Festival „Na hlavu“ verweist auf Zunahme psychischer Erkrankungen während des Lockdowns

Von Freitag bis Sonntag findet ein neuer Jahrgang des Festivals „Na hlavu“ (umgangssprachlich etwa: „bekloppt“) statt. Seit mehreren Jahren bereichert es die öffentliche Diskussion in Tschechien um das Thema psychischer Erkrankungen. Wegen der Corona-Pandemie findet auch dieses Festival nun ausschließlich im Internet statt. Und es hat mit dem Lockdown einen klaren Programmschwerpunkt gefunden.

Nationales Institut für psychische Gesundheit  (Foto: Zdeňka Pálffyová,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 4.0)

Veranstaltet wird „Na hlavu“ vom Nationalen Institut für psychische Gesundheit (Národní ústav duševního zdraví, NÚDZ). Gleich die erste Gesprächsrunde des aktuellen Jahrgangs zum Thema Leben mit der Diagnose bezieht auch die Corona-Krise mit ein. Im Programm lassen sich zudem weitere Veranstaltungen finden, die den Umgang mit den andauernden Restriktionen und dem Lockdown thematisieren. Damit wendet sich das Festival bei Weitem nicht nur an Menschen, bei denen eine psychische Erkrankung diagnostiziert wurde. Ein Webinar bietet etwa Beruhigungstechniken für Krankenschwestern und -pfleger an, die in der aktuellen Lage unter enormem Stress stehen. Petr Winkler, Abteilungsleiter beim NÚDZ, ergänzt:

„Das Programm ist auf praktische Vorträge und Seminare darüber ausgerichtet, was die Menschen für ihre psychische Gesundheit tun können. Und das aus verschiedenen Blickwinkeln, angefangen beim Schlaf bis hin zu Themen, die Menschen mit psychischen Erkrankungen betreffen. Einbezogen ist auch die Kampagne ‚Suchej únor‘ (zu Deutsch: trockener Februar, Anm. d. Red.), die sich an Menschen mit Alkoholproblemen wendet.“

Petr Winkler | Foto: Bára Kociánová,  Tschechischer Rundfunk

Die Einschränkungen im Zuge der Corona-Pandemie dauern in Tschechien schon fast ein Jahr. Viele Menschen haben in der Krise ihre Arbeit verloren, und Unternehmen sind in ihrer Tätigkeit eingeschränkt. Das zieht häufig finanzielle Probleme nach sich. Schon länger ist belegt, dass damit hierzulande die Häufigkeit psychischer Erkrankungen ansteigt. Studien dazu wurden zum Beispiel auch in den USA oder Großbritannien durchgeführt. Laut Petr Winkler gleichen sich die Ergebnisse:

„Noch im November 2017 wurden bei 20 Prozent der erwachsenen Bevölkerung Tschechiens psychische Erkrankungen diagnostiziert. Dieser Anteil beträgt nach den beiden Lockdowns im Mai und November vergangenen Jahres nun 30 Prozent. Das bedeutet einen Anstieg um 50 Prozent für alle Formen psychischer Erkrankungen. Im Falle von Depressionen und Angstzuständen aber hat sich die Zahl sogar verdreifacht.“

Illustrationsfoto: Daniel Reche,  Pixabay,  CC0 1.0 DEED

Parallel dazu steigt der Bedarf an psychologischer und psychiatrischer Behandlung. Diese ist im benötigten Umfang in Tschechien aber nicht gegeben. Auch wenn einige gesetzliche Krankenkassen die Finanzierung von Therapien ausgeweitet haben, gibt es aus Mangel an Ärzten keine freien Termine. Hinzu kommt, dass nicht alle Menschen mit psychischen Erkrankungen professionelle Hilfe in Anspruch nehmen wollen. Das müsse sich ändern, so Winkler:

„Es ist an der Zeit, dass wir schnellstens die hiesigen Rückstände im Umgang mit der Psyche aufholen. Das bezieht sich auf die Kenntnisse und die Fähigkeiten der Bevölkerung, die eigene psychische Gesundheit zu erhalten oder sie wiederzuerlangen. Dieses Ziel setzt sich nicht nur das Festival ‚Na hlavu‘. Es gibt außerdem eine breite Initiative mit der Genehmigung des Regierungsrates für psychische Gesundheit, die die Webseite opatruj.se betreibt. Dort finden die Menschen verschiedene Tipps, wie sie sich um ihre Psyche kümmern können.“

Illustrationsfoto: Gerd Altmann,  Pixabay / CC0

Auf diesen Seiten wird zum Beispiel ein Wellbeing-Test angeboten, bei dem das aktuelle Wohlbefinden untersucht werden kann. Psychische Belastungen und Erkrankungen jedenfalls sind auch in Tschechien kein Außenseiterphänomen. „Jeder ist manchmal ein bisschen bekloppt“, heißt es auf der Facebook-Seite des Festivals „Na hlavu“ zur Begründung dafür, dass öffentlich mehr über das Thema gesprochen werden sollte. Eben auf Facebook und auch auf dem entsprechenden YouTube-Kanal lassen sich ab Freitag, 19 Uhr, die Vorträge und Seminare des diesjährigen Festivalprogramms verfolgen.