Fahren die Tschechen vorsichtiger? Nur auf den ersten Blick

So wenig Verkehrsunfälle und so wenig Verkehrsopfer wie seit 20 Jahren nicht mehr. So lautete die gute Botschaft Ende vergangener Woche in Tschechien. Bei näherem Hinsehen findet man jedoch auch ein „Aber“.

Die positivste Angabe der jüngsten Verkehrsstatistik besagt: Im Jahr 2009 sind in Tschechien 160 Menschen weniger auf den Straßen ums Leben gekommen als ein Jahr zuvor. Insgesamt wurden 832 Unfallopfer registriert. Der Polizei zufolge ist dies die niedrigste Zahl seit 1990. Im Vergleich mit der Rekordzahl 1443 aus dem Jahr 1994 liegt der Rückgang bei rund 40 Prozent. Über die Zahl der Verkehrsunfälle wird aber in den Medien hierzulande gestritten. Im Jahresvergleich soll sie sogar um die Hälfte gesunken sein. Ein Zahlenspiel mit Unvergleichbarem, sagt der Verkehrsexperte Stanislav Huml:

„Dieser Rückgang ist nur darauf zurückzuführen, dass wesentlich weniger Verkehrsunfälle der Polizei gemeldet werden. Ihre Zahl ist nicht genau und daher kaum geeignet für einen Vergleich. Sehr relevant ist natürlich die Zahl der tödlichen Verkehrsunfälle. Ihre Senkung hat große Bedeutung.“

Die mangelnde Genauigkeit der Statistik führt Huml auf die Novelle des Verkehrsgesetzes zurück, die seit Beginn 2009 in Kraft ist. Ihr zufolge müssen nur noch die Verkehrsunfälle bei der Polizei gemeldet werden, bei denen ein Schaden im Wert von über 100.000 Kronen, umgerechnet rund 4.000 Euro, entstanden ist.

Über genauere Daten verfügen die Versicherungsanstalten, bei denen auch die Unfälle registriert werden, die unter dem festgelegten Schadenswert liegen. Es sei zwar kein dramatischer Anstieg verzeichnet worden, aber auch kein Rückgang der Verkehrsunfälle, verlautbarten dieser Tage die größten Versicherungen mittels ihrer Sprecher.

Das neue Gesetz hat offenbar auch ermöglicht, dass sich wahrscheinlich viele Autofahrer, die einen Verkehrsunfall unter Alkoholeinfluss verursacht haben, der Strafe entziehen konnten. Die Polizei bleibt in vielen Fällen weg und der Sünder macht sich aus dem Staub – eventuell erst nach Absprache mit dem Beschädigten. Statistisch gesehen ist die Zahl der alkoholisierten Autofahrer 2009 im Jahresvergleich um 1600 zurückgegangen. Das ist aber selbst für manchen Polizisten eine kaum glaubwürdige Zahl. Josef Tesařík von der Direktion der Verkehrspolizei ist sogar vom Gegenteil überzeugt:

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„Bei tödlichen Verkehrsunfällen, die unter dem Alkoholeinfluss passierten, sind 123 Menschen ums Leben gekommen. Das sind 43 Menschen mehr als im Jahr 2008. Dies entspricht dem höchsten Anstieg seit sechs Jahren. Die Zahl der Verkehrstoten bei den durch Alkoholkonsum verursachten Unfällen nimmt in der Gesamtstatistik der Verkehrsopfer fast 15 Prozent ein. Das ist wiederum die höchste Zahl seit 15 Jahren.“

Über die wahren Unfallbilanzen dürfte hierzulande noch eine Zeitlang spekuliert werden. Vielleicht bis zum nächsten Jahresbericht der Verkehrspolizei. Bis dahin werden aber viele Tschechen wahrscheinlich weiter davon ausgehen, dass Verkehrsvorschriften nur dann gelten, wenn ein Polizist in Sicht ist. Leider.