Tschechien führt Notstand ein, um Flüchtlingen effektiv helfen zu können
Ab Freitag gilt in Tschechien der Notstand. Die Regierung hat diesen beschlossen, um behördliche Prozeduren bei der Hilfe für Flüchtlinge aus der Ukraine abkürzen und schneller Hilfsmittel besorgen zu können.
Der Notstand wird vorerst für 30 Tage gelten. Bei der ersten Ausrufung braucht es keine Zustimmung des tschechischen Parlaments. Aber auch die Partei Ano als stärkste Oppositionskraft steht in ungekannter Einigkeit hinter der Kabinettsentscheidung. Innenminister Vít Rakušan (Stan) erläuterte am Donnerstagmorgen in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:
„Nach den zwei Jahren Notstand während der Corona-Pandemie, als dieses rechtliche Mittel übermäßig genutzt wurde, kann es natürlich sein, dass das Wort jetzt negative Reaktionen auslöst. Dessen sind wir uns bewusst. Unsere Grundphilosophie lautet aber, dass dies kein Notstand ist, der in negativer Weise gegen die tschechischen Bürger angewendet wird. Vielmehr ist es ein Instrument, um den zu uns geflüchteten Ukrainern zu helfen.“
Ein Punkt ist dabei der Antrag auf einen Aufenthalt in Tschechien. Dieser muss innerhalb von drei Tagen gestellt werden. Normalerweise geschieht dies zu den Behördenzeiten auf den Ämtern der Asyl- und Migrationsabteilung. Tschechische Medien berichteten am Mittwoch, dass sich vor den Ämtern lange Schlangen bilden. So auch bei der Dienststelle im Prager Stadtteil Žižkov. Ein Beamter verteilte dort am Mittwoch unter anderem Malkreide oder auch Plüschtiere an die Kinder. Normalerweise wüden hier etwa 100 Menschen pro Tag registriert, jetzt seien es zehnmal so viele, sagte der Prager Polizeisprecher Jan Daněk:
„Am Dienstag haben wir insgesamt 1200 Menschen registriert. Das ist ein riesiger Anstieg. Frauen mit Kindern werden dabei vorgezogen. Für sie haben wir auch 16 mobile Teams im Einsatz. Wir wollen natürlich nicht, dass sich die Menschen in dieser nicht sehr komfortablen Umgebung die Beine in den Bauch stehen. Deswegen versuchen wir, jeden Tag die Lage ein Stück zu verbessern.“
Im Notstand kann nun die Registrierung auch in den sogenannten Assistenzzentren erfolgen, die in allen Kreisen eingerichtet wurden und in denen rund um die Uhr gearbeitet wird.
„Dadurch wird der Prozess beschleunigt. Und die Ukrainer, die nach der langen Reise erschöpft sind – meist sind es Mütter mit Kindern –, müssen dann nicht unnötig warten“, so der Minister
Als weiteren Grund betont Vít Rakušan, dass jegliche Hilfsmaßnahmen im Notstand schneller ergriffen werden könnten:
„Wir können zum Beispiel anordnen, dass medizinische und soziale Einrichtungen für Kinder vorrangig versorgt werden. Wir können auch eine Dienstpflicht in diesen Einrichtungen erlassen, die wir vielleicht sogar tatsächlich brauchen. Bei einer Krise im Bereich Logistik lässt sich der Einsatz von Soldaten oder anderen Staatsbediensteten befehlen.“
Des Weiteren ermöglicht der Notstand öffentlichen Institutionen, auch ohne Ausschreibung nötiges Material zu beschaffen. In der Corona-Krise hatte dies teils zu bedenklichen Auswüchsen geführt. Doch nun könnte es ein wichtiges Mittel sein, schließlich wird der Strom der Flüchtenden in der Ukraine immer größer. In Tschechien sind laut Rakušan bereits bis zu 30.000 Menschen von dort angekommen. Der tschechische Innenminister hält daher eine unkomplizierte Materialbeschaffung für unabdinglich:
„Die Armee kann dies genauso nutzen wie die Kreisverwaltungen. Sie müssen derzeit ziemlich schnell eine Krisen-Logistik aufbauen, schließlich kommen pro Tag 5000 Menschen aus der Ukraine zu uns. Aber die Zahlen werden sich wohl noch deutlich erhöhen. Die Kreise könnten beispielsweise große Zelte anschaffen, um dort den Flüchtlingen erste Unterstützung zu gewähren.“