Grenzüberschreitende Vernetzung – Sudetendeutsche als Vermittler in der Kommunalpolitik
Grenzüberschreitende Vernetzung, Städtepartnerschaften und Patenschaften waren das Thema des Kommunalkongresses der Sudetendeutschen Landsmannschaft im westböhmischen Plzeň / Pilsen. Kommunalpolitiker und Vertreter von Vereinen aus Deutschland und aus Tschechien berieten am Freitag und Samstag über die Möglichkeiten des weiteren Ausbaus der bilateralen Zusammenarbeit. Während der Tagung sprach Radio Prag mit dem Bürgermeister des siebten Prager Stadtbezirks, dem Christdemokraten Jan Čižinský, und dem Vorsitzenden des Sudetendeutschen Heimatrats, Franz Longin.
„Ich bin Bürgermeister des siebten Prager Stadtbezirks – Holešovice. Vor dem Krieg lebten in unserem Stadtteil zwei Minderheiten – die jüdische und die deutsche. Durch den Holocaust und die Vertreibung der deutschsprachigen Bewohner hat unser Stadtteil diese Bevölkerung verloren. Als Kommunalpolitiker weiß ich, wie wichtig und nützlich die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist. Ich nahm in der Vergangenheit an den Sudetendeutschen Tagen in Nürnberg und in Augsburg teil.“
Gelang es Ihnen dabei Kontakte nach Deutschland zu knüpfen?„Ich habe dort einige deutschsprachige Böhmen aus dem siebten Prager Stadtbezirk getroffen. Sie haben ihre Erinnerungen an Holešovice für uns verfasst. Sie werden uns jetzt besuchen, und ich hoffe, dass auch ihre Familien sich Prag ansehen werden.“
Haben Sie vor, an die Vergangenheit Ihres Stadtteils mit seinen Minderheiten in irgendeiner Form zu erinnern? Mit einer Wanderausstellung oder einem Bildband?
In wie weit ist die Geschichte der früheren Bewohner von Holešovice der heutigen Bevölkerung bekannt?
„Ich glaube, dass es schon bekannt ist. Es ist ein Bestandteil unserer Geschichte. Ich finde es notwendig, daran zu erinnern, dass Holešovice zweisprachig war. Diese Zweisprachigkeit haben wir leider verloren.“
Herr Longin, aus welchem Grund wird der Kommunalkongress diesmal in Pilsen veranstaltet? Ist es überhaupt der erste Kommunalkongress, der in Tschechien stattfindet?
„Es ist zum ersten Mal, dass der Kommunalkongress in Tschechien veranstaltet wird. Zuvor fand er in Regensburg statt. Warum? Weil wir einfach unser Thema der grenzüberschreitenden Kontakte und des Kennenlernens vor Ort besser behandeln können als wenn wir es beispielsweise in München veranstalten.“
Die Partnerschaften und Patenschaften zwischen den Städten und Gemeinden gibt es oft seit 25 oder noch mehr Jahren. Wie kann man sie beleben und vertiefen und die Bürger auf beiden Seiten der Grenze für das Engagement gewinnen?
„Ich glaube, dass es kommunal oder regional unterschiedlich ist. Es hängt immer von den Personen ab. Gibt es einen Aktivisten oder eine Aktivistin, dann ist es gut. Wenn er oder sie wegfallen, dann schläft die Partnerschaft manchmal wieder ein.“Spielen die Sudetendeutschen schon die Rolle der Vermittler bei der Vernetzung, der Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene?
„Die Sudetendeutschen haben einen Hang zur Heimat – die alten sowieso und die jüngere Generation weniger, aber es gibt viele, die dies erst nach 20 oder mehr Jahren erleben und empfinden. Deshalb meine ich schon, dass wir die Zusammenarbeit, weil wir sie emotional und nicht abstrakt sehen, viel besser vermitteln können. Wir haben dies auch seit dem Fall des Eisernen Vorhangs schon immer getan.“