Ferdinand Porsche: Der Konstrukteur des Käfers aus Nordböhmen

Ferdinand Porsche, Aufnahme von 1910, abfotografiert

Er hat die Welt des Autos mitgeprägt: Ferdinand Porsche. Was vielleicht nicht ganz so viele wissen – der berühmte Konstrukteur stammte aus Nordböhmen, konkret aus einem Ort, der heute ein Stadtteil von Liberec / Reichenberg ist.

VW Käfer | Foto:  Josef Mlejnek,  Tschechischer Rundfunk

Obwohl der Name des Konstrukteurs auf Wagen mit sehr viel mehr PS und Geschwindigkeit schließen lässt, war es Ferdinand Porsche (1875-1951), der zu großen Teilen den VW Käfer erfunden hat.

Das Geburtshaus von Porsche befindet sich in einem Stadtteil des heutigen Liberec, konkret in Vratislavice nad Nisou, das damals Maffersdorf hieß. Das Museum der Škoda-Werke hat in dem Haus eine kleine Ausstellung installiert. Lukáš Nachtmann leitet das Archiv des Museums und schildert im Geburtshaus das elterliche Umfeld von Ferdinand Porsche:

Das Geburtshaus von Ferdinand Porsche in Vratislavice,  Liberec | Foto:  Eva Malá,  Tschechischer Rundfunk

„Sein Vater war ein sehr aktiver Mann. Unter anderem hat er sich politisch engagiert, und er war bei der Freiwilligen Feuerwehr. Das hat auch den Sohn beeinflusst. Ferdinand Porsche war sehr an Technik, am Umgang mit elektrischem Strom interessiert. Deswegen ist er hier im damaligen Reichenberg auf die Staatsgewerbeschule gegangen und hat hoffentlich auch etwas gelernt.“

Dabei hatten die Eltern keinen technischen Hintergrund und verdienten ihr Geld anderweitig. Doch der Filius experimentierte gerne mit den Möglichkeiten der Elektrizität.

Gedenktafel für Porsche an der ehemaligen Staatsgewerbeschule | Foto: Ferdinand Hauser,  Radio Prague International

„Ferdinand hat viele Versuche unternommen. Zum Beispiel wird gesagt, er habe Schlittschuhe mit einer Beleuchtung ausgestattet, was ich aber nicht glauben kann. Das Wichtigste war aber: Als sein Vater einmal nach Hause kam, hatte Ferdinand einen Schalter installiert, um das Licht im Haus an- und auszuknipsen. Das überzeugte ihn, dass sein Sohn wirklich etwas kann und er ihm die Chance geben sollte, sich in dieser Richtung zu entwickeln“, so der Experte.

Bereits mit 18 Jahren verließ Ferdinand Porsche das elterliche Haus und ging nach Wien. Zunächst war er bei einer Elektrotechnikfirma beschäftigt, in der er sich vom Mechaniker zum Leiter der Prüfabteilung emporarbeitete. 1899 nahm er eine Stellung bei den Lohner-Werken an. Lukáš Nachtmann:

„Die Firma Lohner war eine Kutschenfabrik. Auf vielen Schlössern findet man heute noch Kutschen der Marke, und auf den Naben steht dann das Logo der Firma. Zusammen mit dem Chef entwickelte er ein System, das man heute Hybrid nennen würde. Es handelte sich also um einen Verbrennungsmotor, der auch mit einer Batterie angetrieben werden konnte. Der Lohner-Porsche wurde patentiert. Und mit einem der ersten dieser Fahrzeuge fuhr Ferdinand Porsche zurück von Wien nach Maffersdorf, um seine Verlobte den Eltern vorzustellen. Sein Vater sagte, es sei anders, als er sich das vorgestellt hatte. Er habe eigentlich an die Tochter des Fabrikanten Kinský in Liberec für ihn gedacht, doch wenn er es so haben wolle, dann sei das in Ordnung.“

Ausstellung im Geburtshaus | Foto:  Till Janzer,  Radio Prague International

Die Verlobte war Aloisia Johanna Kaes aus Pořejov / Purschau in Westböhmen. 1903 heirateten beide. Ihre beiden Kinder Louise und Ferry standen später dann hinter dem Aufstieg des Sportwagenherstellers Porsche in Stuttgart-Zuffenhausen. A propos schnelle Autos. Schon Ferdinand Porsche präsentierte nach dem Ersten Weltkrieg seinen ersten Flitzer. Ursprünglich handelte es sich um das Projekt eines finanzierbaren Kleinwagens, so wie dies später der Käfer werden sollte. Zu dem geplanten Serienmodell entstand auch eine Rennversion, alles finanziert von einem adligen Auftraggeber…

Lukáš Nachtmann | Foto: Till Janzer,  Radio Prague International

„Alexander Graf Kolowrat-Krakowsky war ein Unternehmer in Wien, aber auch hierzulande. Er besaß Aktien der Automobilfabrik Laurin & Klement in Mladá Boleslav, heute Škoda. Zusammen haben sie das Auto mit dem Namen ‚Sascha‘ wegen Alexander entwickelt. Ein Exemplar davon steht im Stuttgarter Porsche-Museum“, schildert Nachtmann.

Der zweisitzige Rennwagen Sascha dominierte bis 1922 fast alle Rennen, an denen er eingesetzt wurde.

Von Daimler zu Volkswagen

Ab 1923 war Porsche dann in Deutschland. Und das kam so:

Ausstellung im Geburtshaus,  Voltasäule | Foto:  Till Janzer,  Radio Prague International

„In Österreich arbeitete er zuletzt bei der Firma Austro-Daimler. Aber er wechselte zum Mutterkonzern Daimler nach Stuttgart. Nach einigen Jahren gründete er jedoch ein eigenes Konstruktionsbüro, das die Grundlage wurde für die spätere Firma Porsche. Nur in einer Firma gewesen zu sein, war ihm zu wenig. Er wollte mehr Konstruktionen zur Welt bringen. Seine Idee war, diese auf Papier aufzuzeichnen. Und wer wollte, konnte die Erfindungen selbst konstruieren lassen.“

Auf diese Weise gelangte Porsche zu seinem wohl erfolgreichsten Kind, dem späteren VW Käfer…

„Die Führung des Deutschen Reiches hatte die Idee, einen billigen Volkswagen zu entwickeln. Man sagte auch 1000-Reichsmark-Auto. Viele Konstrukteure meinten jedoch, dass dies so billig nicht möglich sei. Einige haben es dennoch versucht. Und nach dem Urteil von Hitler reichte Ferdinand Porsche die beste Idee ein. Er wurde dann auch zum Direktor der neuen Firma nahe Fallersleben ernannt“, erzählt der Archivleiter aus Mladá Boleslav / Jungbunzlau.

VW Käfer | Foto: Pexels,  Pixabay,  Pixabay License

Porsche wurde also zum Chef der späteren Volkswagen-Werke. Vor dem Krieg konnten sich im Prinzip nur gut Betuchte ein Auto leisten. Und das blieb auch erst einmal so, denn vom Käfer entstanden zunächst nur Versuchswagen. Erst unter Leitung der britischen Besatzungsmacht wurde ab Dezember 1945 mit der Serienfertigung begonnen. Doch welchen Anteil hatte Ferdinand Porsche an diesem späteren Produkt?

„Als Gesamtkunstwerk ist es eine Idee von Ferdinand Porsche. Einige Sachen im Design stammen nicht von ihm, ebenso wie bestimmte technische Details. Darüber kam es auch zu einem Rechtsstreit mit den Erben von Hans Ledwinka aus den ehemaligen Tatra-Werken. Aber als Gesamtfahrzeug ist es eine Erfindung von Porsche, und er war auch stolz drauf – es war sein beliebtestes Kind.“

KdF 41 | Foto: Josef Mlejnek,  Tschechischer Rundfunk

Der Streit mit Tatra begann bereits kurz vor dem Zweiten Weltkrieg. Nach 1945 wurde die Frage der Patentverletzungen wieder neu aufgenommen. Letztlich soll der Volkswagen-Konzern dann 1965 als Ausgleich eine Million D-Mark an die Tatra-Werke im mährisch-schlesischen Kopřivnice / Nesselsdorf gezahlt haben. Es ging laut Nachtmann aber nicht um die Außenkonstruktion, sondern um…

„…verschiedene technische Lösungen in der inneren Konstruktion, obwohl Tatra oder auch Škoda jeweils ein Auto gebaut haben, das von der Ansicht her dem Käfer sehr ähnlich war. Der Streit betraf aber technische Lösungen unter der Haube“, wie Lukáš Nachtmann präzisiert.

Porsche und das NS-Regime

Adolf Hitler und Ferdinand Porsche | Foto: ČTK/DPA/DB

Eine schwierige Frage ist die nach den Verstrickungen von Ferdinand Porsche in das nationalsozialistische Regime und vor allem um die Mitschuld an Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Auf Drängen Hitlers gab der Autokonstrukteur 1934 seine tschechoslowakische Staatsbürgerschaft ab und nahm die deutsche an. Drei Jahre später trat er der NSDAP bei. 1942 wurde er ehrenhalber SS-Oberführer, und 1944 erhielt er den SS-Totenkopfring als Auszeichnung. Zugleich sagt der Archivleiter:

„Konkret weiß niemand, was im Kopf des Mannes ablief. Er musste sehr nah am Regime sein, denn er wollte für die deutsche Wehrmacht arbeiten und verschiedene Panzer konstruieren. Wenn er seine Ideen verwirklicht sehen wollte, dann musste er kooperieren. Obwohl er daher dem Regime nahestand, hat er weder den Totenkopfring noch die Nazi-Uniform jemals getragen. Er hat die Uniform auch nicht abgeholt, sie wurde ihm per Post zugeschickt. Vielleicht bringt das etwas Licht in die Frage, wie es in dem Kopf dieses technischen Genies ausgesehen haben mag.“

Ferdinand Porsche | Foto:  Till Janzer,  Radio Prague International

Historiker haben allerdings auch darauf hingewiesen, dass Ferdinand Porsche zum Beispiel 1941 selbst sowjetische Kriegsgefangene als Zwangsarbeiter für das VW-Werk anforderte. Bei einer späteren Aktion sollen es KZ-Häftlinge gewesen sein. Allerdings sprach ihn ein französisches Kriegsgericht 1948 von der Beteiligung an möglichen Verbrechen frei.

Nach seiner Freilassung zog sich Ferdinand Porsche nach Österreich zurück, konkret nach Zell am See, wo er nach seinem Tod am 30. Januar 1951 auch beigesetzt wurde.

Was bleibt heute aber von seinen Ideen? Eines sei sicher der Hybrid-Motor, den der Konstrukteur schon zu Ende des 19. Jahrhunderts umsetzte – aber auch weitere Erfindungen. Doch nicht nur das…

„Sein Geist wurde in der Firma Porsche in Stuttgart verwirklicht – mit den Produkten, die dort heute gebaut werden. Das geschah vor allem durch seine Kinder. Denn Ferry Porsche wurde Kopf der Porsche-Familie und Louisa der Kopf der Piëch-Familie. Das heißt, Ferdinand Piëch, der spätere Chef des VW-Konzerns, ist der Cousin der Porsche-Mitglieder. Es ist also weiterhin eine Familie, die viel Einfluss hat“, befindet Lukáš Nachtmann.

Porsche 918 Spyder | Foto:  Till Janzer,  Radio Prague International

Gerade an seinem Heimatort in Nordböhmen hat man sich aber viele Jahrzehnte schwer getan mit dem Erbe Porsches. 2011 kaufte Škoda das Geburtshaus Liberec-Vratislavice, riss es ab und baute es wieder neu auf – mit der heutigen Ausstellung:

Vor dem Geburtshaus | Foto:  Till Janzer,  Radio Prague International

„In den letzten Jahren hat sich die Situation bereits deutlich gebessert. Wir möchten ganz offen sein und erzählen hier nicht nur die Biographie dieses technischen Genies. Wir stellen viel mehr die gesamte Persönlichkeit vor und schildern die Technik-Geschichte. Nichts ist also ein Geheimnis, und das hat geholfen. Davor war die Lage kompliziert. Auch die kommunalen Aktivisten und Politiker haben das ausgenutzt, und so haben die Leute darüber gestritten, ob Porsche ein Genie oder ein Nazi war. Das Schild „Willkommen in Vratislavice / Maffersdorf, dem Geburtsort von Porsche“ musste recht bald wieder beseitigt werden. Erst danach hat sich mit vielen diplomatischen Bemühungen vonseiten Škoda Auto die Situation verbessert. Dir Firma besitzt auch das Geburtshauses und hat hier ein Museum eingerichtet. Mit der schon erwähnten Diplomatie wurde erreicht, dass es gut angenommen wird.“

Bevor das Museum entstand, beherbergte das Haus zu kommunistischen Zeiten unter anderem eine Autowerkstatt. Nichts von der ursprünglichen Einrichtung sei geblieben, deswegen habe man auch kein klassisches Geburtshaus-Museum geplant, sagt Nachtmann:

Foto: Jaroslav Hoření,  Tschechischer Rundfunk

„Wir wollten es nicht nur als das Haus eines Mannes präsentieren, sondern auch als Idee, was alles die Techniker aus dieser Region hier geleistet haben. Also Tschechien als Wiege von vielen verschiedenen pfiffigen Köpfen.“

Wie etwa František Křižík mit seiner Kohlebogenlampe oder Ludvík Otčenášek mit seinen Raketenkonstruktionen. Allerdings ist das größte Exponat durchaus ein Auto. Derzeit handelt es sich um einen Porsche 918 Spyder.

„Seit drei Wochen steht hier ganz frisch dieser herrliche Hybrid. Früher war hier ein älteres Modell von Austro-Daimler ausgestellt. Und ganz zu Anfang stand hier der Nachbau des ersten Hybrid-Fahrzeugs von Ferdinand Porsche. Jedes Jahr tauschen wir also das Hauptexponat aus“, so der Archivleiter.

Das Geburtshaus von Ferdinand Porsche (Rodný dům Ferdinanda Porscheho) befindet sich in der Tanvaldská 38, Liberec – Vratislavice nad Nisou. Geöffnet ist es freitags bis sonntags von 9 bis 17 Uhr. Außerhalb der Öffnungszeiten sind auch Besuche nach Absprache möglich. Website: https://museum.skoda-auto.cz/porsche-house.

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Autor: Till Janzer
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