswegs an die Förderung des Tafelweinverbrauchs, sondern nur und allein an die Werbung für guten Wein. Ja, in Tschechien womöglich für den tschechischen, versteht sich. Die Unwissenheit der Bevölkerung sei aber immer noch zu groß, meint er. Mit anderen Worten gesagt:
"Das ist die Frage der Aufklärung des Weinkonsumenten. Er soll sich in den verschiedenen Sorten des Qualitätsweins orientieren, um zu wissen, was er gerade trinkt."
Und wenn er schon weiss, was er trinkt, soll auch auch wissen, welche gesundheitsfördernde Wirkungen so ein guter Wein haben kann! Vorausgesetzt natürlich, der Weinkonsum halte sich in Grenzen! Auch da bestehe ein Nachholbedarf, meint Jiri Sedlo, und sieht darin ein weiteres Argument, mit dem er seine Vorstellung über eine grössere Weinpropagierung mit dem Geld aus Brüssel untermauern will. Und nun eine leicht provokative Frage an den leidenschaftlichen Propagagor des einheimischen Weins: Ist der tschechische Wein besser als das Gros der ausländischen Exporte? Seine Antwort:
"Also von einer 100prozentigen Gültigkeit diese Behauptng kann nicht die Rede sein, aber - sagen wir - zu 80 Prozent gilt es schon! Nehmen wir uns stellvertretend die USA als Beispiel. Dort kann man dem Wein bis zu 30 Prozent Wasser beimischen. So was kommt in der EU gar nicht in Frage!"
Außerdem produziere Tschechien nur sehr wenig des umstrittenen Tafelweins. 90 Prozent deshierzulande konsumierten Tafelweins stamme entweder aus den weiteren EU-Ländern oder aus den USA, Chile, Südafrika, Australien und anderen Staaten.
In Tschechien werden jährlich rund 600.000 Hektoliter produziert. Damit kann die einheimische Nachfrage aber nur zu 45 Prozent gedeckt werden. Die restlichen 55 Prozent bleiben den Weinimporten aus anderen EU-Ländern sowie aus verschiedensten Teilen der Welt vorbehalten. Die überschwappenden Weinregale in tschechischen Gechäften sind ein guter Beleg dafür.
Doch nicht nur In Frage der vorgeschlagenen Rodung von Rebenflächen stimmt man hierzulande mit den Vorstellungen der Brüsseler Reformbefürworter überein. Die Winzer sind z.B. auch gegen eine detailliertere Ettiketirung der Tafelweinsorten, für die man offensichtlich die Inspiration auf Weinflaschenvignetten aus dem Übersee gefunden hat. Jiri Sedlo beruft sich auf die einheitliche Einstellung der meisten Winzerverbände der EU:
"Wir wollen nicht, dass auf den Flaschen mit billigem Tafelwein Angaben über die jeweilige Weinsorte und der Weinjahrgang angegeben werden. Uns geht es darum, nach wie vor den Qualitäts- von dem Tafelwein zu unterscheiden. Beim letzteren soll der Kunde wissen, dass er sich ein Produkt ohne Qualitätsgarantie kauft."Doch bei weitem nicht in allen Fragen herrscht unter den europäischen Winzern die Einigkeit. Dies hängt mit unterschiedlichen nicht selten auch regional bedingten Herstellungsverfahren wie Wasser- oder Zuckerzusatz u.a. zusammen. Im Prinzip aber will man bei der Verhandlung des Vorschlags der Agrarkommissarin im Herbst dieses Jahres zumindest im Rahmen der mitteleuropäischen Region an einem Strang ziehen. Noch einmal Jiri Sedlo:
"Mit unseren Nachbarländern sind wir einig, da vertreten wir im Prinzip auch dieselben Positionen."