Geflüchtete suchen in Tschechien Gelegenheitsjobs, Arbeitgeber bieten eher langfristige Stellen an

Ukrainische Geflüchtete in Tschechien suchen derzeit vor allem Gelegenheitsjobs oder schnelle Verdienstmöglichkeiten durch wenig qualifizierte Arbeit. Die hiesigen Arbeitgeber wollen die neuen Arbeitskräfte hingegen entsprechend ihrer Ausbildung auf längere Zeit anstellen.

Geflüchtete aus der Ukraine vor dem Arbeitsamt | Foto: René Volfík,  Tschechischer Rundfunk

Die meisten Geflüchteten aus der Ukraine, die derzeit in Tschechien unterkommen, planen eine schnelle Rückkehr in ihre Heimat. Deswegen nehmen sie trotz guter Ausbildung hierzulande eher einfache Jobs an. Dies ergab eine Erhebung unter verschiedenen Personalagenturen, durchgeführt von der Presseagentur ČTK.

Jaroslava Rezlerová, Generaldirektorin der ManpowerGroup Tschechien sowie Präsidentin des Verbandes der Personaldienstleister, kann diesen aktuellen Trend bestätigen. In den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks sagte sie am Freitag aber auch, dass es für viele Geflüchtete – zumeist Frauen mit Kindern – derzeit noch zu früh sei, sich um eine Arbeit zu kümmern. Der Schock der Flucht sitze tief, und oft müsse erst noch die provisorische Unterkunftssituation überwunden werden. Für die nahe Zukunft gebe es aber gute Jobaussichten, so Rezlerová:

Jaroslava Rezlerová | Foto: Kateřina Cibulka,  Tschechischer Rundfunk

„Der tschechische Arbeitsmarkt kann all diese neuen Arbeitskräfte gebrauchen, allerdings eher auf langfristige Sicht. Mittelfristig werden die Menschen, vor allem die Frauen, wohl eher flexiblere und auch weniger qualifizierte Arbeitsplätze bevorzugen. Schrittweise wird sich das aber ändern – wenn nämlich klar ist, wie lange die Lage anhalten wird und wann eine Rückkehr in Frage kommt. Wegen des vernichtenden Krieges wird es sich eher um Jahre handeln.“

Diese langfristige Perspektive nehmen auch die Arbeitgeber hierzulande ein, wenn es um die Eingliederung der Geflüchteten geht. Der Verband für Industrie und Verkehr hat dazu Mitte des Monats eine Umfrage unter 124 Unternehmen durchgeführt. Vorstandsmitglied Petr Jonák zu den Ergebnissen:

Petr Jonák | Foto: Tschechischer Verband für Industrie und Verkehr

„Etwa 75 Prozent der Firmen geben an, dass sie Geflüchtete anstellen wollen. Die Umfrage kam auf etwa 15.000 freie Arbeitsplätze, die den Menschen sofort angeboten werden können. Gesucht werden vor allem qualifizierte Mitarbeiter, und dies für eine langfristige Zusammenarbeit. Bei den Angeboten handelt es sich also nicht nur um kurzzeitige Gelegenheitsjobs.“

Es solle im Gegenteil verhindert werden, betont auch Jaroslava Rezlerová, dass die Geflüchteten auf unangemessene Angebote eingehen:

Informationsmaterialien auf Ukrainisch | Quelle:  Innenministerium der Tschechischen Republik

„Für die Kommunikation haben wir Informationsmaterialien auf Ukrainisch vorbereitet. Wir erklären, dass niemand eine Gebühr für ein Arbeitsangebot bezahlen muss. In Zusammenarbeit mit dem Arbeitsministerium wollen wir verhindern, dass die Unwissenheit der Leute ausgenutzt wird und sie in eine prekäre Situation geraten durch schlecht bezahlte und ausbeuterische Arbeit.“

Sowohl für die Flüchtlinge als auch für die hiesigen Unternehmen wird es also von Vorteil sein, die tatsächliche Qualifikation der neuen Arbeitskräfte zu nutzen. Denn auf dem tschechischen Arbeitsmarkt fehle seit Jahren eine große Zahl von Fachkräften, resümiert Rezlerová:

Illustrationsfoto: Martin Pařízek,  Tschechischer Rundfunk

„Es muss eine Lösung gefunden werden zur Anerkennung der Ausbildungen. Dieser Prozess darf sich nicht zu lange hinziehen. Qualifizierte Menschen, die jetzt auch ankommen, sollten hierzulande schnell in ihren Berufen arbeiten können. Es muss zudem genügend Sprachkurse geben. Dies ist ein komplexer Prozess, und es reicht nicht, jemanden einfach anzustellen.“

Die Personalexpertin wendet sich außerdem gegen bereits auftauchende Hasskommentare, dass die Geflüchteten der einheimischen Bevölkerung die Arbeitsplätze wegenehmen würden. Es gebe hierzulande zahlreiche freie Stellen, für die sich seit Jahren niemand finde, stellt Jaroslava Rezlerová richtig.