Fußball-EM: Rosický hofft auf Wiederholung des Turnierverlaufs von 1996
Seit sechs Tagen zieht sie nicht nur Fußballverrückte und sportinteressierte Menschen in ihren Bann: die Endrunde der Fußball-Europameisterschaft 2012, die dieser Tage in Polen und der Ukraine ausgetragen wird. Für diese EM hat sich auch die tschechische Nationalmannschaft qualifiziert. Und das zum fünften Mal in Folge seit der Teilung der Tschechoslowakei im Jahr 1993. Seitdem kehrte das tschechische Team bei jeder zweiten Endrunde mit einer Medaille nach Hause. Und diesmal? Schon in den Gruppenspielen zeigte sich, dass die Trauben für Čech, Rosický und Co. bei dieser EM besonders hoch hängen.
„Ich denke, wir haben so begonnen, wie wir es vorhatten: Wir waren sehr aktiv und wollten die Russen nicht ins Spiel kommen lassen. Das ist uns aber nur bis zum ersten Gegentor gelungen. Danach setzten die Russen ihre Taktik immer besser um: Sie warteten auf unsere Fehler, von denen wir eine Menge gemacht haben, und bestraften sie mehrfach nach tödlichen Kontern.“
Einen dieser Konter schlossen die Russen schon neun Minuten nach der Führung erfolgreich ab, so dass sie mit einem Zwei-Tore-Polster in die Kabine gingen. Die Vorentscheidung? Mitnichten, denn nach dem schnellen Anschlusstor durch Václav Pilař (52.) kam zu Beginn der zweiten Halbzeit wieder Stimmung auf unter den tschechischen Fans.Die Freude über das tolle Tor des kleinen Mittelfeldspielers war jedoch nur von kurzer Dauer. Danach nahmen erneut die Russen das Zepter in die Hand und bestraften die großen Lücken in der tschechischen Abwehr gnadenlos mit zwei weiteren Treffern zum 4:1-Endstand. Der Cleverness der Russen zollte dann auch Rosický Anerkennung:
„Wir haben einfach zu viele Fehler gemacht. Aus denen haben die Russen ihre Chancen und Tore kreiert. Ich denke, es war zu sehen, dass sich ihre Erfahrenheit heute durchgesetzt hat.“Trainer Bílek wiederum kritisierte nach dem Spiel das Fehlverhalten seiner Schützlinge:
„Wir waren drauf und dran, das Spiel zu kippen, haben das Anschlusstor zum 1:2 erzielt, aber anstatt weiter gefährlich nach vorn zu spielen, haben wir im Spielaufbau zu viele Bälle leicht verloren. Das hat uns enorm Kraft gekostet und der Gegner hat uns wie in der ersten Halbzeit für diese Fehler hart bestraft. So kam diese empfindliche Niederlage zustande.“
Empfindlich und verärgert reagierten auch die tschechischen Fans kurz vor dem Abpfiff auf das ungeordnete Spiel ihrer Lieblinge. Mit „Bílek raus“-Rufen quittierten sie die unterm Strich anfängerhafte Vorstellung ihres Teams, für die sie besonders den hierzulande nicht sehr geschätzten Nationaltrainer verantwortlich machten.Vom Spielverlauf und dem Ergebnis enttäuscht war auch der tschechische Torschütze Václav Pilař:
„Als wir zum 1:2 verkürzen konnten, hat mich das Tor eine Weile erfreut. Aber danach haben die Russen noch zwei Tore gemacht, und das stimmt mich natürlich überhaupt nicht froh.“
Die tschechische Mannschaft startete also mit einem Debakel in diese EM-Endrunde. Die Art und Weise, wie die Niederlage zustande kam, war durchaus deprimierend. Auf Journalistenfragen, ob dies der Mannschaft nicht einen psychologischen Knacks gebe, antwortete Kapitän Rosický jedoch wiederholt gelassen:„Ich befürchte keine Niedergeschlagenheit bei uns, denn wir haben diese Situation mehrfach während der Qualifikation kennengelernt. Das Team weiß genau, wie sich das anfühlt, aber ebenso, wie man darauf reagieren muss.“
Und eine erste Reaktion aus dem engeren Umfeld der Mannschaft gab es gleich beim ersten Training nach der Pleite. Zu diesem Training hatte sich auch Verbandspräsident Miroslav Pelta eingefunden. Er sprach davon, dass man nun vor dem Duell mit Griechenland alle Kräfte mobilisieren müsse, um ein vorzeitiges Scheitern bei der EM-Endrunde zu verhindern. Trotz der herben Schlappe im Auftaktspiel zollten die vorwiegend polnischen Zuschauer dem tschechischen Team während des Trainings mehrfach aufmunternden Beifall. Zur Begegnung selbst am Dienstag waren dann auch wieder tausende Fans aus Tschechien angereist, um ihre Mannschaft leidenschaftlich zu unterstützen:„Wir wollen ein Tor“, riefen die Zuschauer und wurden sofort erhört. Denn schon nach sechs Minuten konnten Petr Jiráček und Václav Pilař zwei schnelle Angriffe der Tschechen mit Toren abschließen, so dass sie sehr früh mit 2:0 in Führung gingen. Eine Führung, von der sie dann auch das ganze Spiel über zehren konnten. Erst recht, als Torwart Petr Čech mit einem groben Schnitzer den harmlosen Griechen das Tor zum 1:2-Anschluss förmlich auflegte. Danach mussten die Tschechen noch ein wenig um den Sieg zittern, der aber von den Hellenen nicht ernsthaft in Gefahr gebracht wurde. Mit dem Schlusspfiff jubelte daher auch der tschechische TV-Reporter:„Es ist geschafft. In diesem Augenblick hat die Tschechische Republik die ersten drei Punkte bei der EM 2012“, verkündete TV-Kommentator Pavel Čapek freudetrunken. Auch der Torschütze zum 1:0, der für Wolfsburg spielende Petr Jiráček, strahlte nach dem Abpfiff bis über beide Ohren:„Natürlich gibt das Auftrieb, wenn man so früh ein Tor erzielt, da spielt jeder Spieler gleich etwas besser. Ich bin aber vor allem froh, dass das Tor uns als Mannschaft geholfen hat, von daher war es sehr wichtig.“
Und auch der zweite Torschütze, der ebenfalls bald in Wolfsburg spielende Václav Pilař, zeigte sich nach der Partie gelöst und zufrieden:
„Ich bin froh, dass ich treffe und damit dem Team zu dem Erfolg verhelfe, den wir alle wollen. Heute wollten wir unbedingt den Sieg und haben alles dafür getan. Und weil er uns gelungen ist, sind wir jetzt alle glücklich.“Das waren nach dem Abpfiff auch die tschechischen Fans, die ihr Team danach noch minutenlang feierten. Petr Jiráček aber richtete bereits den Blick nach vorn:
„Jetzt dürfen wir uns nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen, zumal wir wissen, wie hart wir für den Sieg kämpfen mussten. Wir müssen uns sofort auf das letzte Gruppenspiel gegen Polen konzentrieren. Das ist ein ungemein wichtiges Match, das wir meistern müssen.“
Stets optimistisch geblieben ist Tomáš Rosický. Nach der Auftaktniederlage gegen Russland meinte er bereits:„Das kann halt passieren. Bei der WM und EM, die ich zuletzt gespielt habe, haben wir das erste Spiel gewonnen, danach aber zweimal verloren. Vielleicht läuft es ja diesmal genau andersherum.“
So wie im Jahr 1996, als die tschechische Mannschaft mit Pavel Nedvěd, Karel Poborský und Pavel Kuka ihr EM-Auftaktspiel gegen Deutschland mit 0:2 verlor, nach dem folgenden 2:1-Sieg über Italien und dem 3:3 gegen Russland dann aber bis ins Finale vorstieß. Ob Rosický seinem Team für ein ähnliches Wunder aber noch helfen kann, bleibt abzuwarten. Im Spiel gegen Griechenland wurde er bereits zur Halbzeit wegen Schmerzen an der Achillessehne ausgewechselt. Die Fans aber freuen sich schon jetzt auf das Gruppen-Endspiel am Samstag gegen Polen.