Hl. Ludmila

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Von Martina Schneibergova.

Eine der tiefgreifendsten Änderungen, die sich in der Geschichte Böhmens abspielten, war die Christianisierung. Es handelte sich dabei nicht nur um die Ablösung einer älteren Religion, in der Naturkräfte und tote Vorfahren verehrt wurden, durch eine neue Religion oder um den Ersatz alter Symbole durch neue christliche Symbole. Das Christentum stellte eine fast vollständige Verwandlung des öffentlichen sowie privaten Lebens sowie der Staats-, Verwaltungs- und Wirtschaftsverhältnisse dar. Man sollte auf alle bewussten sowie weniger bewussten Traditionen sowie auf fast die ganze bislang übliche Lebensweise verzichten, die von der christlichen Weltanschauung für sündhaft und barbarisch erklärt wurden.

Diese große Änderung im Leben der Tschechen ist mit dem Namen des Premyslidenfürsten Borivoj und dessen Frau Ludmila verbunden. Da Borivoj verhältnismäßig jung gestorben ist, ist die Christianisierung Böhmens vor allem ein Werk der Fürstin Ludmila. Schon vor Borivoj und Ludmila ließen sich jedoch vierzehn böhmische Fürsten 845 in Regensburg taufen. Über die Annahme des neuen Glaubens wurde jedoch erst dann entschieden, als er von dem Fürstengeschlecht der Premysliden akzeptiert wurde. Sie ergriffen dann die Macht über die böhmischen Stämme und erweiterten sie auch auf andere slawische Stämme. Dies geschah erst unter Borivoj, Ludmila und deren Nachfolgern.

Fürstin Ludmila wurde - wie man anhand von Legenden vermuten kann - um das Jahr 860 als Tochter des sorbischen Fürsten Slavibor geboren. Slavibors Fürstentum befand sich in der Nachbarschaft des premyslidischen Gebiets. Die Familienverbindung zwischen den Premysliden und den sorbischen Fürsten soll offensichtlich zur Stärkung der Macht der beiden Fürstengeschlechter beitragen. Ludmila heiratete den Fürsten Borivoj wahrscheinlich im Jahre 873. Bei der Hochzeit waren beide noch Heiden. Genauso heidnisch waren auch deren Länder. Über Ludmila kann man in einer Legende lesen, dass sie in ihrer Jugend "den heidnischen Göttern Opfer brachte". Kurz nach der Heirat wurden sie beide vom mährischen Erzbischof Method getauft.

Mit der Taufe des böhmischen Fürsten und seiner Frau wurde über das Christentum im ganzen Land entschieden. In der Legende heißt es, "das junge Ehepaar sei gemeinsam mit dessen Volk getauft worden." Ludmila und Borivoj hatten drei Söhne und drei Töchter. Der neue Glaube brachte ihnen aus politischer Sicht Vorteile. Die Legende stellt fest, "ihr Reich sei Tag für Tag gewachsen." Das Fürstenpaar lebte zuerst in Levy Hradec und danach auf der Prager Burg. Nach ungefähr 18 Jahren ist Borivoj gestorben. Die Fürstenwitwe Ludmila war jedoch energisch und tatkräftig und beeinflusste das Geschehen nicht nur unter der Regierung ihrer Söhne Spytihnev (897-905) und Vratislav (905-916), sondern auch noch später.

Der Streit, der zwischen der Fürstenwitwe Ludmila und deren Schwiegertochter Drahomira ausbrach und der für Ludmila tragisch endete, wird in den Legenden als ein Konflikt zwischen der Christin Ludmila und der noch heidnischen Drahomira geschildert. Drahomira war Gattin des Fürsten Vratislav, mit dem sie die Söhne Vaclav - zu deutsch Wenzel - und Boleslav hatte. Angeblich soll sie Boleslav bevorzugt haben, während Vaclav eher von seiner Großmutter Ludmila im christlichen Glauben erzogen worden sei. Ludmila gründete in Budec bei Prag die erste christliche Schule, an der ihr Enkelsohn Vaclav die lateinische Sprache gelernt hat.

Im Konflikt zwischen Ludmila und Drahomira ging es nach Meinung der Historiker auch um den Kampf um die Macht im Staat. Drahomira löste die gespannte Lage damit, dass sie gemeinsam mit einigen ihrer Anhänger eine Verschwörung gegen die Fürstenwitwe Ludmila schmiedete. Ludmila, die ihrer Macht enthoben wurde, flüchtete aus Prag auf ihre Burg Tetin. Ihre Schwiegertochter ließ sie trotzdem ermorden. Nach der Legende hießen die beiden Mörder, die von Drahomira am 16. September 921 nach Tetin entsandt wurden, Tunna und Gomon. Sie haben Ludmila erwürgt.

Am 16. September wird seitdem in den böhmischen Ländern Ludmilas Namenstag gefeiert. Auf den gotischen Gemälden wird Ludmila mit einem Attribut ihres Märtyrertodes - mit einem weißen Schal - dargestellt. So beispielsweise auch auf dem bekannten Votivbild des Prager Erzbischofs Jan Ocko aus Vlasim. Die Legenden erzählen darüber, dass in der Nähe des Grabes der ermordeten Fürstin seltsame Erscheinungen beobachtet worden seien. Aus dem Grund ließ Drahomira über dem Grab die Kirche des Heiligen Michals, des Wundertäters, erbauen, damit die Wunder nicht Ludmila zugeschrieben wurden. Zur Heiligsprechung der Premyslidenfürstin kam es verhältnismäßig bald, bereits unter der Regierung deren Enkelsohns Vaclav. Dieser ließ 925 die sterblichen Überreste seiner Großmutter in die St. Georgkirche auf der Prager Burg übertragen.

1981 wurden medizinisch-anthropologische Forschungen der in der Georgbasilika bestatteten Premyslidin durchgeführt. Die Forschungen hingen damals mit der Ausstellung zusammen, die unter dem Titel "Die ältesten Premysliden aus der Sicht der anthropologisch-medizinischen Forschungen" in der St. Georgkirche stattfand. Die Forschungen bewiesen, dass die im Grab gefundenen sterblichen Überreste einer Frau im Alter von ca. 60 Jahren gehörten. Dies entsprach den Vermutungen, dass Ludmila 860 geboren wurde.

Zur Glorifizierung der heiligen Ludmila kam es offensichtlich während des 12. Jahrhunderts, als es schon mehrere Legenden gab, die ihr Leben schilderten. Am bekanntesten sind die altslawische Legende "Prolog über die heilige Ludmila", die aus dem 11. Jahrhundert stammt, und die lateinische Legende "Fuit in provincie Bohemorum", die ungefähr fünfzig Jahre nach Ludmilas Tod entstand. Bekannt ist auch die Legende "Crescente Fide Christiana" aus dem 14. Jahrhundert, die im Kloster St. Emmeram in Regensburg geschrieben wurde. Ludmila war somit die erste glorifizierte Frau in der Geschichte Böhmens.

In Prag gibt es mehrere Sehenswürdigkeiten, die mit der heiligen Ludmila verbunden sind. Erwähnt wurde bereits Ludmilas Grab in der St. Georgkirche auf der Prager Burg sowie die Statue der Heiligen, die Bestandteil des Wenzelsdenkmals auf dem Prager Wenzelsplatz ist. Eine St. Ludmila-Kapelle gibt es auch im St. Veitdom auf der Prager Burg und nicht zu vergessen die neogotische St. Ludmila-Kirche auf dem Friedensplatz, die eine Dominante des Prager Stadtviertels Vinohrady/Königliche Weinberge darstellt.