Fußball-EM-Qualifikation: Nach Niederlage gegen Island steigt der Druck

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Es war der Kampf um die Tabellenspitze: Im EM-Qualifikationsspiel in Island wollte Tschechien die Führung in der Gruppe A behaupten. Doch die Schützlinge von Nationaltrainer Pavel Vrba verloren – und sind jetzt plötzlich wieder stark gefordert.

Am Ende des Spiels jubelte das isländische Team  (Foto: ČTK)
Am Ende des Spiels am Freitag jubelte nur ein Team: das isländische. Mit 2:1 gewannen die Nordeuropäer. Damit haben sie nun die Spitze der Tabelle übernommen. Für die Tschechen war es eine vermeidbare Niederlage – wenn man sich mehr konzentriert hätte. In der ersten Halbzeit hatten Mannschaftskapitän Tomáš Rosický bei seinem hundertsten Start im Nationaldress und seine Mitstreiter das Spiel eigentlich im Griff. Und Bořek Dočkal brachte in der 55. Minute sein Team auch noch in Führung, durch einen Schuss, der wie ein Strich in den Winkel flog. Nun aber waren die Isländer angestachelt. Torhüter Petr Čech resümierte nach dem Spiel die zweite Halbzeit in Reykjavik:

Petr Čech  (ganz rechts). Foto: ČTK
„Das Tor hat uns paradoxerweise mehr geschadet als ihnen. Die Isländer haben dann mit mehr Zug zum Tor und mit mehr Aggressivität gespielt. Und ihre Aktionen klappten, wir haben nicht lange dagegenhalten können. Ihr Ausgleich kam zu früh. Damit waren sie wieder im Spiel, und man konnte sehen, wie sie dadurch Selbstbewusstsein und Sicherheit tankten.“

Gerade Torhüter Čech bekam diese Wende besonders zu spüren – denn immer mehr stand er nun im Mittelpunkt. Der Ausgleich fiel schon fünf Minuten später, als das tschechische Team eine Ecke abwehrte, aber Aron Einar Gunarsson am linken Strafraumecke vergaß. Dieser verwertete einen langen, quer geschlagenen Ball per Kopf zum 1:1-Ausgleich.

Lukáš Vácha  (rechts). Foto: ČTK
Ganz bitter kam es dann in der 76. Minute: Der tschechische Sechser Lukáš Vácha riskierte einen Kurzpass im Strafraum, anstatt den Ball einfach wegzuschlagen. Der Pass misslang, Stürmer Kolbeinn Sigthorson umkurvte Torhüter Čech und schob zur 2:1-Führung ein. Der Fehler von Vácha schmerzte umso mehr, da kurz zuvor der eingewechselte Ladislav Krejčí die erneute Führung für Tschechien auf dem Fuß hatte. Beziehungsweise: Er hätte sie auf dem Fuß haben können, wenn er sich den Ball nicht zu weit vorgelegt hätte, als er allein auf den isländischen Torhüter zulief. So aber erhielt das Jubiläumsspiel von Rosický ein trauriges Ende.

Trainer Vrba: Spiele im September werden entscheiden

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Eine Niederlage auf Island, das ist nichts Neues. 2001 verlor Tschechien in der WM-Qualifikation bei dem damaligen Außenseiter und fuhr auch deswegen nicht nach Südkorea und Japan. Aber diesmal war es der Kampf um die Führung in der EM-Qualifikationsgruppe A. Island hat sich nun mit 15 Punkten an die Spitze gesetzt, Tschechien rutschte mit 13 Punkten auf Platz zwei. Stürmer Tomáš Necid, der zur zwischenzeitlichen Führung aufgelegt hatte, ist weiter optimistisch. Er verweist darauf, dass das Team die Teilnahme an der Europameisterschaft nach wie vor in den eigenen Händen, oder besser: eigenen Füßen, hat.

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„Natürlich bedeutet die Niederlage eine Komplikation. Wir wollten gewinnen oder zumindest nicht verlieren und den ersten Tabellenplatz halten. So ist das Leben. Wir haben aber immer noch einen Vorsprung sowohl auf die Niederlande als auch auf die Türkei. Wir müssen nun die Punkte in den anderen Spielen holen“, so Necid, Stürmer beim niederländischen Klub PEC Zwolle.

Vier Spiele stehen für Tschechien noch aus. Dabei lauern die Niederlande auf Platz drei mit drei Punkten Rückstand und die Türkei dahinter mit fünf Punkten weniger. Es geht um die beiden ersten Ränge, die eine direkte Teilnahme an der EM-Endrunde 2016 ermöglichen, und um den dritten Platz, der in die Relegation führt.

Pavel Vrba  (Foto: ČTK)
Der tschechische Nationaltrainer Pavel Vrba befürchtet, dass seine Schützlinge nun unter Druck geraten könnten:

„Angesichts der Tatsache, dass die Niederländer und die Türken jeweils ihre Auswärtsspiele gewonnen haben, entwickelt sich die Lage in unserer Qualifikationsgruppe nicht gerade optimal für uns. Im September werden wir zunächst zu Hause gegen Kasachstan spielen und danach auswärts in Lettland. Wenn wir an diesem Doppelspieltag nicht alle Punkte holen, dann wird es am Ende für uns noch sehr schwer. Denn zum Schluss empfangen wir die Türkei, und dann müssen wir in die Niederlande. Es wird also enorm wichtig sein, wie der Doppelspieltag im September ausgeht.“

An den Anfang zurückgekehrt

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Dabei schwebten die tschechischen Nationalspieler im vergangenen Herbst auf einer Welle der Euphorie. In allen vier Qualifikationsspielen gingen sie als Sieger vom Platz. Die WM-Dritten Niederlande wurden genauso geschlagen wie die Türken vor deren eigenem Publikum, in Kasachstan und gegen Island reichte es ebenfalls zu drei Punkten. Die erste Ernüchterung folgte im März im Heimspiel gegen Lettland, als das Endergebnis nur 1:1 hieß. Petr Čech:

„Wir sind wieder an den Ausgangspunkt zurückgekehrt, leider. Mit den vier siegreichen Begegnungen im Herbst hatten wir uns einen Vorteil verschafft, den sicher kaum jemand erwartet hatte. In den letzten beiden Spielen haben wir dieses Ergebnis aber völlig entwertet. Und zwar, weil wir nur einen Punkte gegen ein Team geholt haben, das nicht im Rennen ist um die Qualifikation zur Europameisterschaft. Und weil wir jetzt Island wieder ins Spiel gebracht haben. Denn die Ergebnisse aus der Paarung mit Island lauten 2:1 und 1:2, und damit würde bei Punktegleichheit zwischen den Isländern und uns nicht die Bilanz entscheiden, sondern die Tordifferenz.“

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Und bei der Tordifferenz hat Tschechien einen Nachteil, der auch auf ein Problem hinweist. Das Team schafft es nicht, den eigenen Kasten sauber zu halten. In jedem Spiel wurde mindestens ein Gegentreffer kassiert, insgesamt sind es acht. Island verteidigt hingegen deutlich besser.

Im Herbst waren die tschechischen Spieler für ihren Kampfgeist gelobt worden. Damit brachten sie sogar die technisch versierteren Teams aus den Niederlanden und der Türkei in Schwierigkeiten. Wo lagen nun die Probleme gegen Island? Nationaltrainer Vrba bemühte sich nach der Begegnung um eine Erklärung.

„Meine Spieler wollten sicher ein gutes Ergebnis erzielen. Am Einsatz hat es nicht gelegen, sie haben alles gegeben. Die Frage ist eher, ob sie nicht technisch schlechter gespielt haben, als wir uns das vorgestellt haben. Ich möchte die Spieler jetzt nicht im Einzelnen beurteilen, aber es gab Unterschiede. Einige Isländer haben auf einigen Positionen einfach besser gespielt“, so Vrba in Reykjavik.

Können die Spieler aus der tschechischen Liga mithalten?

Tschechische Mannschaft  (Foto: ČTK)
Tatsächlich hatte Vrba gegen Island auch kein glückliches Händchen. Die kleineren Änderungen in der Startelf gingen nicht auf, so kamen zum Beispiel der ehemalige Leverkusener Verteidiger Michal Kadlec (Fenerbahçe) und der Noch-Freiburger Vladimír Darida nicht oder nicht von Anfang an zum Einsatz. Und während der Begegnung führten die Einwechslungen nicht wie in vorangegangenen Spielen noch zu einem Tor.

Auch deswegen hat die Laune im tschechischen Team einen Dämpfer erhalten, wie Torhüter Petr Čech bekennt:

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„Natürlich ist da nun etwas Enttäuschung. Wir wollten das letzte Spiel der Saison doch gewinnen oder zumindest ein gutes Ergebnis holen, um eine gute Ausgangsposition zu haben vor dem abschließenden Teil der EM-Qualifikation. Aber leider ist das nicht gelungen, und deswegen nun diese Enttäuschung.“

Die Frage lautet nun: In welcher Verfassung wird das tschechische Nationalteam Anfang September sein? Denn für Stammkräfte wie Petr Čech, derzeit noch Chelsea, Tomáš Rosický, derzeit bei Arsenal London, stehen möglicherweise Vereinswechsel an. Zudem baut Trainer Vrba auch sehr auf Spieler aus der tschechischen Liga. Und der Coach vermutet, es könnte entscheidend werden, wie Landesmeister Pilsen und Vizemeister Sparta in der Qualifikation zur Champions League bestehen. Ob die Nationalspieler beider Vereine mit internationalem Tempo mithalten können oder nicht.

Autor: Till Janzer
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