Geschichte des Vysehrad in der Alten Burggrafschaft

Vysehrad

Auf dem altehrwürdigen Vysehrad, der einst auch Sitz der böhmischen Herrscher war, gibt es seit dem April dieses Jahres eine neue Sehenswürdigkeit. Nach einer gründlichen Renovierung wurden die Räumlichkeiten der Alten Burggrafschaft für die Öffentlichkeit eröffnet. In den mittelalterlichen Palastbau laden Sie Martina Schneibergova und Daniela Honigmann im folgenden "Spaziergang durch Prag" ein.

Alte Burggrafschaft
Die Alte Burggrafschaft, ursprünglich ein Palast, der bereits von Karl. IV. genutzt wurde, soll von nun an als neues Kulturzentrum des Vysehrad dienen. In dem dort eingerichteten Kammersaal werden Theatervorstellungen sowie Konzerte veranstaltet. In den gotischen Kellerräumen wurde eine ständige Ausstellung über die Geschichte dieses historischen Ortes eingerichtet. Für die meisten Tschechen ist der Vysehrad mit der legendären Fürstin Libuse / Libussa verbunden. In welcher Zeit soll diese populäre böhmische Herrscherin gelebt haben, wenn sie nicht nur eine literarische Fiktion ist? Danach fragte ich die Expertin - Historikerin Pavla Statnikova, die die Ausstellung über die historischen Wandlungen des Vysehrad vorbereitet hat:

"Rein theoretisch - wenn Libuse gelebt hätte, würde es sich um das fünfte bis sechste Jahrhundert unserer Zeitrechnung handeln. Es ist dem aber nicht so, denn aus dieser Zeit gibt es gar keine Belege über die Besiedlung des Vysehrad. Die ältesten Siedlungen, die durch archäologische Funde belegt sind, gab es hier im 4. Jahrtausend und in den Jahren 2500-2300 vor unserer Zeitrechnung. Die nächsten Belege stammen erst vom 10. Jahrhundert unserer Zeitrechnung. Dazwischen ist eine große Lücke."

Die böhmischen Premyslidenfürsten lebten um die Jahrtausendwende auf dem Vysehrad. Der am rechten Moldauufer auf einem Felsen errichteter Herrschersitz hatte eine günstige strategische Lage. Der Premyslidenfürst Vratislav II. verließ wegen eines Streites mit seinem Bruder Bischof Jaromir die Prager Burg und zog auf den Vysehrad um, den er zu seinem Sitz machte.

"Er ist später zum ersten böhmischen König gekrönt worden. In seinem Sitz gründete er ein Kollegiatkapitel, das nicht in den Kompetenzbereich des Prager Bischofs, also seines Bruders, gehörte, mit dem er zerstritten war. Vratislav gründete hier auch die St. Peter- und Paul-Kirche, die bis heute die Dominante von Vysehrad ist."

Pavla Statnikova
Aus der romanischen Zeit stammt die St. Lorenz-Kirche, von der jedoch nur einige Bruchstücke erhalten geblieben sind, die man besichtigen kann. Erhalten geblieben ist auch eine Brücke, die die ursprüngliche Basilika mit dem Königlichen Sitz verbunden hat. Romanisch ist des Weiteren die St. Martin-Rotunde, die jedoch umgebaut wurde. Im 12. Jahrhundert verließen die böhmischen Herrscher den Vysehrad wieder. Eine neue Blütezeit erlebte der Vysehrad erst wieder in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, sagte die Historikerin:

"Die Bedeutung des Vysehrad ist im Zusammenhang mit den Bemühungen Karl IV. gestiegen, an die Traditionen der Premysliden anzuknüpfen. In der Zeit entstanden hier einige neue Bauten und Vysehrad wurde neu befestigt. Einige Teile dieser Befestigung kann man noch heute sehen - in der Nähe des Spicka-Tors sowie bei dem östlichen Zugang zum Vysehrad. Aus den Chroniken geht hervor, dass damals auf dem Vysehrad die Bastschuhe aufbewahrt wurden, die angeblich Premysl dem Pflüger, dem Stammvater des böhmischen Herrschergeschlechts gehörten. Wem sie in der Wirklichkeit gehört haben, das wissen wir nicht, weil sie nicht erhalten geblieben sind."

Während der hussitischen Kriege verlor der Vysehrad an Bedeutung. 1420 wurde der Vysehrad, der eine königliche Burg war, von den Hussiten angegriffen und teilweise zerstört. Seitdem ist die Festung allmählich verfallen, sagt Pavla Statnikova:

"Nach den hussitischen Kriegen bemühte sich der böhmische König Georg von Podiebrad, den Vysehrad wieder zu beleben. Er ließ hier ein Städtchen gründen, das ´Stadt des Vysehrad-Berges´ hieß. Zu dieser Stadt gehörte auch das Gebiet unterhalb der Burg, das an die Prager Neustadt grenzte. Diese Stadt existierte bis zum Dreißigjährigen Krieg. Beim Bau der neuen Barockbefestigung im dritten Viertel des 17. Jahrhunderts wurde dieses Städtchen vernichtet und Vysehrad war seitdem nur eine Festung."

Nach 1866, nach der preußischen Invasion nach Prag, wurde die Rolle Prags als Festung aufgehoben. Man kam zum Schluss, dass den Befestigungsanlagen bei der neuen Militärtechnik keine Bedeutung mehr zukommt. Aber eine Garnison war auf dem Vysehrad noch im 20. Jahrhundert, in der Zeit der Ersten Republik stationiert.

Viele Touristen kommen auf den Vysehrad vor allem um den dortigen Friedhof zu besuchen, wo namhafte Persönlichkeiten des tschechischen Kulturlebens bestattet sind. Auf die Idee, hier einen Ehrenfriedhof einzurichten, kamen die Mitglieder des Vereins Svatobor in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts:

"Der erste berühmte Mann, der hier bestattet wurde, war 1862 der Sprachwissenschaftler Vaclav Hanka. Im tschechischen nationalen Bewusstsein war der Vysehrad mit der böhmischen Tradition, mit den alten Sagen über Libuse, Premysl, und Bivoj verbunden. Den Höhepunkt dieser patriotischen Bemühungen stellte 1939 die Übertragung der sterblichen Überreste des tschechischen Dichters Karel Hynek Macha aus Litomerice / Leitmeritz nach Prag und ihre Bestattung auf dem Nationalfriedhof Vysehrad dar. Diese Bestattung war eine tschechische Nationalmanifestation."

Ein Teil der Ausstellung über die historischen Verwandlungen des Vysehrad konzentriert sich auf die archäologischen Ausgrabungen, die auf diesem Gebiet bislang durchgeführt wurden. Ende des 19. Jahrhunderts und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden bei den Ausgrabungen Gegenstände aus dem Äneolithikum gefunden. Mit systematischen archäologischen Forschungen begann man hier 1966. In der Ausstellung kann man Ausgrabungen bewundern, die aus dem Äneolithikum sowie aus dem Mittelalter stammen, sagt die Historikerin:

"Zu den bedeutendsten Funden gehören Exemplare des böhmischen gotischen Glases. Auf dem Gebiet von Prag wurde zwar gotisches Glas schon gefunden, aber es gibt nur wenige erhalten gebliebene Beispiele davon. Die ausgestellten Exponate stammen meistens aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts."

Romanischer Sarkophag
Zu den wertvollsten Exponaten gehört ein romanischer Sarkophag aus dem 11. Jahrhundert, der am Ort der ursprünglichen St. Peter und Paul-Kirche gefunden wurde. In der Ausstellung wird Aufmerksamkeit auch den Legenden geschenkt, die mit dem Vysehrad zusammenhängen. Vorgestellt wird hier die tschechische Schriftstellerin Popelka Bilianova (1862-1941), die sich bemühte, in ihren Werken die historischen Denkmäler Prags zu popularisieren. 1905 gab sie ihre "Legenden vom Vysehrad" heraus.

Die neue Ausstellung über den Vysehrad ist in den gotischen Kellerräumen der Alten Burggrafschaft täglich von 9.30 bis 18 Uhr, in der Zeit von Oktober bis März nur bis 17 Uhr geöffnet.

Fotos: Martina Schneibergova