Geschichte des tschechischen Brauereiwesens im Nationalmuseum für Landwirtschaft
Pilsner Urquell, Budweiser Budvar oder Staropramen sind auch für einen durchschnittlichen ausländischen Bierkenner ein Begriff. Bier ist vielleicht das wichtigste tschechische Nationalgetränk. Die Geschichte der Bierproduktion in Böhmen ist mehr als eintausend Jahre alt. Mehr können Sie in einer Ausstellung erfahren, die vor kurzem im Nationalmuseum für Landwirtschaft in Prag eröffnet wurde. Ins Museum laden Sie Martina Schneibergova und Bernd Janning im folgenden Spaziergang durch Prag ein.
Das Nationalmuseum für Landwirtschaft, zu dem auch einige weitere Objekte außerhalb von Prag gehören, zeigt seine ständige Ausstellung im Hauptgebäude, das sich im siebten Stadtbezirk unweit des Letna-Plateaus befindet. Unter dem Titel "Wo das Bier gebraut wird" wurde dort nun eine umfangreiche Ausstellung zur Geschichte des Bierbrauens eröffnet. Die Ausstellung besteht aus etwa zehn Themenwelten, sagt die Kuratorin Lucie Dolanska.
"Am Anfang findet man eine kurze Einleitung in das Thema. Es wird erläutert, wie das Bier gebraut wird, was für Biersorten es gibt usw. Des Weiteren werden die notwendigen Rohstoffe vorgestellt, aus denen Bier gebraut wird. Die Rede ist von Malz und seiner Herstellung, Hopfen und der Tradition des böhmischen Hopfenanbaus. Es wird der Einfluss des Wassers auf die Bierqualität beschrieben. Zur Bierherstellung gehört auch die Bierhefe. Die Besucher haben die Möglichkeit einiges über ihre Zusammensetzung zu erfahren."´Das Malz ist die Seele des Biers, das Wasser ist der Körper des Biers und der Hopfen ist das Gewürz des Biers´, lautet eine Überschrift in der Ausstellung. Mit diesem Vergleich wird das gegenseitige Verhältnis der einzelnen Rohstoffe für das Bierbrauen erläutert. Die Besucher werden auf die wenig bekannte Tatsache aufmerksam gemacht, dass Malz und Wasser beim Bierbrauen die wichtigste Rolle spielen. Der Hopfen, von dem viele glauben, dass er die Grundlage für die Bierproduktion darstellt, hat nur die Rolle eines Gewürzes.
Den Anfängen der Bierbraukunst widmet sich der anschließende Teil der Ausstellung. Lucie Dolanska dazu:"Wir stellen hier auch ägyptische Biergefäße und Bierkrüge aus. Die Aufmerksamkeit konzentriert sich jedoch auf die tschechische Bierbrautradition. Vorgestellt wird die Mälzerzunft sowie die Art, wie das Bier einst zu Hause gebraut wurde. Die Entwicklung geht weiter bis zu den von Adeligen und Bürgern gegründeten Bierbrauereien. Wir ließen hier die so genannte Rauchdarre konstruieren, die auch ´Wallach´ genannt wird. Der Ort an dem das Getreide getrocknet wurde. Die Besucher können ganz realistisch sehen, wie dieser Vorgang verlief." Die Frage, wann das erste Bier in Böhmen gebraut wurde, wird mit dem Hinweis auf die ersten schriftlichen Berichte beantwortet, die das Benediktinerkloster in Brevnov im 10. Jahrhundert betreffen:
"Bischof Vojtech/Adalbert soll sich damals beschwert haben, dass sich die Klosterbrüder mehr mit dem Bierbrauen als mit wichtigeren Aufgaben beschäftigten. Zu Hause wurde das Bier schon immer gebraut, das gehörte zur Arbeit der Hausfrauen. Getränke aus gegärtem Getreide sind so alt wie die Menschheit selbst." Ausführlich befasst sich die Ausstellung mit dem Mälzerberuf, zu sehen sind mehrere historische Urkunden mit Siegeln der Mälzerzunft. Weniger bekannt ist, dass der Schutzheilige der Mälzer der böhmische Landespatron, der heilige Wenzel war. Mit der Bierbrauerei beschäftigten sich jedoch noch weitere Handwerksberufe."Zu ihnen gehören die Fassbinder. Deshalb haben wir eine kleine Fassbinderwerkstatt eingerichtet. Fässer wurden aus hartem Holz geformt, vor allem aus Eichenholz. Wichtig waren auch die Eismänner. Früher gab es keine Kühleinrichtungen, zur Kühlung dienten Eisblöcke, die von eingefrorenen Wasserflächen geholt wurden. Zu sehen sind hier Werkzeuge, die beim Brechen der Eisblöcke benutzt wurden. Oft haben sich Bauern, die im Winter nichts zu tun hatten, mit dieser Tätigkeit befasst. Berühmt geworden sind die Prager Eismänner die ´vltavsti ledari´, die Eisblöcke aus der Moldau holten. Dies war für Prag typisch."
In einer Ecke der Ausstellung wurde eine altertümlich aussehende Schenke nachgebaut. Vor der Schenke kann man eine ganze Liste von Trinksprüchen lesen und mehr über die Gewohnheiten der so genannten Biertrinkerbrüderschaften erfahren. Hat sich der Geschmack der Biertrinker mit der Zeit entwickelt, beziehungsweise, gab es schon früher Kriterien, nach denen die Bierqualität beurteilt wurde? Lucie Dolanska meint:"Heute verfügen wir über lauter wissenschaftliche Tabellen, um die Qualität zu bewerten. Früher verließ man sich auf die eigene Zunge. Es kam oft darauf an, wie stark das Bier war. Aus Bayern stammte der so genannte ´Hirschledertest´. Eine Bank wurde mit Bier begossen, die Ratsherren setzten sich dann darauf. Wenn die Bank nach einer bestimmten Zeit an ihnen kleben blieb, war dies ein Beweis dafür, dass das Bier gut war."
Es gab schon immer sowohl stärkeres Bier vom ersten Sud, aber auch Bier vom zweiten beziehungsweise dritten Sud, das von der ärmeren Bevölkerung getrunken wurde. Da es einst auch kein metrisches System gab, hing in den Schenken meistens ein Biergefäß, in dem ein Nagel befestigt war, und danach wurde die entsprechende Biermenge bestimmt.Die Bierbrauereigeschichte in den böhmischen Ländern kennt auch einige namhafte Persönlichkeiten, die sich wissenschaftlich mit der Bierproduktion befassten. Die Kuratorin dazu:
"Die bekannteste Persönlichkeit ist zweifelsohne Frantisek Ondrej Poupe. Er wird auch ´Vater der tschechischen Mälzer´ genannt. Poupe ist mit den Anfängen des modernen Bierbrauens auf einer wissenschaftlichen Grundlage eng verbunden. Er führte die Benutzung der Thermometer bei der Bierproduktion ein, ließ die Braugefäße schließen, um die Reinheit des Biers zu bewahren. Poupe war ein bedeutender Reformator, der zahlreiche Bierbrauereien modernisierte und umbaute." Ein großer Teil der Ausstellung konzentriert sich auf die Reformen, die Ende des 18. und vor allem im 19. Jahrhundert in der Bierproduktion durchgeführt wurden. Damals begann man Bier vorwiegend aus Gerstenmalz zu brauen. Vorher wurde vor allem Weizen benutzt. Nun setzten sich modernere wissenschaftlich begründete Technologien durch. Viele der großen Bierbrauereien wurden in dieser Zeit erbaut.
"Wir möchten den Besuchern das Bierbrauen möglichst anschaulich zu machen. Daher wurde hier eine Mini-Bierbrauerei installiert, die von den Maschinenwerken in Pacov hergestellt wurde. Es mag zwar kurios wirken, wenn man die moderne Mini-Bierbrauerei neben den alten Gärbottichen und Bierfassdeckeln sieht, aber die Besucher können sich so besser ein Bild der historischen Entwicklung machen. Das war unser Anliegen."In den letzten Jahren sind in ganz Tschechien zahlreiche kleine Gasthausbrauereien entstanden. Der Kuratorin zufolge ist es daher schwierig zu sagen, wie viele Bierbrauereien es in Tschechien gibt. Außerdem ist Dolanska zufolge auch das Bierbrauen zu Hause in der letzten Zeit populär geworden. Die Experten behaupten, dass es in Tschechien genauso viele Biersorten gibt wie das Jahr Tage hat. Am Ende der Ausstellung kann man sich mit einem frisch gezapften Bier aus der Bierbrauerei im ostböhmischen Policka erfrischen. Die Ausstellung mit dem Titel "Wo das Bier gebraut wird" ist im Nationalmuseum für Landwirtschaft bis zum 31. März 2006 zu sehen. Das Museum ist täglich außer montags von 9 bis 12 und von 12.30 Uhr bis 17 Uhr geöffnet.