Europa ist für Israel verantwortlich

"Der so genannten westlichen Welt mangelt es nicht an kritischer Betrachtung der eigenen Entscheidungen, sondern an Maßstäben, und deswegen verfällt sie in Unsicherheit. Für die Terroristen ist sie damit zu einem einfach erreichbaren Ziel geworden." Dieser Gedanke tauchte in einem der Kommentare auf, die vorige Woche in der tschechischen Tagespresse zum Thema "Irak - ein Jahr danach" erschienen sind.

Der Mangel an den erwähnten Maßstäben wurde umso deutlicher im Zusammenhang mit der Tötung des Hamas-Führers Scheich Ahmad Jassin. Befürchtungen vor neuen Terroranschlägen wären begreifbar. Man erfuhr jedoch aus den Medien vor allem westlich der tschechischen Grenze viel über die Empörung der Politiker und die Tötung eines greisen Rollstuhlfahrers, der u.a. ein Radikaler gewesen sei. Die Tatsache, dass dieser Mann Drahtzieher zahlreicher Attentate war und mehr Zivilisten auf dem Gewissen hatte als die Attentäter von Madrid, wurde oft nur mit äußerst euphemistischen Worten umschrieben. Mit Euphemismen wird übrigens nicht gespart - um zum Beispiel den Begriff "Terrorist" zu vermeiden, spricht man bei der Schilderung der Nahostlage von "Radikalen" - in der skandinavischen Tagespresse manchmal auch von "radikalen Widerstandskämpfern". Im Statut der erzradikalen Hamas-Bewegung heißt es u.a., Israel müsse von den Juden gesäubert werden und die Juden seien für die beiden Weltkriege verantwortlich. Die Ähnlichkeit mit den Proklamationen aus der Nazi-Zeit ist nicht zu übersehen. Es würde aber - bis auf eingefleischte Neonazis - niemandem einfallen, die einstigen führenden Vertreter und Ideologen des Dritten Reichs mit Euphemismen wie zum Beispiel "radikale Volkskämpfer" zu bezeichnen. Für das Geschehen in Israel, das nach dem in Europa entfesselten Zweiten Weltkrieg und der Schoa als ein Zufluchtsort für die Juden entstanden ist, werden von den Europäern andere Maßstäbe genutzt. Israel scheint zwar weit von Europa entfernt zu sein, aber Europa sollte auf seine Verantwortung für dieses Land nicht verzichten. Sonst könnten die europäischen Politiker mal mit entsprechend trauriger Miene in Brüssel ein Mahnmal für den einst existierenden Staat Israel enthüllen...