Schnell und unbürokratisch: Beschäftigung ukrainischer Geflüchteter in Tschechien
In Tschechien sind bis Donnerstag mehr als 33.000 Menschen aus der Ukraine angekommen, die vor dem Krieg in ihrem Land fliehen mussten. Viele Erwachsene unter ihnen suchen bereits Möglichkeiten, hierzulande zu arbeiten.
Nach den Worten von Premier Petr Fiala (Bürgerdemokraten) bereitet die tschechische Regierung ein Gesetz vor, das die zügige Einbindung ukrainischer Geflüchteter in den hiesigen Arbeitsmarkt ermöglichen soll. Gleichzeitig bestätigen Arbeitgeberverbände die ersten Einstellungen. Der Präsident des Hotel- und Restaurantverbandes, Václav Stárek, sagte am Freitagmorgen in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:
„Die hiesigen Dienstleister stellen im Allgemeinen gern neue Mitarbeiter aus der Ukraine ein. Dies bezieht sich nicht nur auf das Unterbringungs- und Gastronomiegewerbe, sondern auch auf weitere Bereiche im Tourismus. Denn im Dienstleistungssektor haben sich Arbeitskräfte aus dem Land sehr bewährt.“
Im Falle seines Verbandes handle es sich vor allem um befristete Stellen, für die die ankommenden Ukrainer nun gebraucht würden, so Stárek:
„Unsere Dienstleistungsbetriebe arbeiten saisonbedingt. Es bieten sich also Teilzeitstellen oder befristete Beschäftigungen an. Bei der Zusammenarbeit mit Vermittlungsagenturen sind wir allerdings etwas vorsichtiger. Wir kooperieren nur mit zertifizierten Firmen, die alle Vorschriften einhalten.“
Die neuen Arbeitskräfte aus der Ukraine könnten so zum einen die langfristigen Auswirkungen der Corona-Krise abfedern. Viele Mitarbeiter des Gastro- und Hotelgewerbes sind nämlich nach dem Lockdown nicht mehr in die Branche zurückgekehrt.
Zum anderen erleben die tschechischen Firmen aber auch ganz aktuell einen Arbeitskräfteschwund. Dabei handelt es sich um ukrainische Männer, die bisher hierzulande ihren Unterhalt verdient haben und nun den Einberufungsbefehl in ihr Heimatland erhalten. Eine Blitzumfrage der Handelskammer hat ergeben, dass 56 Prozent der hiesigen Arbeitgeber diese Erfahrung machen. Laut der Erhebung haben bereits 15 Prozent der ukrainischen Arbeitnehmer Tschechien verlassen, also etwa 30.000 Menschen. Im Moment betrifft dies vor allem wenig qualifizierte Beschäftigte im Baugewerbe oder im Dienstleistungsbereich.
Ins Land kommen nun aber vor allem Frauen mit ihren Kindern. Handelskammerpräsident Vladimír Dlouhý vermutet, dass die derzeitige Zuwanderungswelle den hiesigen Arbeitsmarkt grundlegend verändern wird:
„Die Angebotsstruktur, die daraus entstehen könnte, wird sehr breit sein. Dafür werden auch sehr qualifizierte Leute sorgen. Schon nach dem Ende der Sowjetunion in den 1990er Jahren waren etwa Ingenieure aus der Ukraine bereit, hierzulande Hilfsarbeiten auszuführen. Dies könnte sich nun wiederholen. Wir sollten aber versuchen, die Qualifikation der Menschen zu nutzen.“
Für den Dienstleistungsbereich erwartet Václav Stárek allerdings nicht so markante Veränderungen wie in der Industrie. Denn in Hotel- und Gastrobetrieben würden sowieso schon viele Frauen arbeiten. Den neu ankommenden solle die Arbeitssuche noch zusätzlich erleichtert werden, so der Verbandspräsident:
„Es gab bereits ein Treffen mit der Agentur CzechInvest, an der auch die Handelskammer und andere Arbeitgeberverbände teilgenommen haben. Wir arbeiten an einer Vereinfachung der Einstellungsprozesse und auch an einer Website, die Flüchtlingen bei der Suche nach einem Verdienst schnell weiterhelfen soll.“
Zudem kündigte Innenminister Vít Rakušan (Bürgermeisterpartei Stan) an, Menschen aus der Ukraine wenigstens für ein Jahr unbürokratisch den Zugang zum Arbeitsmarkt zu gewähren. Dies entspricht einem gemeinsamen Entschluss aller EU-Staaten vom Donnerstag, nach dem ukrainischen Geflüchteten ein außerordentlicher Schutzstatus zuerkannt wird. Für die Arbeitsaufnahme in Tschechien ist lediglich ein Spezialvisum notwendig, das das Innenministerium derzeit allen Betroffenen ausstellt.