Gemeinde Tisá schenkt Bewohnern Buchausgabe der Ortschronik

Buchausgabe der alten Ortschronik von Tisá

Die Gemeinde Tisá / Tyssa liegt am westlichen Rand der Böhmischen Schweiz. Der Ort mit rund 1000 Einwohnern ist vor allem durch das Sandsteinlabyrinth Tyssaer Wände bekannt geworden. Jeder Haushalt im Ort hat in den vergangenen Tagen die Buchausgabe der Chroniken von Tisá vom Gemeindeamt geschenkt bekommen.

Buchausgabe der alten Ortschronik von Tisá | Foto: Gabriela Hauptvogelová,  Tschechischer Rundfunk

Bei den Chroniken, die die Bewohner von Tisá bekommen haben, handelt es sich um eine Bearbeitung der deutschen und der nachfolgenden tschechischen Ortschronik, die bis 1946 geführt wurde. Mit der Vertreibung der Deutschen wurde praktisch die ganze Bevölkerung in der Gegend ausgetauscht. Der deutsche und längere Teil der Chronik stammt von Julius Weckend. Er führte sie in den Jahren 1922 bis 1943.

Jiří Řehák (Spojenci PRO! Kraj) ist Geschichtslehrer am Gymnasium in Teplice / Teplitz. Als stellvertretender Hauptmann des Kreises Ústí nad Labem / Aussig ist er für Kultur und Denkmalschutz verantwortlich. Er hat die tschechische Übersetzung der deutschen Chronik bearbeitet. Einige Mal habe er dabei die Reihenfolge der einzelnen Kapitel verändert. Řehák erklärt, warum:

Urenkelinnen von Julius Weckend | Foto: Gabriela Hauptvogelová,  Tschechischer Rundfunk

„Wenn der Chronist Julius Weckend beispielsweise eine Information, die er von Pater Focke aus Libouchec bekam, besonders interessant fand, fügte er sie in die Chronik ein. Damit kommt inmitten der Geschichte von Tisá etwa auch eine Schilderung der Napoleonischen Kriege vor. Ansonsten umfasst die Chronik die gesamte Geschichte des Ortes von seiner Entstehung bis 1943. Der nachfolgende Chronist Josef Salomon war jüdischer Herkunft. Er hörte plötzlich auf zu schreiben. Den Grund dafür kennen wir zwar nicht genau, aber es ist anzunehmen, dass er tragisch war.“

Jiří Řehák sah in der tschechischen Fassung der deutschen Chronik von der Richtigstellung einiger historischer Fehler und Ungenauigkeiten ab.

Jiří Řehák | Foto: Gabriela Hauptvogelová,  Tschechischer Rundfunk

„Ich habe mich einfach entschieden, eher das Authentische an der Chronik zu respektieren, als vielmehr den Herrn, der sie vor 100 Jahren verfasste, zu korrigieren.“

Ins Tschechische wurde das Buch von dem 86-jährigen Gerhard Tschunko übertragen:

„Meine Grundlage war das Manuskript von Renate von Babka, die die handgeschriebene Chronik transkribiert hatte. Denn später wurde die Schwabacher Schrift durch lateinische Buchstaben ersetzt.“

Wie Tschunko anmerkt, fand er das Übersetzen nicht immer spannend:

Gerhard Tschunko | Foto:  Post Bellum

„Es kommen dort beispielsweise viele Daten aus dem Ersten Weltkrieg vor, bei denen es vor Zahlen nur so wimmelt. Sie betreffen verschiedene Fördergelder, Stiftungen, Spenden. Dies war nicht gerade unterhaltsam, auch wenn es für die damaligen Bewohner bedeutsam war. Ich nehme an, dass dem Leser an dieser Stelle bewusst wird, wie schwierig das Leben der hiesigen Bewohner war – und dies ungeachtet dessen, ob sie Deutsche oder Tschechen waren.“

Das neue Buch wird durch einen dünneren Band der tschechischen Chronik ergänzt, die die Geschichte von Tisá noch bis 1946 dokumentiert. Jiří Řehák:

„Diese beschreibt die letzten Monate der deutschsprachigen Bevölkerung in Tisá bis zur allerletzten Vertreibung vom Ende April 1946. Die tschechische Chronik erzählt davon, dass man sich auch in kritischen Situationen fair und ehrenhaft verhalten konnte. Zur selben Zeit spielten sich in der Umgebung jedoch Grausamkeiten ab.“

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